Thomas Fuths
· 23.02.2023
Es gibt diverse Arten, mit einem Porsche unter dem freien Himmel zu reisen. Nicht immer muss es ein echter Targa oder ein klassisches Cabriolet sein. Dies ist ein Plädoyer für Sportwagen mit Schiebedächern aus Glas.
Im Grunde begann alles mit einem Triumph Spitfire MK4, dem ersten eigenen, kleinen Sportwagen. Anfang der 80er-Jahre; die Schule hinter, das Leben vor mir. Ein Start am Volant einer grausamen, englischen Rostlaube. Egal, ein wunderbarer Roadster. Selbst restauriert, dabei voll auf die Schnauze geflogen. Etwas teurer wieder verkauft. Angefixt vom Offenfahren. Frühprägung. Und los ging sie, die ewige Jagd nach dem idealen mehr oder weniger offenen Sportwagen. Alles war erlaubt, vom Softtop bis zum Schiebedach. Nur Kisten ohne jegliche Chance auf einen Blick in den Himmel waren nicht akzeptiert; komplett geschlossene Sportwagen sind eine Gruft. Ein unendliches automobiles Durchtauschen begann. Irgendwann ein erster Porsche. Die Autos kamen und gingen; das Tauschen hörte nie auf. Ich flog mit ihnen durch die Zeit, und plötzlich war es 2005. Porsche bot als Werkswagen einen der letzten produzierten 996 Targa an.
TECHNISCHE DATEN
Porsche Targa 4S (997)
Porsche Carrera 4 (991)
In »Lapisblaumetallic«. Als ich ihn in Zuffenhausen abholte, war ich mir sicher, die Jagd sei nun beendet. Was sollte da auch noch kommen? Der halboffene 911 war schließlich eine außergewöhnliche Synthese aus Cabrio und Coupé. 320 PS stark und damit ausreichend agil. Geschlossen leise wie ein Coupé und doch lichtdurchflutet wie das Grand Palais in Paris. Während der Fahrt in Sekunden verwandelbar in einen vom Feeling her nahezu offenen Wagen; an Bord der ewige Sommer. Doch das Tauschen hörte nicht auf. Weil Porsche mit dem 997 den ersten allradgetriebenen Targa nachreichte. Optisch war er mit seinem breiten Heck deutlich kraftvoller als der schmalere 996 und nun mit der Kraftverteilung an beide Achsen auch im Winter der perfekte offene Sportwagen. Die Porsche-Werber kreierten den Begriff »Skydriving« und ließen einen 997 Targa 4 in der Individualfarbe »Nordischgoldmetallic« durch Wind und Wetter segeln. Und so wurde der blaue 996 Targa wieder zur Handelsware. 2009 gab ich ihn für einen 997 Targa 4 der zweiten Serie her – zu erkennen unter anderem an der roten Reflektorspange zwischen den jetzt in LED-Technik ausgeführten Rückleuchten.
Als Neuwagen exakt so konfiguriert, wie ich mir damals den idealen 911 vorstellte. Außen in »Carraraweiß«, innen im dunkelbraunen »Cocoa« mit Porsche-Wappen auf den Kopfstützen. Die 345 PS des neuen Direkteinspritzers reichten mir, weil sie einem – anders als die S-Modelle – unterwegs nicht dauernd das Gefühl gaben, noch einen Zahn zulegen zu müssen. Die Jagd war beendet. Ich hatte, was ich immer wollte: einen klassischen Sportwagen, der auf der Langstrecke beruflich ebenso der ideale Begleiter war wie offen beim zügigen Cruisen auf der Landstraße. Angekommen! Dachte ich. Falsch gedacht. Denn zwischendurch passierte das Leben mit Kind und Kegel und der Verschiebung von Prioritäten. 2012 saß ich auf einmal in einem Cayenne Diesel mit riesigem Panoramadach. Immerhin. Es dauerte kein Jahr, bis ich dem Targa hinterherweinte. Wie konnte ich so blöd gewesen sein, diesen Wagen zu verkaufen.
Der klassischste aller automobilen Fehler – er war mir passiert. Ich konnte mir noch nicht einmal einreden, zum richtigen Zeitpunkt verkauft zu haben, denn die 997 Targa verloren subjektiv und objektiv keinen Cent an Wert; trotz des Comebacks der 991-Bügel-Targa ist heute längst das Gegenteil der Fall. Sie werden teurer. Also: Korrektur, das Rad zurückdrehen. Am besten den 997 Targa in »Carraraweiß« zurückholen. Oder nach vorn schauen. Sich weiterbewegen. Den Nachfolger anvisieren, aber dem Glasdach und damit dem »Skydriving« treu bleiben. Doch das ging ja eigentlich nicht, weil der 991 Targa 2014 mit seinem in 20 Sekunden (im Stand) hinter dem Bügel eingefalteten Dach die Sportwagenwelt erstaunte und eine neue Targa-Ära einleitete. Und klar: Der 991 Targa war und ist zeitlos, genau wie der 992 Targa eine »Timeless Machine«.
Doch bei mir war und ist es immer das Gleiten unter freiem Himmel gewesen – ganz gleich ob offen oder geschlossen. An Sommer- und Wintertagen. Und dazu taugte das bei jeder Geschwindigkeit zu öffnende Glasdach am besten. Deshalb holte ich mir an Bord eines 350 PS starken 991 Carrera 4 in »Carraraweißmetallic« mit einem elektrischen Schiebe-/Hubdach aus Glas mein persönlich favorisiertes Targa-Feeling zurück, obwohl hinten auf dem Wagen nicht mehr Targa draufstand. Sommer 2020, Konzeptvergleich und Vergangenheitsbewältigung. Porsche hat uns aus dem Museum einen 997 4S Targa zur Verfügung gestellt. Sein gläsernes Dach ist 1,54 Quadratmeter groß und bildet eine durchgängige transparente Einheit mit der Heckklappe; beim Öffnen schiebt es sich in sieben Sekunden einen halben Meter darunter und gibt so 0,45 Quadratmeter Himmel frei. Das ist weit offener, als es sich anhört, und vermittelt so in der Tat das klassische Targa-Feeling; insbesondere wenn auch noch die Seitenscheiben unten sind.
Ganz ähnlich und doch anders: der 991. Sein gläsernes Dach ist »nur« 0,65 Quadratmeter groß und schiebt sich 35 Zentimeter nach hinten und außen über die Heckscheibe. Etwa 0,28 Quadratmeter misst in diesem Fall die Öffnung. Zwischen Glasdach und Heckscheibe gibt es im Gegensatz zum 997 Targa eine Quertraverse, die für mehr Festigkeit, aber weniger Transparenz sorgt. Faktisch ist der 991 mit Glasdach also kein wirklich offenes Auto. Umso mehr aber zeigt der Vergleich, dass der 997 Targa – ebenso wie der 993 und der 996 Targa – weit mehr war als nur ein Coupé mit Glasschiebedach. Porsche hatte mit ihnen den Targa neu gedacht. Ein deutlicher Hauch der Ära dieser Glasdach-Targa ist auch im 991 zu spüren. Schon deshalb, weil es bei offenem Dach innen stärker stürmt als im 997 Targa. »Skydriving« kann auch dieser 991. Es macht einen nicht glücklicher, aber freier.