Christina Rahmes
· 23.02.2023
Ein ganz besonderer Targa sollte es sein, als sich Dr. Sven Hanselmann auf die Suche begab. Der Farbcode MB 178 macht ihn fast zu einem Unikat. PORSCHE KLASSIK überrascht den Besitzer mit einem Familientreffen im Werk 1. Dort, wo alles begann.
Nur nicht Rot. Ansonsten sei ihm die Farbe egal gewesen, erzählt Dr. Sven Hanselmann. Zweieinhalb Jahre lang suchte er nach seinem Traumauto, bis er 1999 in einem deutschen Fachmagazin für Oldtimer endlich fündig wurde. Er entdeckte einen Porsche 911 S Softwindow Targa, den er nicht mehr vergessen würde. Standort: Los Angeles in den USA. Erstauslieferung: Deutschland. Farbe: Rot. Also doch! »Die Suche war so aufwendig, da musste ich Abstriche machen«, sagt der gebürtige Heilbronner, der seinen Porsche von 1967 bis vor Kurzem zweieinhalb Jahre lang restaurieren ließ. So lange, wie einst die Suche dauerte. Ein dicker Ordner dokumentiert die Geschichte des 53 Jahre alten Autos, Sven recherchierte schon kurz nach dem Kauf und erhielt viele Informationen von Porsche. An der A-Säule entdeckte der Facharzt für Allgemeinmedizin eines Tages die Farbplakette mit der Gravur MB 178, die für die Mercedes-Benz-Farbe Mittelgraumetallic steht. Typisch für die Modelle W111, W112 und W113. Schon mit dem Fund war ihm eigentlich klar, dass sein Targa aus der Abteilung Porsche Exclusive – früher »Sonderwunsch« – stammte. Er recherchierte weiter. Auch der Talbot-Spiegel, dessen exakte Position sich die Kunden aussuchen durften, war ein Sonderwunsch.
Samstag, 28. März 2020, 18.18 Uhr. Sven schickt der Redaktion von PORSCHE KLASSIK eine E-Mail: »Ich besitze den Targa seit 1999 und bin damit diverse Oldtimer-Gleichmäßigkeits-Rallyes gefahren, bis es der Gesamtzustand nicht mehr zugelassen hat. Vor einem Monat habe ich den Wagen aus einer Komplettrestauration zurückerhalten – in perfekt originalem Werksauslieferungszustand.« Wir überlegen. Einen 911 S Softwindow Targa, der mit Individuallackierung ausgeliefert wurde, den bringen wir doch am besten dorthin, wo seine Geschichte im Jahr 1967 begonnen hat: nach Zuffenhausen. An seiner Geburtsstätte lassen wir ihn auf seinen aktuellsten Nachfolger treffen, genauer gesagt auf den 911 Targa 4S Heritage Design Edition. Außen Cherrymetallic, innen Kordsamt und perforierter Dachhimmel. Tolle Überraschung!
TECHNISCHE DATEN
Porsche 911 S Targa
Wir besuchen Sven zum Frühstück im 11.000-Einwohner-Städtle Schwaigern bei Heilbronn, in dem sein Vater Dr. Claus Hanselmann seit 1975 Hausarzt war und bei dem er 2001 in die Praxis eingestiegen ist. Ebenfalls zu Hause: Gattin Rebecca, Anwältin und Gastgeberin par excellence, die Teenager-Töchter Eva und Vivien sowie Boxerhündin Zoe. Herr Doktor zeigt uns im Vorbeigehen seine Pokale im Keller, Gleichmäßigkeits-Rallyes scheinen ihm zu liegen, er schwärmt von den Ausfahrten. »Eva hatte ich viermal als Co-Pilotin dabei, jedes Mal sind wir mit einem Pokal nach Hause gekommen«, erinnert er sich und blickt stolz zu seiner 15-jährigen Tochter. Durch den Keller gelangen wir in die Garage, die sich der Targa mit einem Porsche 356 Coupé in Delfingrau und einem 993 Cabriolet in Schwarz teilt. Ein schönes Trio, es könnten aber gern noch ein paar mehr luftgekühlte Modelle sein, findet der 48-Jährige. Wir finden das Originalwappen des Targa und halten es in Händen wie einen Weltmeisterpokal. Ein kleines Stück Zeitgeschichte, Reminiszenz an die 60er-Jahre. Später in den heiligen Hallen der Werksabholung in Zuffenhausen werden wir noch häufig an längst vergangene Jahrzehnte erinnert.
Zeit für eine Ausfahrt, der Kilometerzähler des restaurierten Fahrzeugs zeigt links noch zwei Nullen an, daneben eine Zahl im dreistelligen Bereich. »Bei der Suche waren mir die fünf grünen Instrumente besonders wichtig, die mit dem Modelljahr 1967 noch Serie waren, ebenso die Tatsache, dass es ein ›S‹ ist und ein Softwindow, damit ich so weit wie möglich offen fahren kann«, sagt er und öffnet das Dach mit beeindruckender Akribie. Jetzt noch in aller Seelenruhe die Persenning über das heruntergeklappte Faltfenster fummeln – und es kann losgehen. Schöne Weinberge, Wälder, Kurven, Sven spricht von seiner Heimat so malerisch-liebevoll wie manch ein anderer von der Toskana. Seine Heimat war es auch, die ihm die erste Begegnung mit Porsche verschaffte: »Als ich zu meinem Kumpel geradelt bin, kam ich immer an einem Coupé der F-Serie vorbei. Ich habe schon als 13-Jähriger angehalten und den Porsche bewundert. Die Form hat mich immer angezogen, ein Porsche sieht schnell aus, selbst wenn er nur dasteht. Ab dem ersten Moment war mir klar, dass ich später auch Porsche fahren möchte.« Er schwärmt weiter, von der Marke, die ihn fasziniert, von der Familiengeschichte und der damit einhergehenden Tradition.
Sven startet den Sechszylinder-Boxermotor, 160 PS bei 6.600 Umdrehungen pro Minute, serienmäßiges Fünfganggetriebe. Der Motor leistet 30 PS mehr als sein Vorgänger Porsche 901, der vier Jahre zuvor mit 130 PS auf den Markt kam. Den S-Motor haben die Fachleute in Zuffenhausen auf 9,8:1 verdichtet und mit geänderter Nockenwelle, größeren Einlass- und Auslassventilen und einer Weber-Vergaseranlage ausgerüstet. Wir schauen auf die Uhr und verraten Sven die Überraschung, zu viele schöne Aussichtspunkte würde er sonst noch mit uns ansteuern, die Gegend liegt ihm am Herzen, das spürt man. Wir kreuzen ab und an den Neckar und erreichen 50 Kilometer weiter unser Ziel. Hier liegen die Wurzeln von Svens 911 S, der im Jahr 1967 individualisiert ausgeliefert wurde.
53 Jahre später trifft er vor dem historischen Backsteingebäude des Werks 1 auf das Modell der Neuzeit, sein Pendant in Cherrymetallic, 911 Targa 4S Heritage Design Edition. Eine Hommage an die Tradition, das erste von vier Sammlerstücken aus der Heritage Design Edition. Die Exclusive Manufaktur transportiert die Werte der Vergangenheit in die Neuzeit, die goldfarbenen Schriftzüge erinnern an die 50er- und 60er-Jahre, ebenso der Kordsamt auf Sitzen und Türverkleidungen, ein bereits im Porsche 356 verwendetes Material, die grüne Beleuchtung der Instrumente und der perforierte Dachhimmel in Mikrofaser. Und natürlich die speerförmigen Motorsportgrafiken auf den vorderen Kotflügeln, die uns in die Anfangszeit des Porsche-Motorsports zurückversetzen.
Sven bleibt am Heck des modernen Targa stehen. Er blickt auf die Porsche-Heritage-Plakette am Heckdeckelgitter, deren Design an die Plakette des Porsche 356 erinnert, die früher vergeben wurde, wenn der Besitzer die 100.000-Kilometer-Marke geknackt hatte. Ein Qualitätssiegel aus der Vergangenheit, modern interpretiert. »Es ehrt mich sehr, mit meinem alten Targa an diesen Traditionsstandort zurückzukommen«, meint Sven und schaut sich das Interieur an. Er öffnet das Handschuhfach, lächelt und schiebt eine Anekdote zu seinem alten Elfer hinterher: »Nach der ersten Fahrt habe ich das Handschuhfach geöffnet, und es ist jede Menge Sand rausgerieselt. Ein nettes Souvenir aus Kalifornien.« Und, Sven, was sagst du zu Cherrymetallic? »Sieht toll aus. Aber ich bleib dabei, meine Autos dürfen jede Farbe haben. Nur nicht Rot.«
Besonders mit Spaß unterwegs
Boris Apenbrink – 2000 als Praktikant bei Porsche angefangen und heute Leiter Exclusive Manufaktur Fahrzeuge – und Ivo van Hulten – seit 2014 Leiter Interieur-Design in Weissach – veredeln Porsche-Neuwagen. Ein Traumjob? Sowieso. Und immer wieder neu. Ein Kurzinterview mit zweien, die die Vergangenheit der Marke in die Zukunft denken.
Seit dem 991 ist der Targa wieder ein Targa wie früher. Zielt die Heritage-Edition auch in diese Richtung?
Boris Apenbrink: Nicht nur! Sie werden am Heritage nur alte Wappen finden, so wie am 67er Targa auch. Aber bei der Farbe haben wir zum Beispiel die kräftigen Rottöne der 50er-Jahre zitiert. Es wäre langweilig gewesen, schlicht ein Revival der ersten Targa-Generation aufzulegen.
Ivo van Hulten: Das wird auch im Innenraum deutlich. Ich denke, nirgendwo sonst werden Sie derzeit Kordsamt in einem aktuellen Auto finden. Ein klares Zitat der 50er-Jahre. Und das ist auch das Ziel der Heritage-Edition: Trends und Schönes zitieren, aber neu interpretieren.
Und wenn ein Fan wirklich ausgefallene Wünsche hat?
BA: Grundsätzlich machen wir im Bereich Farben und Materialien alles möglich, solange das mit den Zulassungsvorschriften konform ist. Geschmacklich können wir nur beraten.
IvH: Aber wir werden da auch manchmal überrascht! Ein Kunde wollte den Kofferraum seines 911 in Leder bezogen haben. Da haben wir erst den Kopf geschüttelt. Aber nun ist das schon ein Sonderwunsch-Trend geworden. :::