Martin Santoro
· 20.11.2020
Ausgesprochen praktische Attribute für den feurigen Seat Leon gibt´s im neuen Sportstourer. Wie gut passt der 150-PS-Mild-Hybrid 1.5 eTSI dazu?
Die Fraktion der jungen Wilden im VW-Konzern versammelt sich seit Jahren unter dem Dach der spanischen Marke Seat. Im Falle des neuen Leon Sportstourer müssen sich jung, wild und Praktikabilität aber längst nicht ausschließen. Das geht im Segment der kompakten Lademeister auch gar nicht anders, die nutzwertige Bewältigung alltäglicher Transportanforderungen ist nun mal die Bestimmung eines Kombis. Hierbei nutzt der Sportstourer die MQB-Evo-Plattform des Modularen Querbaukastens aus dem Volkswagen-Konzern. Dadurch lässt sich ein charakteristisch-individuelles Äußeres gestalten – bei kostendämpfendem, vergleichsweise ähnlichem technischen Unterbau.
Demnach kann sich der Leon auch aggregateseitig aus dem reichhaltigen MQB-Regal bedienen. Aus dem Angebot sticht besonders der ganz neue Mild-Hybrid hervor. Heißt in aller Kürze: elektrisch unterstützt, nicht aber elektrisch fahrend. Im eTSI mit 150 PS koppelt Seat einen 1,5-Liter-Benziner mit einem 48-Volt-Riemen-Startergenerator (RSG) und einer 48-Volt-Lithium-Ionen-Batterie. Das aus dem neuen Golf bekannte System soll den Kompaktkombi gegenüber Modellen mit herkömmlicher Verbrenner-Technik sparsamer machen. Weil der Riemen-Starter-Generator aber auch das Antriebsdrehmoment erhöht, also als Booster fungiert, soll der Mild-Hybrid (MHEV) nicht nur verbrauchsärmer, sondern auch agiler sein. Den zukunftsweisenden Motor hat GUTE FAHRT erfreulicherweise gleich im ersten Testwagen vorgefunden – als Seat Leon Sportstourer 1.5 eTSI FR, bestellbar ab 29.595 Euro.
Die FR-Line markiert die sportliche Speerspitze mit dem dynamischsten Leon-Look außen wie innen. Sie lockt obendrein mit üppiger Serienausstattung. Dazu zählen etwa 17-Zoll-Aluräder, rundum LED- Leuchttechnik, Digital-Cockpit, Motor-Startknopf sowie Fahrprofilauswahl und das Umfeldbeobachtungssystem „Front Assist“.
Das athletisch gestraffte Blechkleid in Desire Rot (897 Euro) betont das südländische Temperament des Seat. Nach Betrachten der schlanken Silhouette blicken wir interessiert auch aufs Datenblatt: Im Vergleich zum Vorgänger hat sich der Neuling um gut neun Zentimeter gestreckt, wovon fünf Zentimeter auf den jetzt längeren Radstand von knapp 2,70 Meter entfallen. Schnell stellt sich heraus, dass die nunmehr dritte Leon-Kombi-Generation nicht nur gut aussieht, sondern auch eine verbesserte Alltagstauglichkeit mitbringt. Bemerkbar macht sich das etwa beim Öffnen der stylisch angeschrägten Heckklappe, die einen stattlichen Laderaum freigibt: Mit gut nutzbaren 620 bis 1.600 Liter Volumen verdient sich der Pragmatiker auch unter anspruchsvollen Baumarkt-Kunden fleißig Pluspunkte. Den Vergleich mit seinem Vorgänger (587 bis 1470) entscheidet der Neue klar für sich. Nach Umlegen der asymmetrisch teilbaren Fondlehne wächst die Laderaumlänge auf über 1,80 Meter. Und: Unter dem klappbaren Laderaumboden verbirgt sich weiteres Stauvolumen.
Fond-Passagiere dürfen sich freuen
Im Fond freuen sich die Passagiere über einen bequemen Einstieg, großzügig bemessenen Beinraum sowie reichlich Abstand zum Dachhimmel. Normal gewachsene Staturen profitieren von der guten Schenkelauflage auf der angenehm straff gepolsterten Sitzbank.
In der ersten Reihe herrscht ebenfalls keine Platznot, man fühlt sich mindestens eine halbe Klasse großzügiger untergebracht. Das Cockpit erfreut mit sauber verarbeiteten Elementen, die Oberflächen bieten unterschiedliche Maserungen, die im Sichtbereich ansprechend weich geschäumt sind. Bei genauerer Betrachtung zeugen unterhalb der Kniehöhe jedoch recht einfache Verkleidungen aus Hartplastik von einer straffen Kostenplanung. Dieser dürfte auch die fehlende Gurthöhenanpassung zum Opfer gefallen sein.
Dennoch kommt durchgehend Wohlgefühl an Bord auf. Die klar und sachlich gestalteten Elemente haben Stil, wozu insbesondere die großen, neuen Displays einschließlich der digitalen Instrumente mit umfangreich wählbarer Grafik beitragen. Beim Umstieg auf den neuen Leon Sportstourer muss sich der Fahrer aber auf eine Eingewöhnungsphase einstellen. Die Schaltzentrale ist zwar aufgeräumt, bietet aber kaum noch physische Tasten mit klar zugewiesenen Funktionen. Soll beispielsweise das Fahrprofil von Sport auf Eco wechseln, sind mehrere Bedienschritte per Touchscreen einzuleiten. Bisher gab es dafür eine Taste – nur ein Beispiel für die komplexere Bedienung. Nach kurzer Eingewöhnung aber erschließt sich die Bedienlogik.
Jetzt also losfahren! Da der Leon Sportstourer hier in der Top-Line FR antritt, startet der Motor serienmäßig schlüssellos. Der einzige Mild-Hybrid im Aggregate-Programm baut auf dem gleichermaßen starken wie sparsamen 1.5 TSI mit ACT auf. Die Zylinderabschaltung knipst bei schwacher Last einfach zwei Zylinder aus, was ebenso Sprit spart, wie die eingangs erwähnte Mild-Hybridisierung. Der Vierzylinder legt indes agil los und bringt den Leon mit Unterstützung des RSG, der von einer 250-Wh-Batterie unterm Beifahrersitz versorgt wird, hurtig auf Tempo. Die 100 km/h-Marke fällt nach gemessenen 8,9 Sekunden. Rein subjektiv wirkt die Beschleunigung sogar vehementer, weil die 48-Volt-Technik vom Start weg Kraft beimischt. Zudem erreicht er klaglos eine Spitzengeschwindigkeit von 221 km/h. Der Turbobenziner bleibt dabei eher im Hintergrund, auch weil er seine Kraft konstant und gleichmäßig entfaltet.
Das E-Maschinchen hilft sprinten und sparen
Das maximale Drehmoment von 250 Nm liegt schon ab 1.500 Umdrehungen an und steht bis 3.500 Touren zur Verfügung. Beim eTSI stets an Bord ist das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, das nun über einen stark geschrumpften Wählknubbel nicht mehr mechanisch sondern elektronisch Shift-by-Wire bedient wird. Auf Befehle mit dem Gasfuß reagieren Motor und Getriebe beinahe ansatzlos, Zwischensprints bereiten richtig Freude. Doch der eTSI kann noch mehr, zum Beispiel Segeln mit ausgeschaltetem Motor. Im Schiebebetrieb sinkt die virtuelle Drehzahlnadel auf Null, der Leon rollt antriebs- und beinahe lautlos weiter. Das klappt sogar auf der Autobahn. Auch in der Stadt kann der Segelmodus beim Spritsparen helfen. Tempo baut der segelnde Leon nur sehr langsam ab, zumindest in der Ebene. Will man wieder beschleunigen, holen der Gasfuß des Piloten und der Generator den Vierzylinder verzögerungfrei zurück ins Leben. Beim Gleiten macht sich auch das nur im Drehzahlmesser bemerkbar, da das Getriebe im höchstmöglichen Gang bleibt. In einigen Situationen schaltet sich der Verbrenner aber auch selbstständig wieder dazu. Dann nämlich, wenn die vernetzte Bordtechnik mit Navi-Daten und Frontkamera Ortschaften, Vorausfahrende, Kreuzungen oder Tempolimits erkennt und die Rekuperation des 48-Volt-Systems nicht genug Bremsmoment aufbaut. Der selbstständige Wechsel in niedrige Gänge sorgt dann dafür, dass der Sportstourer zusätzlich an Tempo verliert. Bremsen ist unter Umständen also gar nicht nötig.
Es braucht ein wenig Eingewöhnung, den Fahrstil an die Fähigkeiten und Vorzüge der MHEV-Technik anzupassen. Allein schon deshalb, weil man so oft vom Gas gehen kann. Doch dann lässt es sich mit dem kompakten Kombi vortrefflich cruisen. Dabei kann der sanft elektrifizierte Spanier seinen Fahrer noch mehr unterstützen. Der im FR serienmäßige „Travel Assist“ lenkt, beschleunigt und bremst bis 210 km/h aktiv mit. Der Fahrer muss dazu aber die Hände am Steuer belassen.
Erstaunlich günstiger Verbrauch
Und was kommt unterm Strich raus? Auf der GUTE Fahrt-Verbrauchsrunde mit Autobahnanteilen beschränkte sich der Konsum auf erfreuliche 6,5 Liter. Bei gezügelter Fahrweise aber lassen sich problemlos Werte unter fünf Liter realisieren. Selbst flott gefahren blieb die zehn stets außer Sicht.
Und dynamische Fahreigenschaften gehören zur DNA von Seat. Auf kurviger Strecke macht sich die gute Balance aus Komfort und Dynamik bemerkbar. Mit aufpreispflichtigen 18-Zoll-Rädern (658 Euro) und Dynamik-Paket (795 Euro) inklusive Progressivlenkung und adaptiver Dämpfer lenkt der Leon präzise und spontan ein, hält stabil seinen Kurs und pfeilt dann dank guter Traktion wieder zügig auf die Gerade. Dabei federt er Unebenheiten recht komfortabel weg.
Guter Reisekomfort ist dem Leon Sportstourer 1.5 eTSI demnach ebenso zu attestieren, wie emotionaler Fahrspaß bei sparsamen Verbrauch. Kombiniert mit der hohen Variabilität eines kompakten Kombi übernimmt der innovative Mild-Hybrid-Seat die Rolle eines jungen Wilden mit Verstand.
Test kompakt:
Für den kompakten Leon Sportstourer ist erstmals ein Mild-Hybrid verfügbar. Die neue Antriebsform passt gut zum spanischen Lademeister, vereint sie doch ein erstaunlich hohes Maß an Sparsamkeit mit sportivem Punch. Der Sportstourer bietet in seiner neuen Generation noch mehr Nutzwert, ohne sportliche Tugenden aus dem Blick zu verlieren. Die Bedienung erfordert aber ein wenig Eingewöhnung.