Porsche-MenschenLiebe hoch zwei

Christian Lamping

 · 17.02.2023

Porsche-Menschen: Liebe hoch zweiFoto: Heiko Simayer
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Wie auf Schienen geht es über den warmen Asphalt einer schwäbischen Kleinstadt. Achim Kächele gibt in den Kurven extra ein wenig Gas, Gokart-Feeling stellt sich ein. Seit 30 Jahren besitzt er schon seinen 914/4, und nun wartet ein großer Mittelmotor-Bruder zu Hause unvollendet auf der Bühne. Also schnell zurück dorthin!

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Foto: Heiko Simayer

Es geschah am helllichten Abend, Fahrlehrer Lothar öffnete seine Garage: ein roter 914/4, Sechszylinder-Umbau, Fahrschüler Achim war wie vom Blitz getroffen. Ab dem Moment war klar: So ein Porsche musste es sein, der Traum, Achims Traum, war geboren. »Ich war gerade 18«, erzählt er. Ort des Geschehens: Schorndorf, damals wie heute 40.000-Seelen-Städtchen vor den Toren Stuttgarts. Hier ist Kächele geboren. »Ein Jahr später stand mein 914 in der Zeitung, in Esslingen – für 3.000 Mark. Null Ahnung hab ich gehabt. Wenn ich heute die Bilder sehe, denk ich immer: ›So was darfst du nicht kaufen, das ist tödlich.‹ Alles überlackiert, die ganzen Kabel ausgenebelt. Am Ende hab ich jedes einzelne mit dem Messer freigekratzt.« Dieser Typ, das wird schnell klar, legt einfach los, hat keine Angst vor Fehlern. »Die Fehler, die passieren halt – völlig normal«, sagt er, »wenn alles Wissen aus uralten, verklebten Ordnern stammt«. Sein handwerkliches Geschick hat er vom Vater: »Schon mit drei, vier Jahren bekam ich das erste Mal eine Stichsäge in die Hand, um irgendwelche Bretter zu zersägen. Mein Vater hat mich ermutigt, solche Dinge anzugehen.«

»Hier bin ich aufgewachsen. Jedes Mal, wenn ich in die Garage komme, kehre ich zum Ursprung zurück.«

Solche Dinge, Dinge wie einen Porsche 914. Im Mai 1990 startete die Restauration: »Ich war Zivi, hatte null Geld. Dafür die Zeit, stundenlang an irgendetwas rumzuschrubben.« Kächeles Gedanken kreisten nur um eins, selbst nachts im faden Dienst der Krankenhauspforte. »Ich dachte darüber nach, wie ich mein Lederlenkrad neu beziehen könnte. Für die Naht braucht man diese runden Nadeln, die ich aus dem OP kannte. Also rief ich bei den Kollegen an.« Kaum zu Hause, legte er los. Zwar sei das Ergebnis nicht perfekt, aber darum gehe es ihm auch gar nicht. »Wenn ich einen 914 im Museum sehe, dann ist der wie aus der Fabrik. Da gibt’s keinen CD-Wechsler im Kofferraum, keine Porsche-Hupe. Für mich hat das nur wenig Flair.« Auch in der Lackierung spiegelt sich Individualität: keine der typischen 70er-Jahre-Farben, stattdessen ein entspanntes Blau, Nachtblau, passend zur klassischen Form der Karosserie. Und die Sitzbezüge? – Folgen ebensowenig irgendeiner Konvention: »Die kommen vom 911, mit Porsche-Schriftzug. Irgendwie hab ich die Ersatzteilnummer rausgekriegt und dann Meterware bestellt. Das Ganze ging dann gleich zum Sattler.« Nach knapp drei Jahren, im Dezember ’93, war’s geschafft: ein 914/4 wie aus dem Ei gepellt, bis heute.

»Wenn ich einen 914 im Museum sehe, dann ist der wie aus der Fabrik. Da gibt’s keinen CD-Wechsler im Kofferraum, keine Porsche-Hupe. Für mich hat das nur wenig Flair.«

Kächeles Werkstatt liegt parterre im Haus der Großeltern, die ihr Leben hier verbrachten. Wo heute abgewetzt, schwarzbraun-porös und herrlich modrig riechend eine Werkbank steht, standen einstmals – Pferde. »Hier bin ich aufgewachsen. Jedes Mal, wenn ich in die Garage komme, kehre ich zum Ursprung zurück.« Statt wiehernden Vierbeinern scharrt jetzt ein anderes Wesen mit den Hufen. Stolz schaut es von der Bühne, noch völlig lautlos. Doch die Rollenverteilung ist schon jetzt besprochene Sache, wie bei Kästners »Doppeltem Lottchen«: Der eine, der fertige draußen vor dem Tor: ganz ruhig, zurückhaltend, elegant. Und der andere, hier aufgebockt, soll aufbrausend sein – irgendwann – und mitten auf die Zwölf.

»Ich wollte unbedingt noch einen Sechszylinder, einen echten 914. Kein Umbau, sondern original, hab deshalb jahrelang im Netz geschaut.« Kächele spricht vom zweifelhaften Ruf, den der 914 hierzulande lange hatte. Von Vögeln, die den Wagen kauften, um ihn hochzuzüchten, runterzureiten und herzlos zu verschrotten. Kein Wunder, dass es kaum noch welche gebe. »Eines Abends seh ich dieses Auto bei Bring a Trailer, drüben in den Staaten – kein Motor drin, perfekt für mich. Ich hatte ohnehin schon andere Pläne. Stabilisatoren und Verbreiterungen waren eingebaut, zudem kaum Rost. Anhand von Fotos hab ich nach nur einem FaceTime-Anruf zugeschlagen.« Vom Grundzustand ist er noch immer begeistert, sogar das Originalradio sei noch drin. »Wir haben die Bremspedale ausgebaut – an den Gummibeschichtungen konntest du gut nachvollziehen, dass die angegebenen 33.000 Meilen Laufleistung passten.« Nicht viel für 50 Jahre Lebenszeit. Kächele und seinen 914/6 verbindet das Geburtsjahr, beide sind Jahrgang 1970. Zum US-Vorbesitzer bestehe noch Kontakt – ein Porsche-Tuner, der auch selbst mal Rennen fuhr. Von Le Mans habe John immer geträumt, so Kächele, deshalb der Aufkleber auf der Scheibe. »Er wollte seinen 914/6 als GT auferstehen lassen, doch irgendwann hatte er genug vom Schrauben. Heute ist er Schiffskapitän und kreuzt irgendwo vor der Küste Delawares.« So kam es zum Verkauf.

»Tacho umbauen, da ein Hebel, da ein Zeiger, enorm kleinteilig ist das Ganze. Andere Kolben in den Motor rein, andere Zylinder.«

Ende 2019 war das, jetzt steht der Wagen hier in Schwaben und wartet auf sein neues Herz. Das steht bereits daneben. Die GT-Vision des Vorbesitzers hat Kächele gern aufgenommen und einen Motor aus dem 911 SC 3,2 beschafft. »Alles, was du tun musst, ist die Original-Motorverblechung abzuschrauben und die vom 914 dranzuschrauben, das war’s. Der Grundmotor ist derselbe, passt ohne Probleme. Auspuff und Abgas gehen halt in eine andere Richtung, da kommen neue Rohre dran.« Mittlerweile hat der Schorndorfer ein ganzes Heer an Helfern um sich versammelt. Sein Nachbar macht die Blechverarbeitung. »Wenn du die am Ende siehst, denkst du, die ist gekauft.« Nur wenige Exemplare des 914/6 GT rollten offiziell vom Band, knapp eine Million wird heute für ein Fahrzeug aufgerufen. Gleichzeitig durften Porsche-Händler den 914 mit offizieller GT-Option aufrüsten – überlieferte 400 Stück verkauften sich davon. Einer dieser Händler ist Kächele besonders in Erinnerung geblieben: der Strähle, einst Schorndorfer Porsche-Avantgardist. Dessen gelbe GT-Rennversion steht Pate. Das plakative Sonnenwappen will auch Kächele verwenden, es allerdings mit Martini-farben kombinieren, mit jener legendären Streifenfolge.

Inspiration findet sich auch hier – an anderer, prominenter Stelle: »Ferdinand Piëchs persönliche Version hatte 300 PS, sollte die Grenzen des 914 ausloten. In ähnliche Regionen möchte ich jetzt vorstoßen, eine Art Weiterentwicklung, Optimierung des 914 vollziehen.

»Ich wollte unbedingt noch einen Sechszylinder, einen echten 914. Kein Umbau, sondern original, hab deshalb jahrelang im Netz geschaut.«

Mit Bauteilen, die erst zehn, 15 Jahre später rauskamen.« Unter der Hebebühne lässt sich am besten nachvollziehen, wie Kächele den Worten Taten folgen lässt: »Meine Hinterachsbremse setzt sich zusammen aus dem 914-Bremsklotz, der Bremszange vom Boxster und der Handbremse vom 911 S. Musste ich erst rausfinden, das funktioniert alles einwandfrei.« Als Nächstes sei der GT-Ölkühlereinbau an der Reihe, für das typische Haifischmaul, so Kächele. Drei Jahre gibt er sich für sein Projekt, dann soll der zweite Porsche fertig sein. »Tacho umbauen, da ein Hebel, da ein Zeiger, enorm kleinteilig ist das Ganze. Andere Kolben in den Motor rein, andere Zylinder. Dann wird tariert, poliert, geschliffen, damit der wie ein Kätzchen schnurrt. Von innen wie ein Schuhkarton – und hinten gehen die Raketen an.«