PORSCHE-DOSSIERSteigert Patina den Fahrzeugwert?

Christian Plagemann

 · 01.03.2023

PORSCHE-DOSSIER: Steigert Patina den Fahrzeugwert?Foto: Theodor Barth
Verbrannt, gerissen, voller Macken: Manche Fans lieben solche Fahrzeuge – aber wie viel Patina ist förderlich beim Wiederverkauf?
Powered by

Der Klassikermarkt ist im Wandel. Experte Christian Plagemann vom Online-Marktportal Classic Trader ordnet die Schlüsselbegriffe ein.

Christian
 Plagemann ist einer
 der Macher von
 Classic Trader und 
kennt die Parameter
 der Wertentwicklung.Foto: Anne Welsing
Christian Plagemann ist einer der Macher von Classic Trader und kennt die Parameter der Wertentwicklung.

Der internationale Klassikermarkt hat sich in den vergangenen zehn Jahren stark verändert. Befördert durch eine überdurchschnittliche Entwicklung von Werten und einem Generationswandel in der Szene hat eine Professionalisierung stattgefunden. Die in deutlich größeren Stückzahlen produzierten Fahrzeuge der 70er-, 80er- und 90er-Jahre eröffneten zudem einer neuen Generation von Erstkäufern den Markt. Zeitgleich ist der eigene Klassiker heute deutlich stärker Ausdruck der eigenen Individualität und »ein Zeichen guten Geschmacks« geworden, als dies noch bei der Vorgängergeneration der »Enthusiasten« der Fall gewesen ist.

Die digitale Revolution hat zu einer größeren Markttransparenz geführt und so die Möglichkeit der Vergleichbarkeit von Fahrzeugen eröffnet. Dementsprechend haben sukzessive differenzierende Merkmale und werttreibende Eigenschaften an Relevanz zugenommen. Ganz vorn dabei sind die Themen Seltenheit, Provenienz, Originalität, Unrestauriertheit und Patina. Vor allem bei marktgängigen und beliebten Modellen werden diese Faktoren immer mehr zu wertdifferenzierenden Merkmalen am Markt. Das hat unter anderem auch etwas mit der Professionalisierung des Sammlungsmanagements zu tun. Denn heute steht der Faktor Werterhalt und -entwicklung vor allem auch bei großen Sammlungen deutlich mehr im Vordergrund, als dies noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall gewesen ist. In der Konsequenz wird nicht mehr nur nach Emotion und persönlicher Vorliebe gekauft, sondern durchaus gezielt nach besonders wertvollen, werterhaltenden und sich differenzierenden Fahrzeugen gesucht. Das Thema »Originalität« steht dabei besonders häufig im Fokus.

Der Mechanismus dahinter ist nachvollziehbar, denn je älter ein Fahrzeug, desto unwahrscheinlicher ist es, dass es unbeschadet und unrestauriert durch die Zeit gekommen ist. Dementsprechend sind original erhaltene Fahrzeuge deutlich seltener und somit auch wertvoller. Wertbildend ist in diesem Kontext ebenfalls das Thema Provenienz. Je besser und eindeutiger die Historie eines Fahrzeuges nachvollziehbar ist und je genauer alle an dem Fahrzeug durchgeführten Arbeiten dokumentiert wurden, desto besser und desto potenziell wertvoller ist ein Fahrzeug in Relation zu anderen am Markt angebotenen, weniger gut dokumentierten Fahrzeugen dieses Modells. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass unrestaurierte Fahrzeuge im Originalzustand vornehmlich Sammler ansprechen, die ihre Fahrzeuge weniger bewegen, dafür aber größten Wert auf Substanzerhaltung und Pf lege legen.

Der Marktwert von »Patina« lässt sich nur schwer anhand gängiger Statistiken bemessen. Zu beobachten ist, dass es einen ausreichend großen Käuferkreis gibt, für den Originalität und Authentizität eine – wenn nicht sogar die entscheidende Rolle – bei der Kaufentscheidung spielen. Die Bereitschaft, für authentische Originalfahrzeuge deutliche »Aufgelder« zu zahlen, lässt sich nicht nur in Auktionen beobachten. Auch wir von Classic Trader verzeichnen seit geraumer Zeit deutlich höhere Angebots- und Verkaufspreise für gut erhaltene und patinierte Originalfahrzeuge, insbesondere bei beliebten und nachgefragten Modellen wie z. B. Porsche-Klassikern in allen Modellreihen des 911. So konnten beispielsweise Händler wie die sich auf originale luftgekühlte Porsche spezialisierte Firma Karero aus Berlin in den letzten Jahren für frühe unrestaurierte 911-Modelle der 60er-Jahre und 930 Turbo 3.0l Kaufpreise erzielen, die im Schnitt 30 bis 50 Prozent über den Marktpreisen für restaurierte Fahrzeuge in gutem bis sehr gutem Zustand lagen. In Einzelfällen lagen die Verkaufspreise für authentische Originalfahrzeuge um 100 Prozent über denen von restaurierten Fahrzeugen, wie Karero zu berichten weiß.

Der Marktwert von Patina lässt sich nur schwer anhand gängiger Statistiken bemessen.

Beim Thema Restaurierung stellt sich die Frage, wie das Fahrzeug sowohl technisch als auch optisch wieder in den Originalzustand versetzt werden kann und ob und wie man die am Fahrzeug noch vorhandene Originalsubstanz erhalten und konservieren kann. Werden defekte Teile durch Neuteile vom Sekundärmarkt getauscht, beschafft man sich gute gebrauchte Teile, um die Authentizität zu bewahren, oder lässt man gar die originalen defekten Teile aufwändig instand setzen? Welcher dieser verschiedenen Ansätze herangezogen wird, machen viele Fahrzeugbesitzer oftmals vom Kostenaufwand im Verhältnis zum Wert des Fahrzeuges abhängig. Häufig entscheidet aber leider auch der Zufall, weil die Oldtimerbesitzer nicht fachkompetent beraten werden.

Ein Beispiel: Ein früher Porsche 911 (F-Modell) mit nachvollziehbarer Historie, der sich bis heute noch im originalen, gut erhaltenen Lack präsentiert, wird in einen Unfall verwickelt und einer der Kotf lügel dabei so beschädigt, dass der Wagen ohne Weiteres fahrtüchtig und verkehrssicher bleibt und lediglich eine optische Beeinträchtigung erleidet. Hier stellt sich die Frage, was der richtige Weg ist: Lässt man den Schaden nun reparieren mit der Konsequenz, dass der gesamte Kotf lügel neu lackiert werden muss und damit der vorhandene Erstlack zerstört wird, oder erhält man besser den Originallack und lebt mit der Delle? Entscheidet man sich schließlich für eine Reparatur, gibt es wiederum verschiedene Möglichkeiten. Versucht man eine Teillackierung des Kotf lügels unter größtmöglichem Erhalt des alten Lacks, oder lackiert man den Kotf lügel komplett neu? Wie passt man dann die Neulackierung an den übrigen 50 Jahre alten Lack an, und welchen Lack verwendet man? Arbeitet man mit aktuellem Wasserlack oder herkömmlichem Acryllack, oder greift man gar auf den seinerzeit bei der Herstellung des Fahrzeugs verwendeten Kunstharzlack zurück?

Provenienz, Originalität und die damit oft verbundene Patina werden mit zunehmendem Fahrzeugalter immer wichtiger und wertsteigernder.

In der Realität wird hier die Entscheidung für die Form der Reparatur allzu häufig allein von den Kosten der Instandsetzung abhängig gemacht, obwohl letztlich die gewählte Form der Reparatur den Wert des Fahrzeuges negativ beeinf lusst. So wäre zwar in unserem Beispiel etwa eine Teillackierung des Kotf lügels mit Kunstharzlack die aufwändigste und kostenintensivste Form der Instandsetzung. Allerdings führt sie selten zu einer signifikanten Wertminderung, weil die meisten Sammler gar nicht erwarten, dass ein Fahrzeug nach 50 Jahren noch zu 100 Prozent im Erstlack ist, und gut mit einer authentischen, schön angepassten Beilackierung in Kunstharzlack leben können. Leider mangelt es hier vielen Werkstattbetrieben auch an der nötigen Fach- und Beratungskompetenz, um die Fahrzeugbesitzer in die Lage zu versetzen, sich für die richtige Alternative zu entscheiden. Beim Thema richtige Restaurierung oder Instandsetzung von Originalfahrzeugen bedarf es noch einer stärkeren Sensibilisierung der Werkstätten und Oldtimerbesitzer.

Kleiner Unfall – große Entscheidungen. Hier ist kompetenter Expertenrat gefragt.

Bleibt zu resümieren, es gibt einen wachsenden Markt für original erhaltene patinierte Fahrzeuge. Die preisliche Spannbreite in diesem Segment ist ebenso groß wie die Spannbreite der Zustände. Und zum Abschluss noch ein Gedanke zum Thema »Patina« und »Originalität«: Diese Begriffe werden zunehmend gern von Verkäufern in ihren Fahrzeugbeschreibungen werbend herangezogen. Man darf aber durchaus kritisch hinterfragen, ob beispielsweise bei einem Porsche 928 S mit 220.000 Kilometer Lauf leistung eine von unzähligen Steinschlägen beschädigte Motorhaube im Erstlack zu einer Wertsteigerung des Fahrzeuges führt. Wir denken, eher nicht, denn entscheidend für die Wertbildung wäre bei einem solchen Fahrzeug sicherlich der aktuelle mechanische Wartungszustand.