Porsche-KunstHerzensprojekt

Christina Rahmes

 · 23.03.2023

Porsche-Kunst: HerzensprojektFoto: Bernhard Huber
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Porsche ist für Helmut Freinecker ein Synonym für Erfindergeist und Mut. Auch der Oldtimer-Experte ging seinen eigenen Weg und verwirklichte nun seinen Traum vom Wimmelporsche. Ein Porsche 356 B, handverlesen, handbemalt. Die Botschaft eindeutig: bitte berühren.

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Foto: Bernhard Huber

»Wenn ich die Augen schließe, sehe ich Ferdinand Piëch und eine Armada Porsche 917 vor mir. 25 Rennfahrzeuge mit dem Spitznamen ›Weißer Riese‹. Weiß wäre früher nie meine Lieblingsfarbe geworden, aber Porsche hat mit dem 917 ein großartiges Image um die Farbe herum aufgebaut«, sagt Helmut Freinecker und fährt mit dem Zeigefinger die Kontur einer Wimmelfigur nach. Ein Junge in dunkler Winterkleidung mit sieben Schneebällen neben sich, bereit zum Werfen. Das ist seine Figur, er und seine vier Mitarbeiter haben je eine Figur auf das Porsche 356 B Super 90 Coupé malen dürfen. Wie man auf die Idee kommt, einen 59 Jahre alten Porsche mit knapp 300 Szenen, 210 Menschen und 36 Tieren zu verzieren?

Rückblick. 2003 hatte der Kfz-Meister und Oldtimer-Experte aus Neufahrn bei Wolfratshausen neben seiner täglichen Arbeit damit begonnen, den alten Porsche zu restaurieren. Ursprünglich, um ihn als Leihwagen seinen Kunden mit nach Hause zu geben, während er deren Porsche repariert. Im Herbst 2012 war der Sportwagen bis zur letzten Schraube zerlegt – leider in einem schlechteren Zustand als erwartet. Helmut widmete sich erst einmal seinen Kundenaufträgen und ließ den Porsche sechs Jahre lang im Keller schlummern. Im vergangenen Jahr griff der heute 53-Jährige erneut an: Er sanierte den Unterboden und einige weitere Teile, dann brachte er die Karosserie nach Stuttgart, wo sie ein Tauchbad mit anschließender KTL-Versiegelung (kathodische Tauchlackierung) bekam. Diese besondere Grundierung schützt das Fahrzeug fortan vor Korrosion, selbst in den verstecktesten Hohlräumen. Als Helmut zurück in seiner eigenen Werkstatt die von der Zeit gezeichnete Karosserie betrachtete, dachte er sich: »Es wäre doch schade, all diese Zeitzeugen unter dick aufgetragener Spachtelmasse und perfektem Lack zu verstecken. Viel schöner wäre es doch, wenn dieser Porsche die Faszination für Oldtimer an die nächste Generation weitergeben könnte.« Monatelang spukte ihm der Gedanke durch den Kopf.

Als der dreifache Vater eines Abends mit seinen vierjährigen Zwillingen in einem Wimmelbuch von Ali Mitgutsch aus den 60er-Jahren blättert, kommt ihm die endgültige Idee: Genau solche Bilder sollen seinen Porsche 356 B schmücken, so originalgetreu wie möglich. Der Wimmelporsche ist geboren. Helmut nimmt Kontakt auf zum Künstler Alfons »Ali« Mitgutsch, der vor wenigen Wochen seinen 85. Geburtstag feierte. Parallel dazu sucht er im Internet einen »Maler für ein Kunstprojekt«. Tom H. Gehrke setzt sich mit Arbeitsproben gegen knapp 150 Konkurrenten durch, gelernter Schriften- und Dekorationsmaler, Ende 50. Nun geht alles ziemlich schnell, die beiden wählen schöne Wimmelszenen für den Porsche aus. Der Eigentümer hat nur eine Vorgabe: ein Swimmingpool mit Wassertänzern auf dem Dach. Um das Schiebedach herum. »Das war ziemlich ungewöhnlich, denn jeder andere in meinem Umfeld hätte oben die Berge gezeigt«, erzählt Helmut.

Die größte Herausforderung, neben dem Anspruch, so originalgetreu wie möglich zu malen, war es, die runden Oberflächen sowie die Überschneidungen der einzelnen Szenen zu kreieren. In den Büchern blättert man von einer Szene zur nächsten, auf dem Porsche berühren sich die Szenen, gehen ineinander über. Jahreszeiten verschmelzen miteinander, überall gibt es etwas zu entdecken. Der Künstler und der Oldtimer-Experte komponieren wochenlang, erstellen Pläne, schieben Szenen vom Heck aufs Dach und zurück. Dann geht’s los, mit einem Zirkel in der Hand beginnt das Herzensprojekt von Helmut, der Künstler zieht den Kreis für den Swimmingpool auf dem Dach. Lässt seinen Bleifstift über die gesamte Karosserie tanzen, skizziert vor, später mischt er Acrylfarbe auf dem Deckel eines Farbeimers zusammen, seine Farbpalette von nun an. Fünf Wochen lang malt er, 250 Stunden, sieben Kilogramm Farbe landen auf dem Porsche 356 B mit Vierzylinder-Boxermotor. Oben ein Pool, links die Stadt, rechts das Land, hinten eine Baustelle, vorn eine Schneelandschaft mit Ski- und Schlittenfahrern.

Während der Malphase klärt Helmut die Rechte mit Mitgutschs Vertretern, die von Beginn an begeistert waren. Mitgutsch selbst, der Meister der Wimmelbücher, eine Ikone, lässt sich Fotos zeigen und übermittelt seine besten Wünsche für das Projekt. Um die unter großem Aufwand in Handarbeit aufgetragenen Bilder zu schützen, entscheidet sich Helmut nach Fertigstellung des Kunstwerks gegen einen Klarlack, denn »der hätte die komplette Haptik des Fahrzeugs zerstört«. Für ihn kommt nur eine Lösung infrage: eine hochwertige Carnaubawachsversiegelung für matte Lacke von Swissvax aus Baierbrunn. Der deutsche Hauptsitz der schweizerischen Lackspezialisten ist nur wenige Kilometer von Helmuts Werkstatt MasterTec entfernt, man kennt sich.

Helmut wollte nie ein Hochglanzfahrzeug haben, er mag die Narben als Zeitzeugen auf seinem Porsche. Die Komposition aus Tradition und Moderne, aus Bodenständigkeit und Ideenreichtum. In den 90-Jahren ist er viel gereist, als Rennsportmechaniker bei Schnitzer in der DTM, später bei König Specials, die durch ihre Leistungsmodifikationen ein großer Name in der Luxusfahrzeugszene waren. Anschließend machte er seinen Kfz-Meister und spezialisierte sich schnell auf Porsche. Eine andere Marke kam für ihn nie infrage, schließlich war es im Jahr 1989 Liebe auf den ersten Blick, als er den weißen 964 Targa von Frau König wenige Hundert Meter zur Tankstelle fahren durfte.

Für sein Projekt »Mit allen Sinnen« kam jedoch kein Elfer infrage: »Die Karosserieform des Porsche 356 ist perfekt für ein Kunstprojekt wie dieses, viele Rundungen, viel Geschichte, Tradition zum Anfassen. Porsche steht für mich für Menschen, die ihren Kopf hatten und ihren eigenen Weg gegangen sind. Unerschrocken, mutig.« Zwei weitere Kompositionen werden dem Wimmelporsche folgen, beide entstehen bereits. Während der Sinn »Sehen« dem ersten Kunstwerk gewidmet ist, sind die Sinne »Tasten« und »Hören« die Metathemen der folgenden Projekte. Dabei wird je ein Porsche 356 mit Blindenschrift und mit einer Sinfonie verziert. »Ich bin ein großer Fan klassischer Musik, deshalb habe ich meinen guten Freund Professor Josef Zilch um eine Melodie gebeten, die zur Formensprache des Fahrzeugs passt und in Erinnerung bleibt«, sagt Helmut. Die beiden sind in derselben Schafkopfrunde, Zilch, heute 92 Jahre alt, war einst Dirigent an der Metropolitan Art Space Hall Tokyo.

Aber eins nach dem anderen. Nun schickt der Initiator das erste Werk seiner Trilogie auf Reisen. Auf dass sein Wimmelporsche von vielen Kindern und Erwachsenen berührt und bewundert wird. Fun Fact: In Helmuts Wimmelbüchern sind Brezen stets ohne Salz. Auf seinem Wimmelporsche haben alle 13 Brezen Salz drauf. Wie es sich so gehört, in Bayern – und für jemanden, dessen Lieblingsfarbe Weiß ist.


Foto: Bernhard Huber

TECHNISCHE DATEN

Porsche 356 B Super 90 Coupé

  • Motor: Vierzylinder-Boxermotor
  • Hubraum: 1.582 cm3
  • Leistung: 66 kW/90 PS
  • Drehmoment: 121 Nm bei 4.300/min
  • Beschleunigung: 13,5 s auf 100 km/h
  • Leergewicht: 935 kg
  • Höchstgeschwindigkeit: 185 km/h
  • Radstand: 2.100 mm
  • Baujahr: 1961