Hans-Michael Koetzle
· 23.02.2023
Wie kein Zweiter hat Horst H. Baumann in den 60er-Jahren die Faszination Automobil in hochemotionale Bilder übersetzt. Ein großartiger Band erschließt nun sein zu Unrecht in Vergessenheit geratenes Werk.
Der Mann war bekannt, berühmt, ein Shootingstar unter den Talenten seiner Zeit. Ursprünglich hatte der 1934 in Aachen geborene, 2019 verstorbene Horst H. Baumann Hüttenkunde studiert. Doch angeregt durch Zeitschriften wie »Life« oder »Picture Post« begann er parallel zur Hochschule zu fotografieren, in Aachen auf der Straße, im nahen Köln oder Düsseldorf. Schnell erregte er Aufsehen mit seinen schwarz-weißen Bildern, deren Ästhetik sich radikal unterschied sowohl von der Fotokunst wie vom Journalismus jeder Tage. Bereits 1956 konnte sich der junge Horst H. Baumann einen Preis beim Jugendfotowettbewerb der photokina sichern. Es folgten viel beachtete Veröffentlichungen in Zeitschriften wie »twen« oder »Kristall«, Ausstellungsangebote, Aufträge aus der Industrie.
Stets hat sich Baumann als Künstler verstanden, weniger als Fotojournalist. Was auch immer er fotografierte, ob Straßenszenen oder Kinder, Bergbau oder Prominente, stets suchte er das besondere, das andere Bild. Sei es, dass er mit kühnen Anschnitten experimentierte, mit Unschärfen, ungewöhnlichen Durchblicken, oder dass er vermeintlich »störende« Elemente in den Vordergrund rückte. Baumann liebte die Technik, und schnelle Autos faszinierten ihn. Speziell der Formel 1 galt seine Leidenschaft. Dabei interessierten ihn weniger bestimmte Typen oder Marken. Was Baumann mit seiner Leica einzufangen suchte, war die Atmosphäre des Rennsports, die emotionale Seite einer Attraktion, die nicht nur aus Geschwindigkeit besteht. Baumann ging nah heran, erfasste close up das Geschehen. Er nutzte lange Brennweiten und Wischeffekte, um so etwas wie Tempo zu erfassen. Oder er experimentierte mit einem neuen Farbfilm der Agfa. Bereits Anfang der 60er-Jahre galt Baumann als Pionier einer neuen Farbästhetik. Bilanz seiner Experimente war das 1965 erschienene Buch »Die neuen Matadore«. Es sollte die wichtigste Publikation des Fotografen zu Lebzeiten bleiben.
Mehr als fünf Jahrzehnte später wird nun Horst H. Baumanns farbfotografisches Werk wiederentdeckt, wobei der bei Delius Klasing erschienene, üppig illustrierte Band den Akzent auf die Welt der Automobile und des Rennsports legt. Das Buch lädt ein zu einer Reise zu legendären Orten automobiler Begeisterung wie Spa, Le Mans, Zandvoort oder Nürburgring. Dabei zeichnen die historischen Aufnahmen Baumanns ein facettenreiches Bild des Renngeschehens, wozu auch eher stille Augenblicke zählen. Dreierlei feiert der empfehlenswerte Band: die Welt des Motorsports, Fotografie als künstlerische Ausdrucksform – und mit Horst H. Baumann einen der innovativsten deutschen Nachkriegsfotografen.