Sven Freese
· 17.02.2023
Wie passen Bauhaus-Design, Hightech-Leuchten, Stuhl-Klassiker und ein seltener Porsche aus Kalifornien zusammen? Die Antwort fanden wir in Kurhessen.
Eine Form, an der man nichts mehr weglassen kann. Eine Hightech-Steuerung, die auf feinste Berührungen reagiert. Und LED-Technologie, die bei der Premiere 2010 das große Ding in der Lichttechnik war: Das ist die Tischleuchte Lum. Entworfen hat sie der Architekt und Designer Ulf Möller, Jahrgang 1969. Für den Möbelhersteller Thonet aus dem nordhessischen Frankenberg, der weltberühmt ist für seine Stuhl-Klassiker – und der seit elf Jahren mit Lum auch einen Leuchten-Klassiker im Sortiment hat. Möller wiederum hat seither einen Porsche in der Garage stehen. Einen weißen America Roadster. »Den habe ich mir als Belohnung für den erfolgreichen Entwurf gekauft«, erklärt er. »Das Auto geb' ich nicht mehr her.«
Möller liebt es unkonventionell. Zum weißen Haarkranz trägt er eine silberfarbene Daunenjacke und an den Füßen hohe schwarze Reitstiefel. So fühlt er sich wohl – und kann jederzeit einen Abstecher zur Koppel unternehmen, wo seine Hannoveraner Stute »Daisy« auf Bewegung wartet. Möllers Freude am Unerwarteten zeigt sich an seiner Garderobe ebenso wie an seiner Arbeit. Aus Lum etwa ist inzwischen ein kleiner Leuchtenkosmos geworden. Eine Stehleuchte gehört ebenso dazu wie ganz neue Hängeleuchten. Deren größte, die Lum 195 (1,95 Meter lang), kommt in diesen Wochen auf den Markt. Gefertigt werden sie von einem eigens dafür gegründeten Joint Venture von Thonet und der Bremer Leuchtenmanufaktur Tecnolumen.
Als Möller Lum entwarf, ging es nicht nur um die Form. »Allein das Design wäre zu wenig. Erst die Kombination mit Spitzentechnologie macht aus einem optisch ansprechenden Gegenstand einen Klassiker.«
Wenn Möller über Design spricht, benutzt er gern das Wort »zeitstabil«, wo andere »zeitlos« sagen würden. »Denn aus zeitstabil wird wertstabil«, erklärt Möller. Das gelte für Stühle, Leuchten und Autos gleichermaßen. Es sei kein Zufall, dass Ferdinand Alexander Porsche, der Schöpfer von Auto-Ikonen wie dem Porsche 911 oder dem Porsche 904, an der Ulmer Hochschule für Gestaltung studierte, die wie keine andere Designschule zu dieser Zeit für eine funktionale, reduzierte Ästhetik stand. Es ist das gleiche Formdenken, das auch bei Thonet gepflegt wird: ein konsequentes Fortführen der Bauhaus-Ästhetik.
Als Möller Lum entwarf, ging es nicht nur um die Form. »Allein das Design wäre zu wenig. Erst die Kombination mit Spitzentechnologie macht aus einem optisch ansprechenden Gegenstand einen Klassiker.« Was Porsche mit dem Elektrosportwagen Taycan unternommen habe, sei in gewisser Weise vergleichbar damit, wie sich Thonet das Thema Leuchten erschlossen hat, erläutert Möller. Die LED-Technologie, die Berührungsautomatik, die in einem Stahlrohr verborgene Elektronik – das alles war Neuland. Möller: »Bis es so funktionierte, wie wir uns das vorgestellt hatten, vergingen Monate.« Damit die Leuchte nicht überhitzt, werden die LEDs immer wieder aus- und eingeschaltet. So schnell, dass es das menschliche Auge nicht wahrnimmt, aber doch lang genug, um die Temperatur in einem verträglichen Bereich zu halten. Die LEDs halten praktisch ewig. »Auch das bedeutet zeitstabil«, sagt Möller.
Wenn Möller über Design spricht, benutzt er gern das Wort »zeitstabil«, wo andere »zeitlos« sagen würden. »Denn aus zeitstabil wird wertstabil.«
Und ist damit schon wieder bei seinem automobilen Lieblingsthema, dem America Roadster. Möller kaufte den Wagen in Kalifornien und importierte ihn in seine Heimatstadt Kassel. Lediglich 300 dieser Autos wurden Anfang der 1990er-Jahre gebaut – als Sondermodelle in Erinnerung an die ersten America Roadster, bildschöne Porsche-356-Zweisitzer mit Stoffverdeck, die 1952 für den US-Markt gebaut worden waren. Bei den Sondermodellen handelte es sich um Porsche 964 mit Turbokarosserie. Möller stieß zufällig auf ein Exemplar. »Der Wagen hatte 75.000 Meilen auf dem Zähler und war blendend in Schuss«, sagt er. »Die breite Karosserie hat mich beeindruckt. Und dann der coole Roadster-Schriftzug am Heck – ein betörendes Auto.« Und eines mit Rock'n'Roll, denn der amerikanische Vorbesitzer ließ eine Braun-Musikanlage einbauen: acht Lautsprecher, Subwoofer im Fond, Endstufe vorn unter der Haube. »Als ich den Deckel des Kofferraums aufgemacht habe, sind mir fast die Augen rausgefallen, denn er war schon voll«, berichtet Möller. »Aber der Sound ist irre.«
Wenn er über den Wagen spricht, strahlen seine Augen beinahe wie die LEDs in seinen Leuchtenkreationen. Dass Möller auf Porsche fixiert war, hatte mit einem Erlebnis aus seiner Studienzeit zu tun: Damals, 1990, studierte Möller in Darmstadt Architektur und Städtebau und arbeitete parallel in einem Architekturbüro, das eine Pizzeria an der berühmten Krämerbrücke in Erfurt baute. Nach einem Termin vor Ort erhielt er von seinem Chef die Schlüssel für dessen brandneuen Porsche 964 und den Auftrag: Fahr tanken! »Ich war total begeistert«, erzählt Möller, »obwohl es zunächst eine Odyssee wurde, denn ich suchte ewig nach einer Tankstelle. Als ich endlich eine gefunden hatte, war es 21 Uhr, und der Tankwart schloss gerade ab. Es brauchte Überredungskunst, um noch Benzin zu bekommen. Das Fahrerlebnis aber war grandios.«
Wenn er über den Wagen spricht, strahlen seine Augen beinahe wie die LEDs in seinen Leuchtenkreationen.
»Für mich ist der 964 einer der schönsten Elfer«, sagt Möller. Er schwärmt vom Bug mit den charakteristischen Scheinwerfern, von den breiten 18-Zoll-Rädern, vom »stattlichen und zugleich sehnigen« Gesamteindruck. Was er außerdem schätzt, ist die Verlässlichkeit des America Roadsters und seine nimmermüde Performance.
»Der Wagen ist inzwischen 30 Jahre alt und fühlt sich beinahe so frisch und agil an wie ein Neuwagen.« Möller kann das beurteilen, denn inzwischen hat er seinen Fuhrpark komplett auf Porsche umgestellt: Als Alltags-Porsche steht ein gelber 718 Spyder in der Garage. »Meine Extradosis Vitamin C«, sagt Möller. Dann gibt es noch einen roten Porsche Boxster Spyder Baujahr 2011 sowie einen schwarzen Porsche Macan. Der ist ideal, wenn ein Sattel oder ein Hafersack transportiert werden muss. Und klar – einen Designer muss man fragen, welche Art Auto er am liebsten gestalten würde. »Einen aerodynamisch perfekten Kombi«, sagt er. Typisch Möller: unerwartet und puristisch. :::