Porsche-MenschenDesigner Ulf Möller – Lichter der Großstadt

Sven Freese

 · 15.11.2022

Porsche-Menschen: Designer Ulf Möller – Lichter der GroßstadtFoto: Alexander Babic
Powered by

Ein Foto aus PORSCHE KLASSIK inspirierte ein Hamburger Leuchtenhaus zu einer außergewöhnlichen Fensterdeko mit Designer Ulf Möller und seinem 911 im Zentrum. Lichtgestalt Möller genoß Hommage und Hafencity mit den Chefs des Museums Prototyp.

Die Drei von der Baakenhafenbrücke. Porsche-Genuss mit offenem Verdeck in der Hamburger Hafencity.
Foto: Alexander Babic

Blaue Stunde in Hamburg: Über Mönckebergstraße und Bergstraße rauschen Busse, Bikes und E-Roller. Menschen bummeln durch die einsetzende Dämmerung, andere hasten in den Feierabend. Vor dem Leuchtengeschäft »Prediger«, gerade 100 Jahre alt geworden und eine Hamburger Institution in Beleuchtungsfragen, wird es ein wenig eng, weil hier ein Porsche parkt und einige Passanten stehen bleiben und zweimal hinschauen: Sind der Mann und das Auto vor dem Schaufenster nicht exakt die Gleichen wie der Mann und das Auto im Schaufenster?

Lichter der Großstadt

So ist es. Ulf Möller hat – für das Titelfoto dieser Story – seinen weißen Porsche America Roadster vor der Scheibe abgestellt, hinter der er und sein Porsche auf einem riesigen Plakat zu sehen sind. Das Foto entstand in der Fabrik der Firma Thonet in Frankenberg. Eigentlich ist Thonet ein Möbelhersteller, weltberühmt für den Kaffeehausstuhl 214 sowie Bauhaus-Klassiker. 2010 erweiterte das Unternehmen sein Sortiment erstmals um eine Leuchte. Möller, Jahrgang 1969, hatte sie entworfen. Schlicht und schwungvoll in perfektem Bauhaus-Stil, ausgestattet mit LED-Technologie und Touchsteuerung. Die Leuchte LUM, die Thonet gemeinsam mit dem Leuchtenspezialisten Tecnolumen auf den Markt brachte, gilt als Design-Ikone. Und aus LUM wurde inzwischen eine Serie verschiedener Tisch-, Steh- und Hängeleuchten, die nun im »Prediger«-Schaufenster strahlen. Und zwar vor dem Porträt ihres Schöpfers. Fragt sich nur, was der weiße Porsche damit zu tun hat?

Breitwand-Autokino

Ulf Möller erklärt es mit einem Satz: »Dieses Auto habe ich mir als Belohnung für das erfolgreiche Leuchtendesign gekauft.« Das klingt fast kitschig, aber so war es nun mal. Vorher fuhr Möller, typisch Architekt, Citroën. Mittlerweile besitzt er vier Porsche, wobei der weiße America Roadster Baujahr 1992 sein liebster ist. »Der Wagen ist für mich wie eine Zeitkapsel. Es ist mein Raumgleiter. Mit diesem Auto zu fahren, das bedeutet für mich, in eine andere Dimension einzutauchen. Alles ist noch analog, und zugleich ist der Wagen alles andere als retro, sondern ästhetisch frisch wie am ersten Tag.« Auf den Markt kam der Wagen vor 30 Jahren; sein voller Name lautet Porsche 964 WTL America Roadster. WTL steht für »Werks-Turbo-Look«, und genau dieser Look macht das Auto so besonders. »Die muskulöse Karosserie und vor allem das unfassbar breite und trotzdem elegante Heck, das hat mich sofort fasziniert«, sagt Möller. Zwischen den ausladenden hinteren Radhäusern steckt der luftgekühlte 3,6-Liter-Sechszylinder-Boxermotor, unter der vorderen Haube hat der amerikanische Vorbesitzer einen McIntosh-Verstärker installiert, der die Braun-Musikanlage mit bis zu 1.000 Watt Leistung versorgt. »Der Sound ist gigantisch«, schwärmt Möller, »ganz gleich, ob ich den Lautstärkeregler oder den Motor hochdrehe.«

Zurück zum Ursprung

Gerade gurgelt der Sechszylinder ganz brav, denn Ulf Möller zirkelt das Auto im Schritttempo durch eine Tiefgaragen-Baustelle in der Hamburger Hafencity. Er peilt ein helles Rechteck an – die erleuchtete Keller-einfahrt ins Museum Prototyp. »Ein bisschen wie in einem James-Bond-Film«, sagt Möller durch die offene Seitenscheibe und kurbelt wieder am Lenkrad. Nach ein paar Rangierzügen steht sein Porsche exakt ausgerichtet in der Mitte von zehn anderen Fahrzeugraritäten im Tiefgeschoss. Hier schließt sich sozusagen der Kreis einer automobilen Ahnengalerie. Denn mit dem 964 WTL America Roadster würdigte Porsche 1992 den 40 Jahre zuvor für den US-Markt aufgelegten Leichtbau-Renner 356 America Roadster. Vom Jubiläumsmodell wurden 326 Exemplare gebaut und in den USA verkauft. Zurück nach Deutschland kam vermutlich nur eine Handvoll Fahrzeuge. Eines davon ist Möllers Modell.

Direkt hinter dem Wagen steht hier im Prototyp-Museum ein Porsche 356 A Speedster aus dem Baujahr 1957. Das Exportmodell für den US-Markt wurde ab 1954 produziert, mit der gleichen Grundkarosserie wie das 356er Cabriolet, allerdings mit niedrigerer Frontscheibe und lediglich einem Notverdeck. Die schlichte Konstruktion half, das Leergewicht des Sportwagens auf 780 Kilogramm zu drücken.

Der Vorläufer des Speedster wiederum war der schon erwähnte America Roadster der Baureihe 356 A, der ab 1952 gefertigt wurde. Das Auto mit einer Aluminiumkarosserie der Firma Gläser war radikal auf Gewichtsersparnis getrimmt. Die Türen waren tiefer ausgeschnitten, und es gab keine Außengriffe. Anstelle herkömmlicher Seitenscheiben kamen bei Bedarf Steckscheiben zum Einsatz, und für Schlechtwettertage war nur ein Notverdeck verfügbar. In Summe ergab das eine spartanisch-schlanke Sportskanone, die lediglich 605 Kilogramm wog. Der 1,5-Liter-Vierzylinder-Boxermotor im Heck hatte also leichtes Spiel und beschleunigte den Wagen auf bis zu 177 km/h. Schnell, leicht, handlich war der 356 America Roadster – und vergleichsweise teuer. Das dämpfte die Nachfrage, sodass lediglich 17 Fahrzeuge gebaut wurden. Der deutlich günstigere Speedster setzte dann ab 1954 die Idee des America Roadster fort ...

Entdeckung in Blau

Es dauert nicht lange, und schon knipsen die ersten Museumsbesucher Selfies mit dem weißen Porsche. Möller ist da schon zwei Stockwerke weiter oben unterwegs. Thomas König und Oliver Schmidt, die beiden Museumsgründer, begleiten ihn auf der Entdeckungstour. Staunen über den VW 39 Vorserien-Volkswagen, Bewunderung für den Ur-Porsche Typ 64, besser bekannt als »Berlin-Rom-Wagen« – und dann, hinter der nächsten Ecke: Hand anlegen an das Porsche Gläser-Cabriolet von 1951 in »Azurblau« und noch mit zweigeteilter Frontscheibe (die »Knickscheibe« aus einem Stück Glas wurde erst ab 1952 verbaut). Ein bildhübsches Auto, dessen Karosserie von der gleichen Firma stammt, die auch den Urtyp des America Roadster fertigte. Vorsichtig öffnen Möller und König das beigefarbene Klappverdeck und bestaunen das Interieur. Der Wagen wurde von der österreichischen Opernsängerin Maria Reining bestellt. Die ­Sopranistin der Wiener Staatsoper orderte unter anderem Veloursteppich im Fußraum, besonders bequeme Sitze und einen Plattenspieler, der unterm Armaturenbrett verbaut war. Möller ist begeistert.

Große Hafenrundfahrt

Er lächelt auch, als er mit seinem 964 America Roadster wieder die Rampe emporrollt, die aus der noch im Bau befindlichen Tiefgarage herausführt in die Hafencity, die sich an diesem Tag im schönsten norddeutschen Licht präsentiert. Es geht jetzt auf eine Hafenrundfahrt auf zwölf Rädern. Drei offene Porsche-Modelle aus drei Jahrzehnten sind am Start. Außer Möllers Wagen ein orangefarbener VW-Porsche 914-6 aus dem Baujahr 1970, mit dem die Prototyp-Macher Stefan König und Oliver Schmidt unterwegs sind; und ein erst im Februar 2021 zugelassener 911 Turbo S, den Sebastian Brink steuert. Brink ist der Chef des Leuchtenhauses »Prediger«, vor dessen Schaufenster Möllers Hamburgtrip begann. Eine Route von Design-Leuchten bis zu Container-Kränen, vorbei an Auto-Ikonen und Architektur-Perlen. Eine kleine Reise in drei höchst unterschiedlichen Porsche-Modellen – deren Besitzer die Leidenschaft für die Marke ebenso eint wie die Liebe zu formvollendetem Design.

Biss zuletzt

Nach einer Weile des gepflegten Cruisens mit Sechszylinder-Geboller in allen möglichen Tonlagen tritt noch eine Gemeinsamkeit der Beteiligten zutage: Appetit auf was Herzhaftes. Und da zwei ortskundige Porsche-Besatzungen mit von der Partie sind, ist es ein Leichtes, den Gast aus Kassel im America Roadster zu einer ästhetisch wie kulinarisch gleichermaßen ungewöhnlichen Lokalität im Hafen zu lotsen: die Oberhafenkantine. Der 1925 zur Versorgung von Hafenarbeitern errichtete Klinkerbau an der Kaikante fällt nicht nur durch seine elegante Architektur und die fast schon durchs Obergeschoss führende Eisenbahnbrücke auf, sondern auch durch seine Schräglage. Denn das ewige Auf und Ab der Gezeiten sowie etliche Sturmfluten haben das Gebäude im Laufe der vergangenen fast 100 Jahre erkennbar absacken lassen.

Ein perfekter Ort für einen deftigen Imbiss. Und für eine letzte Frage an Ulf Möller. Warum trägt er eine silberfarbene Jacke? Antwort: »Ich wäre gern Astronaut geworden.« Und damit passt auch der weiße Porsche zu ihm – sein Zeit- und Raumgleiter.