Jo Berlien
· 10.03.2023
Der Straßburger Karosseriebauer Hubert Haberbusch ist Maître d’art. Staatlich geprüfter Meister des Kunsthandwerks. Der erste seiner Art in ganz Frankreich.
HH-Services ist ohne Navi nicht zu finden. Die Werkstatt liegt kilometerweit vom Stadtzentrum entfernt im unverbauten Grenzland, das früher einmal eine militärische Pufferzone zwischen Frankreich und Deutschland war. An einem dieser unzähligen Kreisverkehre folgt man dem Schild »Zone d’Art«. Hier, in Nachbarschaft zu einem Künstlerkollektiv, in einer Industriebrache, die sich zum Gewerbehof gewandelt hat, ist Kunsthandwerker Haberbuschs HH-Services daheim.
Haberbuschs Garage ist selbst eine Art improvisiertes Atelier. Im Büro hängen Illustrationen, afrikanische Schnitzereien, zeitgenössische Kunst, etwa Isaak Rensings Magnolienblatt in Aluminium. Aber in der Art, wie Männer Wände vollhängen: collagenartig wüst durcheinander, dazwischen der gerahmte Meisterbrief. Und in der Werkstatt, versichert Rensing, 36, Haberbuschs rechte Hand, hänge auch der obligatorische Pirelli-Kalender.
Hubert Haberbusch bekam neulich den Auftrag, ein rares Porsche-911er-Modell wieder in Form zu bringen. Der Eigentümer hatte in Bordeaux nach einem Restaurierbetrieb gesucht. Bordeaux liegt am anderen Ende von Frankreich, 1.000 Kilometer von Straßburg entfernt. »Im Elsass, da gibt es einen, der kann das«, sagten sie in Bordeaux.
In der französischen Oldtimer-Szene ist Haberbusch ein Star, seit er 2017 als erster Autoschrauber in den Stand des Kunsthandwerkers erhoben und mit dem Titel Maître d’art ausgezeichnet wurde. Auto, das war bis dahin Prosa, das war Blech, Rostfraß und Spachtelmasse. Die Schreiner und Glasmacher, die Orgel-, Gitarren-, Flötenbauer und Kostümbildner waren unter sich geblieben. Kein Karosserieschmied hatte einen Gedanken ans Kunstgewerbe verschwendet. Es braucht immer einen, der es versucht. Einen Typ wie Haberbusch. Wenn das Fernsehen kommt, zieht er sich einen schwarzen Rolli über. Dazu die schwarze Hornbrille. Hubert Haberbusch, 67, schaut dann aus wie ein Regisseur der Nouvelle Vague, 60er-Jahre, Schwarz-Weiß-Chic. Monsieur liebt das Spiel der Verwandlung und Veredelung. Er ist Ästhet, aber kein Snob. Er liebt Autos, aber die Liebe ist rein platonisch. »Autofahren ist für mich, von A nach B zu kommen. So eine Ausfahrt gibt mir nichts. Von all den Porsche hier gehört mir keiner.
»Wir sind für die passionierten Kunden da, für Liebhaber, die lange davon geträumt haben, einen Porsche zu haben, und sich den Traum nun erfüllen.«
Ich bin kein Sammler.« Leidenschaftlich wird Haberbusch, wenn es ums Modellieren und Formen von Blechen geht, also ums Handwerk, das für ihn Kunsthandwerk ist. Um nach einer Fotovorlage ein Ersatzteil, etwa einen Kotflügel für einen 356er nachzubauen, braucht es Intelligenz in den Händen. Oder wie Straßburgs Zeichner Tomi Ungerer, der auch ein großer Handwerker war, sagte: »In jedem Finger sitzt ein kleines Hirn.« Vor allem aber braucht es Intuition. Man muss die fertige Form vor sich sehen, ehe man den ersten Handgriff tut. Lernen kann man das nicht, man hat die Gabe oder hat sie nicht. Haberbusch machte sich mit 24 selbstständig, geriet an einen Textilfabrikanten, der einen Porsche 904 und einen 911 fuhr. Mietete sich bei ihm ein. »Aber ich war es schnell leid, dringliche Unfallreparaturen zu machen.« Einen Steinwurf von der deutschen Grenze entfernt, in der leer stehenden Werkshalle von Triumph-Unterwäsche, fand er, was er gesucht hatte: Ruhe und viel Raum für die eigene Oldtimer-Werkstatt. Den Fabrikanten nahm er als Kunden mit, die beiden freundeten sich an. Die beiden Porsche und weitere Nachfolgemodelle sollte er auf Jahrzehnte hinaus betreuen.
Genau darauf basiert bis heute Hubert Haberbuschs Geschäftsmodell: auf ernsthaft geteilter Liebe zum Objekt, auf Verbindlichkeit und Treue. Der 356 A auf der Richtbank etwa ist alle paar Jahre mal wieder da. Isaak Rensing, Haberbuschs rechte Hand, hat ihn vor Jahren restauriert; aktuell muss eine Blessur verarztet werden.
Haberbuschs Kunden sind auch aus der Schweiz, aus Belgien, Luxemburg, Deutschland, aber er nimmt nicht jeden Auftrag an. »Wir arbeiten grundsätzlich nicht für private oder professionelle Wiederverkäufer. Geschäftemacherei und Diskussionen um Rabatte will ich nicht. Wir sind für die passionierten Kunden da, für Liebhaber, die lange davon geträumt haben, einen Porsche zu haben, und sich den Traum nun erfüllen. Ich lege Wert auf persönlichen Kontakt. Die guten Kunden schauen sich die Werkstatt an, und wenn es passt, vertrauen sie mir ihr Auto an.« Vertrauen, sagt Hubert Haberbusch, ist die Basis. »Wir arbeiten wie Schmuckhändler. Vertrauen gegen Vertrauen.«
Zum Jahreswechsel hat Haberbusch vier Porsche-Modelle im Repertoire: ein 356 A Coupé, einen Roadster 356 BT6, ein BT7 Cabrio sowie einen vom Kunden aus Kalifornien importierten 911er Speedster, Baujahr 1989. Die bisweilen »unorthodoxen Reparaturmethoden« der US-Kollegen, sagt Isaak Rensing, kommen nach und nach ans Licht, sobald die Karosserie abgebeizt ist. Rensing zeigt auf eine Passage, die einem Lochblech gleicht. »Hier haben sie munter eine ganze Reihe Löcher gebohrt. Sie wollten, dass die Spachtelmasse besser hält.«
Und dann war da noch der Porsche 346 Abarth – jener ambitionierte Versuch von Porsche, auf einer Porsche-Plattform eine von Abarth in Bologna gefertigte Karosserie zu installieren. Mit dem Ergebnis, dass gewissermaßen lauter Unikate entstanden. Sie entsprachen nicht dem Porsche-Standard. 2001, als die insgesamt 21 produzierten Abarth-Modelle noch relativ günstig zu haben waren, suchte Haberbusch nach einer neuen Frontscheibe. In den Vogesen fand sich tatsächlich ein zweiter Abarth. »Aber die Scheibe hat dann nicht gepasst.« Und Zurrechtbiegen ging leider nicht.
Es kommt vor, dass Haberbusch Autos über Jahre hinweg stehen hat. »Da kommt’s nicht drauf an, ob man ein paar Hundert Stunden mehr braucht. Der Kunde sagt: ›Hauptsache, ihr macht es gut und ihr macht es selber!‹ Häufig sind das Kunden, die gar kein fertiges Auto wollen, sondern lieber zusehen, wie man ein halbfertiges aufbaut.« An diesem Punkt treffen sich Kunden und Haberbuschs Leute. In der Werkstatt gibt es keine Stechuhr. Es gibt zwar einen Acht-Stunden-Tag. Doch es kommt vor, dass der Geselle über seinen Porsche gebeugt die Zeit vergisst. Haberbusch: »Der Junge kann sich keinen Porsche leisten, aber er ist glücklich, an einem Porsche zu arbeiten.« Und doch ist das Leben kein Idyll. Auch in Frankreich, auch im Elsass mangelt es an Lehrlingen. Haberbusch kooperiert mit dem Nachfolgeinstitut der vor 130 Jahren von den Preußen in Straßburg gegründeten Kunstgewerbeschule. Schon 1819 ging es darum, die Distanz zwischen Kunst und Handwerk, Theorie und Praxis zu überwinden. In der Praxis beschäftigt Haberbusch auch schon mal einen jungen Tenorsänger.
Bei aller Liebe, entscheidend ist, um es in der Fußballersprache zu sagen: auf dem Platz: Hubert Haberbusch erkennt bei seinen Eleven sofort, ob es einer draufhat. Isaak Rensing kam 2002 als Wandergeselle aus dem Münsterland nach Straßburg. Haberbusch hat ihn damals gleich dabehalten und aufgebaut, ganz so, wie ein Vater einen Sohn großzieht. Rensing soll schon bald den Betrieb übernehmen. Auf dass HH-Services in Straßburg unfallfrei in die nächste Generation überführt wird.