Jürgen Lewandowski
· 30.01.2023
Wenn man ein Auto entwickelt hat, sollte man auch ein eigenes Exemplar in der Garage haben – meint jedenfalls Dr. Ulrich Bez. Sein 993 ist nicht nur ein Unikat, sondern auch der Urvater des Individualisierungsprogramms.
Dr. Ulrich Bez hat ein bewegtes Berufsleben gelebt: nach dem Abitur Praktikant bei Porsche, dann ein Luftfahrttechnikstudium. Anschließend Versuchsingenieur bei Porsche und Promotion an der TU Berlin. Darauf folgte München, wo Bez die BMW Technik GmbH gründete und – gemeinsam mit dem Designer Harm Lagaaij – den Z1 entwickelte. Dieser erfolgreiche Ausflug führte Bez drei Jahre später, 1988, wieder zu Porsche, dieses Mal als Technik-Vorstand.
Es waren damals für Porsche keine guten Jahre: Nachdem der Vorstand den Elfer lange vernachlässigt und die Zukunft bei wassergekühlten Frontmotoren wie dem 928, 924, 944 und 968 gesucht hatte, war zwar mit dem 1989 lancierten 964 endlich der Nachfolger der mittlerweile 16 Jahre alten G-Baureihe erschienen, »doch das Modell war nicht nur wegen seiner Optik umstritten, sondern auch bei seiner Technik verbesserungswürdig«, erinnert sich Ulrich Bez. »Mein Auftrag war, ein neues Modell zu entwickeln, das den 911 beerben sollte. Nach reiflicher Überlegung unterbreitete ich dem Aufsichtsrat den Vorschlag, auch künftig den 911 als Rückgrat des Unternehmens zu behalten und die Fehler am 964 auszumerzen. So entstand der 993. Der Elfer ist eines der prägnantesten Automobile der Welt: der Sportwagen schlechthin, mit einem Design und einer Performance, die auch nach 50 Jahren immer noch jung und zukunftsträchtig ist.« Eine Ansage, die auch unter dem Gesichtspunkt, dass Bez später den Wiederaufstieg des Hauses Aston Martin als Vorstandsvorsitzender lenkte, beeindruckt.
Den freien Blick genießen. Sowohl das Haus als auch der von Harm Lagaaij und ihm verantwortete 993 demonstrieren die Lust an ästhetischer Eleganz.
Heute, im (Un-)Ruhestand, betrachtet der in den österreichischen Bergen lebende Bez seinen eigenen 993 mit sichtlichem Wohlwollen: »Er ist überhaupt nicht gealtert und spielt als letzter luftgekühlter Elfer sowieso eine ganz besondere Rolle.« Natürlich ist sein 993 ein besonderes Exemplar: »Ich wollte einen schmalen Elfer ohne die S- und Turbo-Verbreiterungen, so wie der 993 in seinen ersten Tagen das Licht der Welt erblickt hatte. Lagaaij, den ich nach seinem tollen Entwurf für den Z1 als Designchef mit zu Porsche nahm, hatte den 964, dessen Optik nicht überall auf Liebe gestoßen war, behutsam überarbeitet.« Dafür verzichtete Lagaaij auf die klobigen Stoßstangen und integrierte sie eleganter in die Frontpartie. »Wir wollten den 993 optisch wieder in die Richtung des Urmodells entwickeln – ihn harmonischer, eleganter wirken lassen.«
1993 hatte Bez Porsche verlassen, das Warum ist eine eigene Geschichte, sein Weg führte ihn nach Korea und im Juli 2000 zu Aston Martin. 1998 wurde der 993 durch den wassergekühlten 996 ersetzt – und Bez bestellte den letztgebauten 993 für sich. Nun war es nicht so einfach, noch die gewünschte schmale Karosserie zu ordern, doch es fand sich noch eine der gesuchten Karosserien. So entstand ein völlig normaler 993 Carrera 4 – »auf dessen Allradsystem ich besonders stolz bin« – mit dem 3,6-Liter-Boxermotor und 272 PS (200 kW). »Die 272 PS reichen völlig aus. 270 km/h waren damals und sind heute beeindruckend genug.« Wobei man wissen sollte, dass Bez nicht nur von den meisten der von ihm verantworteten Fahrzeuge ein Exemplar in der Garage stehen hat, sondern sie auch ungefahren reifen lässt. So steht auf dem Tachometer seines 993 lediglich eine hohe zweistellige Ziffer. Nach 24 Jahren.
Viel wichtiger als die zur Verfügung stehende Leistung war bei der Bestellung die auf die Spitze getriebene Individualisierung. »Ich hatte mich immer darüber geärgert, dass Porsche bei einem so teuren Fahrzeug so viele Plastikbauteile verwendete – ich wusste natürlich, dass man in diesen nicht einfachen Tagen sparen musste. Aber dass die Luftgitter, die Bedienungsknöpfe, die Türgriffe und noch manche anderen Teile im Innenraum aus sichtbarem Plastik bestehen mussten, störte mich.« Für die Innenausstattung wählte er daher ein italienisch anmutendes braunes Leder, die schwarzen Kunststoffteile ließ er mit schwarzem Leder überziehen. »Das dauerte zwar ein gutes halbes Jahr – Porsche hatte etwas Vergleichbares noch nicht gemacht –, aber es sah hervorragend aus.« Außen wählte er ein schwarzes Rundumprogramm: Auch der Spoiler und die Chromteile wurden schwarz lackiert beziehungsweise eloxiert. Bez: »Die Liebe zum Detail und die Demonstration des Machbaren hat sich dann in der Folgezeit auch im Porsche-Individual-Programm niedergeschlagen.«