Thorsten Elbrigmann
· 11.11.2022
Dieses Auto ist etwas ganz Besonderes. Immer wieder hat sich der Porsche 911 SC Targa neue Besitzer gesucht. Und das auf zwei Kontinenten. Nun ist er in der Eifel bei Anne und Uwe Cremerius sesshaft geworden.
Nur zu gern wüssten Anne und Uwe Cremerius es: Wie war wohl jene erste Reise von »Black Beauty«, des schwarzen Porsche 911 SC Targa, der nun in ihrer Garage lebt? Sie wissen, dass sie 1.065 Meilen weit von Frankfurt aus, wo der Erstbesitzer, der britische Architekt James Stanton-Abbott, ihn am 10. Mai 1981 abholte, über Florenz bis Pompeji führte. Alles ist verzeichnet auf den Dokumenten, die in dem dicken Ordner von Besitzer zu Besitzer gewandert sind. Händler mitgerechnet sind es zehn an der Zahl. Unglaublich, dass also wirklich jede Rechnung, jedes Zolldokument, ja sogar die Bestellung noch vorhanden ist. Alles gewissenhaft gesammelt, abgeheftet und immer wieder an den Nächsten gereicht über Kontinente hinweg. Das ist wirklich selten. »Wir haben versucht, Kontakt zu dem Architekten zu bekommen. Teilweise haben wir uns ein wenig wie Archäologen gefühlt, wenn wir die Akten gewälzt und nach den Vorbesitzern geforscht haben.« Uwe Cremerius, 65 Jahre alt, Leiter des Kfz-Schadensbereichs der Generali, lacht. Leider war es im Fall von Mr. Stanton-Abbott vergebens. Die Mails blieben unbeantwortet. Irgendwann war dann auch der Interneteintrag über sein Architekturbüro in Boston erloschen.
»Was hast du erlebt?« – mit dieser Frage steht Uwe des Öfteren vor seinem Auto. Aber der Targa schweigt, nur die Akten erzählen über ihn. Fast könnte man meinen, er suche sich seinen nächsten Besitzer immer selbst, um genau dann aufzutauchen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Im Fall von Anne und Uwe muss er geahnt haben, dass noch wenige Jahre zuvor seine Bewerbung um einen Garagenplatz vergebens gewesen wäre. Denn erst 2017 ist Uwe überhaupt auf die Idee gekommen, nach einem Porsche Ausschau zu halten. Ein spätberufener Fan also. Schuld daran ist Annes Cousin Lawrence. Der lebt (zeitweise) auf Maui – und endlich einmal hatte es geklappt mit einem Besuch bei ihm im hawaianischen Paradies. Dessen bester Freund Gregg besitzt ein paar amerikanische und europäische Sportwagen und lud zur Ausfahrt. Uwe durfte einen 1959er Porsche 356 in rotem Erstlack mit herrlicher Patina ausführen – und verliebte sich in den alten Zuffenhausener. »Im Grunde war der Traum vom alten Porsche schon ganz lange da, aber ich habe den nie für realisierbar gehalten«, erzählt Uwe, denn da waren die Söhne, da war der Job, da war der Hauskauf.
Als Ersatz parkte ein Triumph TR6 bei Uwe daheim. Aber unversehens bekam der kleine Brite Konkurrenz: »Der 356er hat mir erst gezeigt, wie sportlich sich ein Auto mit vergleichsweise wenig PS bewegen lässt.« Der Traum vom Porsche erfüllte sich dann auf eine ganz eigentümliche Weise: »Ich war einfach angefixt von der Marke und habe 2019 die Gegenrechnung aufgemacht: Dienstwagen mit Gehaltsverzicht oder Investition in einen Privatwagen für den Alltag mit dem gewissen Etwas.« Dabei heraus kam ein Porsche Cayman GTS.
Zum Klassiker über einen Neuwagen. Auch das ist ein Weg. »Allerdings mit noch einem weiteren Umweg«, Uwe lacht: »Es kam dann noch ein Macan S hinzu – wegen der Hunde Lilu und Mia.« Denn die waren inzwischen im Doppelpack eingezogen, während die Söhne Cassian und Constantin schon lange ihren eigenen Weg gegangen waren. Der eine Arzt, der andere IT-Spezialist. Und so schien der Weg vorgezeichnet: Porsche im Alltag, der Triumph als erschwinglicher Klassiker für das Wochenende. Ein gangbarer Weg. Eigentlich.
Aber dann wollte sich der Freund des jüngeren Sohnes einen Porsche 911 zulegen. Und da Anne und Uwe ja durchaus Ahnung hatten von Oldtimern – immerhin waren schon mal ein Volvo Amazon, ein Morris Minor als Kombi und eineVolvo P 1800 im Haus gewesen –, stand ihre Meinung zu diesem oder jenem Porsche mit einem Mal hoch im Kurs. Man fand das richtige Fahrzeug in Belgien: ein 3,2-Liter-Carrera als Targa in Weiß. »Leider tauchten dann Mängel auf, was mir wirklich leidtat. Und so fuhren wir einen Ort weitern zur Vintagebox, einer Oldtimerwerkstatt in Roetgen. Wenn schon der Kauf nicht optimal gelaufen war, sollte jetzt wenigstens alles gut werden.« Und immerhin hatte Uwe von diesem Betrieb viel Gutes gehört. Dort traf er dann auf Claus, den Besitzer der Vintagebox, und hinterlegte dort nach einigen Gesprächen einen Wunsch: »Also wenn du mal einen wirklich guten Porsche angeboten bekommst, dann denk an mich.« Ein folgenschwerer Satz, denn nur wenige Wochen später, im Juli 2020, klingelte das Telefon: »Ich habe da einen für dich. Ein wirklich gutes Auto, vollständige Historie, sehr gut erhalten und alles original.« Es war Black Beauty. Kein Porsche 356. Denn – auch das hatte Uwe hinterlegt – im Grunde ist ihm der zu alt. »Aber der Anruf kam zu früh«, Uwe kratzt sich am Kopf. »Das sollte eigentlich erst mit der Rente geschehen, so 2023 vielleicht.« Aber Anne bestärkte ihn: »Dann ist das jetzt so! Was willst du warten?« »Genau«, dachte sich dann auch Uwe, »wieso eigentlich warten?«
Der Triumph musste nach 16 Jahren gehen. Der schwarze SC Targa in US-Ausführung zog ein und macht seitdem beiden viel Freude. »Der Klang, die Beschleunigung, die Zuverlässigkeit – auf jeder Fahrt pure Werbung für Porsche«, schwärmt Uwe. Anne liebt das genauso, doch ihr war und ist auch die Historie wichtig. An einigen Regentagen ist sie im Internet auf Spurensuche gegangen: »Ich liebe Geschichten und Biografien. So baut man auch eine Beziehung auf zu den Dingen.«
Dank Google Street View war es sogar möglich, einige der Garagen ausfindig zu machen, in denen der Porsche schon gestanden hat. Der erste Besitzer hielt ihm zehn Jahre die Treue. Und auch bei den übrigen Besitzern ist keiner dabei, der ihn einfach nur »durchreichte«. Letzte Station in den USA war Martha’s Vineyard, eine Insel vor der Südküste von Cape Cod im US-Bundesstaat Massachusetts. Ein Uni-Professor war dann der erste Besitzer hier in Deutschland. Seine chinesische Frau fuhr den Porsche überwiegend, bevor der direkte Vorbesitzer den Wagen erwarb. »Der ist inzwischen ein stolzer Familienvater und hat sich schweren Herzens von dem Wagen trennen müssen«, berichtet Anne. »Aber er wohnt nicht weit weg, und so haben wir ihm Besuchsrecht eingeräumt.« Corona hatte das lange verhindert. Doch nun ist ein Treffen in Planung. Für Anne und Uwe aber ist klar: Der schwarze Targa wird bei ihnen bleiben. Und auch Black Beauty scheint nichts dagegen zu haben, in der Eifel zu leben.
TECHNISCHE DATEN
Porsche 911 SC Targa