Porsche-MenschenDesignchef Michael Mauer – Mountain Machine

Christina Rahmes

 · 30.04.2023

Porsche-Menschen: Designchef Michael Mauer – Mountain MachineFoto: Robert Grischek
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Wenn der Designchef von Porsche einen 964 zeichnet, den es so nie gab, dann wird‘s speziell. Ein Jahr später ist der M1M von Michael Mauer fertig. Erste Fahrt.

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Foto: Robert Grischek

Oder doch lieber Rot? »Ich leg’ jetzt auf, Michael. Bitte ruf erst wieder an, wenn du dich beruhigt hast«, sagt Thomas Nater und drückt den roten Button auf seinem Smartphone. Heute, ein paar Wochen später, lacht er darüber. Der Inhaber von AP-Car-Design telefonierte mit Michael Mauer, Designchef von Porsche, der sich nach einer gefühlten Ewigkeit für die Farbe Modegrau entschieden hatte. Aber an jenem Tag zweifelte er.

»Ich bin ein großer Fan der grauen Welt, habe monatelang verschiedenste Grautöne in Karteikartenformat auf meinem Schreibtisch angesehen. Einer davon war Modegrau. Code L61H. Die Farbe hat es bereits in den 50er-Jahren beim Porsche 356 Pre-A gegeben«, erzählt Mauer, dessen Lieblingslackierung bei einem modernen Porsche 911 ebenfalls ein Grauton ist, Kreide nämlich. Modegrau erstrahlt nun sein Porsche 964, den er sich in diesem Jahr von Nater in Göttingen nach seinen Wünschen optimieren ließ. »Ein 964 – weil dieses Modell für mich der schönste klassische Porsche ist«, sagt der studierte Automobildesigner. 1.700 Arbeitsstunden und viele Gespräche später treffen sich die beiden zur ersten Ausfahrt. Bis zu diesem Tag hieß Mauers Elfer »Projekt M1M«, fortan wird er nur noch »M1M« heißen. Seine Initialen mit einer Ziffer, die Raum für weitere Projekte lässt.

»Früher habe ich Modellautos modifiziert, heute darf ich meinen individualisierten Porsche 964 fahren. Ich freue mich jetzt schon auf viele Pässe in den Bergen.« Michael Mauer

»Ich fühle mich hier jedes Mal wie im Spielzeugladen«, sagt der Porsche-Zeichner, als er die Tür zur Werkstatt öffnet. Links hinten steht er, mit dem Heck zur Wand. Sein Porsche 964 Carrera 2 Coupé WTL. Schön breit. »Zum Glück hat Thomas mich die ganze Zeit gut beraten. Der Vorschlag, den Elfer im Werksturbolook zu optimieren, kam von ihm«, sagt der Designer und zeichnet die Form des Hecks mit beiden Händen in der Luft nach. Genau so hat auch alles vor einem Jahr begonnen.

Die Erklärung dafür, dass Mauer seinen privaten 964 hier und nicht bei den werkseigenen Profis von »Porsche Classic« hat aufbauen lassen, ist ganz einfach: Eine solche Sonderkarosserie wie sie Mauer vorschwebte, ist nicht der Style der Restaurationsexperten aus Stuttgart.

»Michael sprach mit mir über seine Vorstellungen, wenig später brachte er sie zu Papier. Der 964, von dem er träumte, existierte nicht«, erzählt Nater, der die Zusammenarbeit mit Mauer präzise dokumentierte. »Wünsche Michael« heißt ein Ordner auf seinem Computer. Darin sind die Zeichnungen abgelegt, mit denen das Projekt startete, ebenso wie die Anforderungen. Ein modernes Lastenheft für den Umbau eines klassischen Porsche. Besonders wichtig seien Mauer Schlichtheit und Fahrtauglichkeit in den Bergen gewesen, sagt der Porsche-Spezialist aus Niedersachsen. Das Leistungsgewicht von 1.190 Kilogramm erreichte das Team durch die Reduktion auf das Wesentliche. So entfernten die Spezialisten unter anderem das Schiebedach des 964-Basismodells aus dem Jahr 1991 – das sparte 14 Kilogramm und brachte 40 Millimeter mehr Kopffreiheit. Bis auf die Frontscheibe baute das 21-köpfige Team von Nater Dünnglasscheiben ein, die insgesamt vier Kilogramm leichter sind als die originalen. »Die Scheiben passen perfekt zum grünen Unterton des Lacks, denn auch sie haben einen leichten Grünstich«, sagt Mauer. »Auf Servolenkung und Klimaanlage hätten wir natürlich auch verzichten können, aber da Michael seine Freizeit am liebsten in den Bergen verbringt, empfahlen wir ihm diese Komfortdetails«, sagt Nater.

Ein ganz besonderer Porsche 964 sollte es sein. Für die Berge, sowieso, aber vor allem fürs Herz. Puristisch und alltagstauglich.

Ebenfalls im Wünsche-Ordner: ein Heckspoiler ohne Lippe, der glatten Linie wegen, oder, um es in Mauers Worten zu sagen: »Das ist mein Stil – Weglassen ist eine große Kunst.« Und so verzichtete er auch auf ein zweites Auspuffendrohr. »Ich habe mich für nur eines entschieden, in Schwarz, das unterbricht die Symmetrie. Für mich ist das wie eine Zahnlücke im menschlichen Gesicht, spannend«, erklärt er. Schwarz deshalb, weil es einen angenehmen Kontrast zur Farbe Modegrau bildet. Auch die modernen Frontscheinwerfer befinden sich in einem schwarzen Korpus – und während die Fronten der originalen geriffelt sind, befinden sich diese hinter Klarglas. Das breite Heck ziert in der Hausschrift aus Zuffenhausen und Weissach der filigrane Schriftzug »Mountain Tool«, sozusagen Mauers geplantes Einsatzgebiet für den Porsche. Der 57-Jährige ist nicht nur ein großer Fan von Pässen und Bergen an sich, sondern auch passionierter Skifahrer, den es im Winter auf die Pisten der Nachbarländer zieht – und einmal pro Jahr auch zum Heliskiing nach Kanada. Der heimische Keller steht voll mit Skiern, erzählt er, zu schwer falle es ihm, sich von einem Paar zu trennen, wenn ein neues dazukomme. Ein weiteres Hobby von Mauer ist Mountainbiken. So sechs bis acht Stunden durch die Berge und Wälder – schon habe er einen freien Kopf. Und noch während er über seine Liebe zu den Bergen spricht, ändert er in der Theorie den Schriftzug »Mountain Tool« in »Mountain Machine«. MM. Seine Initialen. Das passt perfekt.

Er setzt sich in das handgefertigte Einzelstück und blickt nach oben. Perforiertes schwarzes Nappaleder. Mauer streicht über das Armaturenbrett, ebenfalls Schwarz, seidenmatt, glatt, ohne sich in der Frontscheibe zu spiegeln. Die Sitze: Tartan in Königsblau und Grün. »Den Stoff haben wir bei einem Solinger Tuchmacher ausgesucht und sorgsam einige Details damit bezogen, unter anderem die Domstrebe, den Überrollbügel, Türgriffe, Kartentaschen«, sagt Mauer, während er auf die Instrumente deutet. Auch sie sind eingebettet in das blau-grüne Webmuster, die Ziffern leuchten grün wie beim F-Modell. Durchlicht- statt Auflichttechnik. Eine Sonnenblende gibt es nur auf der Fahrerseite, der Teppich der Heckablage ist mit modegrauem Faden bestickt worden: M1M. Mauer streicht über den Balsa-Holzschaltknauf, der die gewichtsoptimierten Schaltknäufe alter Rennwagen zitiert. Viele Jahre stand dieser auf seinem Schreibtisch, ein besonderes Geschenk. Fortan begleitet er ihn auf seinen Bergtouren. Doch vor der ersten Pässefahrt warten ein paar wenig befahrene Straßen rund um die Universitätsstadt auf Mauer. Zeit, den von 3,6 auf 3,8 Liter optimierten Motor zu starten. 311 statt 250 PS. »Der Sound ist ja schon beim Starten infernalisch«, ruft Mauer aus der geöffneten Scheibe und biegt ab.

Eine Stunde später. »Ich bin schwer beeindruckt! Der lenkt ja ein wie ein GT3!«, sagt er, steigt aus und umarmt Nater, der sich in Kürze schweren Herzens vom M1M trennen wird. Denn: »Die Zusammenarbeit war ein Highlight für mich, nicht nur wegen der Symbiose zwischen uns beiden. Ich konnte viel von Michael über Farbgestaltung und Design lernen.« Noch ein paar Abstimmungsarbeiten, anschließend kann er seine Nummer 1 abholen. Dann wird Mauer zuallererst den Furkapass in der Schweiz rauf- und runterfahren, hier und da anhalten, um Fotos zu schießen. Warum dort? »Der Furka hat dieselbe Farbwelt wie mein 964. Grau mit Grün.«


TECHNISCHE DATEN

Porsche 911 (964) Carrera 2 Coupé WTL

  • Motor: Sechszylinder-Boxermotor
  • Hubraum: 3.800 cm³
  • Leistung: 311 PS
  • Drehmoment: 382 Nm bei 4.800/min
  • Getriebe: 5-Gang-Schaltgetriebe
  • Sportnockenwelle: Schrick 288°
  • Leergewicht: 1.190 kg
  • Höchstgeschwindigkeit: 285 km/h