Porsche-JubiläumAlles aus Liebe

Wolfgang Schäffer

 · 23.03.2023

Porsche-Jubiläum: Alles aus Liebe
Fotos: Porsche Archiv
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Liebesbeziehungen, die 70 Jahre lang halten, sind schon sehr besonders. Eheleute feiern in solchen Fällen die Gnadenhochzeit. Porsche kann in diesem Jahr gleich vier solcher Ereignisse begehen.

Die ersten Porsche 356 werden gefertigt: ein Blick in die Zuffenhausener Produktionshalle im Jahr 1950.
Foto: Porsche Archiv

1950 – für Porsche und die Kunden des Sportwagenherstellers ein denkwürdiges Jahr. Am 6. April vor 70 Jahren verlässt der erste Porsche aus deutscher Produktion die Werkshallen in Zuffenhausen. Am 26. Mai übernimmt dort der erste Kunde seinen Neuwagen. Bereits am 17. März und damit zwei Wochen bevor der erste in Stuttgart gebaute Porsche 356 aus der Werkshalle rollt, schließen Porsche und die Familie Glöckler einen Großhändlervertrag ab. Und im Herbst des Jahres gibt es den ersten Vertrag über den Verkauf von Porsche in den USA.

Der Grundstein für die Geschichte der Werksabholung wurde im Freien gelegt, auf einer Wiese in Sichtweite zum Werk 1.

Porsche und Zuffenhausen – diese Ehe wird bereits am 15. Juni 1938 geschlossen. Der aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit als Automobilkonstrukteur bereits mit zwei Ehrendoktortiteln ausgezeichnete Ferdinand Porsche zieht an diesem Tag mit der »Dr. Ing. h. c. F. Porsche KG., Konstruktionen und Beratung für Motoren und Fahrzeuge« aus der Stadtmitte Stuttgarts nach Zuffenhausen um. Ein Standort, der bis heute das Herz des Unternehmens ist. Einen zwischenzeitlichen Dämpfer erlebt die Liebesbeziehung allerdings während des Zweiten Weltkriegs. Wegen der Luftangriffe müssen Konstruktion, Produktion und auch Verwaltung verlagert werden. Es folgt der Umzug ins österreichische Gmünd. In den folgenden sechs Jahren konzipiert und baut Ferry Porsche dort den ersten 356. Doch an eine Serienproduktion ist hier nicht zu denken. Außerdem ruft die alte Liebe Zuffenhausen. Zwar wird 1949 das Porsche-Werk 1 noch von den US-Streitkräften genutzt. Aber im benachbarten Karosseriebetrieb Reutter ist eine Halle frei. Hier baut Porsche die Motoren für die Reutter-Karosserien. Am 6. April 1950 schließlich ist es so weit. Der erste 356 aus deutscher Fertigung rollt aus der Werkshalle. 300 weitere folgen noch im gleichen Jahr. Und Porsche wächst. So sehr, dass bereits 1952 ein Neubau entsteht – das spätere Porsche-Werk 2. Als am 1. Dezember 1955 das Werk 1 wieder freigegeben wird, ziehen die Konstruktionsabteilung, der kaufmännische Stab, die Reparaturabteilung für Firmenwagen und Kundenfahrzeuge sowie die Versuchs- und Entwicklungsabteilung für Rennwagen dort ein. Die Karosserieproduktion wechselt ebenfalls nach Zuffenhausen.

Heute werden 911, 959, 918 Spyder, 718 und seit 2019 der erste rein elektrisch angetriebene Taycan in Zuffenhausen gebaut. Um die Produktion des Taycan und in naher Zukunft die des Taycan Cross Turismo überhaupt zu ermöglichen, ist einr logistische Meisterleistung notwendig. Denn während tagtäglich 250 zweitürige Sportwagen der Baureihen 718 und 911 von den Bändern rollen, entsteht parallel dazu in diesem Werk eine neue Fabrik für den E-Sportwagen. Insgesamt werden im Rahmen der Bauarbeiten 300.000 Kubikmeter Erde ausgehoben, 35.000 Tonnen Stahl verarbeitet und 130.000 Kubikmeter Beton verwendet. In Summe misst die neu geschaffene Fläche aller Gebäude und Stockwerke 170.000 Quadratmeter.

Porsches Erfolgsgeschichte ist seit jeher eng mit dem Motorsport verbunden. Rennerfolge steigern das Ansehen der Marke beträchtlich.

Bereits zwei Wochen bevor der erste 356 am Gründonnerstag vor nunmehr 70 Jahren aus den Werkshallen in Zuffenhausen rollt, geben sich Porsche und die Familie Glöckler aus Frankfurt das Jawort. Besiegelt wird das am 17. März 1950. Otto Glöckler und sein Sohn Walter unterzeichnen einen Großhändlervertrag, zählen damit weltweit zu den Ersten, die ein derart großes Vertrauen in den Sportwagenhersteller haben und auf dessen Erfolg setzen. Ein entscheidender Grund dafür ist die Begeisterung für den Motorsport, die der im Dezember 1908 geborene Walter von seinem Vater geerbt hat. Otto Glöckler gründet nach einer erfolgreichen Karriere als Motorradrennfahrer 1919 in Frankfurt einen Fahrrad- und Motorradhandel. Bald kommt die Vertretung der Automobilfabrik Hanomag hinzu. Das Aufwachsen in einer von Benzin und Öl geschwängerten Atmosphäre zeigt Wirkung. Als 19-Jähriger gewinnt Walter Glöckler das Nürburgring-Eröffnungsrennen im Jahr 1927 mit einem NSU-Motorrad. Es dauert aber nicht lange, dann steigt Walter vom Zweirad ins Auto um.

Letztlich ist hier auch die erste Verbindung zu Porsche zu finden. Gemeinsam mit seinem Freund Fritz Sittig Enno Werner Freiherr von Hanstein, besser bekannt als Huschke von Hanstein, dem späteren Rennleiter von Porsche, wird Walter Glöckler 1937 mit einem Hanomag 1,5 Liter auf der Marokko-Rallye internationaler Klassensieger. Nach dem Krieg baut Glöckler den Betrieb wieder auf und hat 1948 bereits 100 Mitarbeiter. 1950 folgt die Vertragsunterzeichnung mit Porsche, Im gleichen Jahr entwerfen Walter Glöckler und sein Kundendienstleiter Hermann Ramelow einen offenen Rennwagen mit Rohrrahmen und Mittelmotor. Als Antrieb dient ein Boxermotor mit Porsche-Zylinderköpfen und 1.086 Kubikzentimetern. Der befreundete Karosseriebauer Weidenhausen aus Frankfurt-Sachsenhausen fertigt die Alukarosserie für den Rennwagen, mit dem Walter Glöckler 1950 auf Anhieb die Deutsche Sportwagenmeisterschaft gewinnt.

Der New Yorker Automobilhändler Max Hoffman erkennt früh die Strahlkraft von Porsche und ist in Nordamerika Importeur der ersten Stunde.

Insgesamt sieben Glöckler-Porsche werden zwischen 1950 und 1954 gebaut. Anfang 1953 entsteht im Auftrag des Schweizer Importeurs Hans Stanek jener Roadster, der − auch offiziell von Porsche anerkannt − als Vorbild für den 550 Spyder gelten darf. Doch als wirkliche Krönung der Glöckler-Geschichte gilt das Modell Nummer sieben. Es ist das einzige Coupé, das je gebaut wurde. Das Glöckler-Coupé sollte 1954 bei der Mille Miglia an den Start gehen. Im Heck steckt der nagelneue Königswellenmotor von Ernst Fuhrmann, der erst danach im Porsche 356 Carrera zum Einsatz kommt und den Begriff Carrera manifestiert. Bei der Mille Miglia fährt Glöcklers Coupé jedoch nicht. Das Auto wird nicht rechtzeitig fertig.

Der Anfang der bis heute andauernden Liebesgeschichte zwischen Porsche und Nordamerika liegt ebenfalls 70 Jahre zurück. Importeur der ersten Stunde ist der New Yorker Automobilhändler Max Hoffman. Er ist es, der nicht nur Enthusiasmus für den Sportwagen aufbringt, sondern auch Gespür für Kundenwünsche und effektive Vertriebskonzepte hat. Der aus Österreich in die USA emigrierte Hoffman will nach dem Krieg seine Idee verwirklichen, europäische Automobile in die USA zu importieren und dort zu vertreiben. Kaum eine Marke, die er nicht nach Amerika holt. So auch Porsche. Als ihm ein Journalist erste Fotos des 356 zeigt, ist er hellauf begeistert. Nach einem Briefkontakt mit Ferdinand Porsche wird für den Herbst 1950 ein Treffen am Rande des Pariser Autosalons vereinbart. Für Porsche ist das der Beginn des bis heute extrem erfolgreichen USA-Geschäfts. Hoffman lässt von Anfang an keine Zweifel an seinen Zielen aufkommen. Ferdinand Porsches Äußerung, er hoffe, pro Jahr ungefähr fünf Porsche in die USA zu verkaufen, wischt Max Hoffman vom Tisch. Er sei nicht an einem Geschäft interessiert, wenn langfristig nicht mindestens fünf Wagen pro Woche zu verkaufen seien. Der an diesem Tag abgeschlossene Vertrag sieht den Verkauf von zunächst 15 Autos pro Jahr vor.

In Nordamerika ist Porsche damals noch weitgehend unbekannt. Das aber schreckt Hoffman nicht. Er präsentiert den 356 in seinem Showroom auf der Park Avenue und preist ihn aufgrund des sichereren Fahrverhaltens, der hochwertigen Verarbeitung und des spielerischen Handlings als »German Automotive Jewel« an. Das Vertriebsgenie erkennt zudem, dass der Motorsport die entscheidenden Kundenkontakte bringt. Und so fährt er mit einem der ersten angelieferten 356 noch im Jahr 1950 zum Rennen in Watkins Glen bei New York. Den bekannten Rennfahrer Briggs Cunningham hat Hoffman zudem auserkoren, einen weiteren Porsche zu fahren. Das Auto begeistert derart, dass Cunningham den 356 kauft. Erfolge bei diversen Rennen steigern das Ansehen der Marke. 1951 importiert Hoffman bereits 32 Porsche 356. 1952 sind es 283 Autos – 21 Prozent des Porsche-Gesamtumsatzes. 1955 wird in den USA erstmals die 50-Prozent-Marke (bei einer Gesamtproduktion von 3.624 Fahrzeugen) überschritten. Heute sind die USA nach China der zweitstärkste Markt. Dass Hoffman schon damals ein besonderes Gespür für die Bedürfnisse der Kunden hat, zeigt die Umgestaltung des Verkaufsraums im Jahr 1954. Gemeinsam mit dem Stararchitekten Frank Lloyd Wright entsteht eine richtungsweisende Gestaltung mit einer spiralförmigen Rampe in der Mitte – bis heute Vorreiter automobiler Erlebniswelten.

70 Jahre zurück liegt auch eine andere Liebesbeziehung bei Porsche – die nämlich zwischen den Kunden und dem Sportwagenhersteller. Ottomar Domnick, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, bezeichnet es als Herzenswunsch, der erste Kunde von Porsche in Deutschland zu sein. Am 26. Mai 1950 übernimmt der 43-Jährige seinen 356 in Fischsilber mit der Kommissionsnummer 5001 direkt in Zuffenhausen. Es ist die Premiere der Werksabholung. Unmittelbar vor der Übergabe seines Porsche 356 auf einer Wiese in Sichtweite zum Werk 1 sitzt Domnick noch auf dem Beifahrersitz neben Herbert Linge, der ihn zu einer finalen Abnahmefahrt eingeladen hatte. Linge begann seine Ausbildung bereits im April 1943 bei der Porsche KG und war einer der ersten Mechaniker nach der Rückkehr von Porsche aus dem österreichischen Gmünd Ende 1949. Linge erinnert sich noch gut an jede Werksabholung. »Domnick hat die Übergabe seines Porsche 356 richtiggehend zelebriert. Aber er kam ohnehin schon jeden Tag zuvor vorbei, um zu sehen, wie weit wir mit der Arbeit waren. Auch Ferry Porsche schaute kurz vorbei, als der Arzt seinen Sportwagen in Empfang nahm.«

Außer Linge sind es bekannte Porsche-Mitarbeiter wie Richard von Frankenberg oder Huschke von Hanstein, die in den Anfangsjahren die Aufgabe übernehmen, Käufern bei der Werksabholung eine persönliche Einweisung in ihre neuen Sportwagen zu geben. Zu den berühmtesten Kunden der Zuffenhausener Anfangsjahre gehören Alfried Krupp, Herbert von Karajan oder der Erbprinz zu Fürstenberg. Bis heute ist die Werksabholung ein besonderes Erlebnis für die Kunden.

»Das Spannendste an der ersten Begegnung ist, dass der Kunde das Fahrzeug vorher so noch nicht gesehen hat«, erklärt Tobias Donnevert, Leiter Werksabholung und Sales Operations Individualisierung. In Zuffenhausen begrüßt das Team von Tobias Donnevert heutzutage etwa 20 Kunden pro Tag zur Werksabholung. 2019 waren das in Summe 2.500 Kunden. Auf Wunsch bekommen die Kunden vor der Abholung eine Führung durch die Produktion. Zusätzlich steht ein Besuch des Porsche Museums auf dem Programm.