Porsche Klassik-LeserWeltenbummler, Vol. I

Wolfgang Schaeffer

 · 11.11.2022

Porsche Klassik-Leser: Weltenbummler, Vol. IFoto: Markus Bolsinger
Manfred Pieper und sein Porsche 911 SC Targa von 1978.
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Dieses Auto ist etwas ganz Besonderes. Nicht nur, dass der Porsche 911 SC Targa seit seiner Erstzulassung am 30. Januar 1978 im Besitz von Manfred Pieper ist. Der heute 86-Jährige war mit ihm zudem auf vier Kontinenten unterwegs. Das schweißt zusammen.

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Foto: Markus Bolsinger

»Verkaufen?«, wiederholt Manfred Pieper ungläubig die Frage, die man als Journalist halt so stellt. Routine eben. Aber nicht für Manfred Pieper. »Was wäre denn dann? So ein Auto bekomme ich doch niemals wieder. Ich freue mich über jeden Kilometer, den ich mit dem Wagen fahren kann«, lässt er nicht den kleinsten Gedanken an eine Trennung zu. Schon die Zeit der langwierigen Aufarbeitung sei schmerzhaft genug gewesen. »Vom 8. 10. 2009 bis zum 3. 9. 2010, also 330 Tage, musste ich auf meinen Porsche verzichten.« Dabei sei eine derart umfangreiche Restauration zunächst keinesfalls geplant gewesen. »Ich bin zur Schad GmbH nach Bad Vilbel gefahren, damit die sich den Targa mal anschauen sollten. Es stellte sich schnell heraus, dass das Alter verbunden mit den Strapazen während der vielen Jahre doch erheblich größere Spuren hinterlassen hatten als gedacht.«

Der heute 86-Jährige zögerte nicht einen Moment. »Dann machen Sie alles, was notwendig ist«, so sein Auftrag an die Fachleute für Oldtimer-Restauration. Die gingen relativ schnell ans Werk – und entdeckten bei den unterschiedlichen Arbeitsgängen immer wieder neue Problemstellen. Pieper, der mindestens alle 14 Tage selbst vor Ort in Bad Vilbel war, um sich über den Fortgang zu informieren und Fotos vom jeweiligen Stand der Dinge zu machen, diskutierte nie lange. »Für mich war vom ersten Moment an klar, dass ich den Targa im bestmöglichen Zustand zurückbekommen wollte.«

Nicht ohne Stolz erzählt Pieper mit Blick auf die mit Leder bezogenen Sitze und Türinnenseiten, dass so viel originale Substanz wie möglich erhalten blieb. »Lediglich der Fahrersitz wurde ein klein wenig aufgepolstert. Hier hat sich meine Pflege in den Jahren ausgezahlt.« Eine Aussage, die ebenso für das Targadach gilt. An dem ist nicht eine Falte zu sehen. Und so erstrahlt der Porsche 911 SC Targa, von dem lediglich 1.729 Einheiten gefertigt wurden, jetzt wieder so, als würde er frisch aus dem Werk kommen. Der Gesamtzustand wurde im Gutachten mit 1- festgelegt.

Nichts deutet also mehr auf die enormen Belastungen bei den Fahrten auf den unterschiedlichen Kontinenten hin. »In Europa habe ich tatsächlich einen Großteil der Länder mit dem Porsche besucht. Das war auch fast immer problemlos. Deutlich mehr Überlegungen und Vorbereitungen waren für die USA, Afrika und Asien notwendig.« Beispiel USA: 561 Dollar für den Hintransport, 316 Dollar für den Rückweg plus 208 Dollar für die Versicherung investierte Pieper damals, 1983, um den Porsche in die USA zu bekommen – mit dem Schiff von Bremerhaven nach New York und später wieder zurück. In Amerika legte er dann alles in allem 15.000 Kilometer zurück, war dabei unter anderem beim Concours d’Elegance in Pebble Beach.

Mit einem Porsche aus Deutschland nach Afrika zu fahren und dort in Ägypten vor den Pyramiden zu stehen ist ebenfalls als eine eher außergewöhnliche Erfahrung zu bewerten. Für Manfred Pieper, der in seinem bewegten Leben die ganze Welt bereist hat, mit seinem Mitsubishi Pajero (inzwischen ebenfalls knapp 350.000 Kilometer gelaufen) unter anderem im Jemen, der Mongolei, China, Syrien und Saudi-Arabien unterwegs war, zählte das indessen zu seinem normalen Leben. Wirklich beeindruckt aber war er vom Besuch bei König Hussein von Jordanien im Jahr 1997.

Der hatte als bekennender Porsche-Liebhaber eine kleine Gruppe von Fans der Sportwagenmarke eingeladen. Mit Polizeieskorte wurde die Gruppe der Porsche-Fahrer nach Amman geleitet. Dort stand der Besuch der Oldtimer-Sammlung des Königs auf dem Programm. Der 86-jährige Pieper ist bis heute von den Eindrücken und dem unfassbaren Prunk überwältigt. »In den klimatisierten Hallen haben wir unglaublich viele seltene Modelle gesehen. Alle natürlich top gepflegt und von unschätzbarem Wert. Das war das i-Tüpfelchen auf dem Luxus, den wir rund um den Palast erlebt haben.«

Alles in allem hat Pieper 97 Länder auf der Welt bereist, fast alle mit dem Auto und eine Vielzahl davon mit dem jetzt wunderbar restaurierten Targa. Für den indischroten Porsche hatte er damals 44.000 D-Mark bezahlt und ihn selbstverständlich gemeinsam mit seiner Frau Helga in Stuttgart abgeholt. Rot ist ohnehin die einzige Farbe, die für den ehemaligen Lobbyisten eines großen US-Unternehmens infrage kommt. »Alle meine Autos waren in dieser Farbe lackiert, sogar meine Dienstwagen.«

Die stehen ihm nun schon seit einiger Zeit nicht mehr zur Verfügung. Umso mehr ist er weiterhin mit dem Porsche Targa unterwegs. Denn Piepers Lust aufs Reisen und darauf, Neues zu entdecken, ist ungebrochen. »Die Wurzeln dafür müssen wohl in meinen Genen liegen«, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. »Als Fünfjähriger bin ich aus dem Kindergarten ausgerissen und in die Straßenbahn gestiegen, um die Gegend zu erkunden. Die Polizei hat mich dann gesucht, gefunden und zu meinen besorgten Eltern zurückgebracht.« Kein Wunder also, dass Pieper seit der Restaurierung bereits wieder um die 120.000 Kilometer am Steuer zurückgelegt hat. »Ich genieße es schlichtweg, mit dem Auto unterwegs zu sein. Anders als früher lasse ich mir inzwischen aber deutlich mehr Zeit. Die Tachonadel liegt auf der Autobahn meistens zwischen 120 und 140. Das schont natürlich auch den Motor. Der Sechszylinder hat ja nun schon einiges geleistet, schnurrt aber bis heute absolut problemlos und hat mich noch nie im Stich gelassen.«

Aber Manfred Pieper musste seinen geliebten Targa ein einziges Mal im Stich lassen. Bei einem Sturz in einem Hotelzimmer während einer Oldtimer-Tour durch Frankreich hatte er sich die Hüfte gebrochen. »Es fing in der Nacht stark an zu regnen, und ich wollte morgens um vier Uhr nachsehen, ob mein Auto unterm Dach trocken steht. Dabei bin ich ausgerutscht.« Nach der Diagnose im Krankenhaus wollte Pieper unbedingt nach Deutschland, um dort operiert zu werden. Das übernahm der ADAC. Schon während des Krankentransports überlegte der Patient, wie denn wohl sein Auto in die heimische Garage kommen könnte. Zu dem Zeitpunkt hatten die Organisatoren der Tour den Porsche bereits verladen und die Überführung bis nach Tübingen in die Wege geleitet. Da aber wollte Pieper das Auto nicht lange stehen lassen. Also machten sich seine beiden Söhne Michael und Mathias auf den Weg und holten das Familienmitglied nach Hause. Dort wird es bis heute gehegt und gepflegt. Und sowohl seine Söhne als auch die drei Enkel lassen keine Zweifel aufkommen, dass der Porsche 911 SC Targa seinen Platz in der Familie behalten wird.