Porsche-DNANr. 42 lebt!

Thomas Kuttruf

 · 24.04.2023

Porsche-DNA: Nr. 42 lebt!Foto: Rossen Gargolov
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Im Modelljahr war dieser Porsche 924 teurer als ein 911 Turbo: der GTS. Seine Mission: Rennsiege. Ein Glück, dass dieses Exemplar seiner Bestimmung entging.

Dritter Gang. Mit kurzem Kick-down in den Tunnel. Durch den offenen Spalt des Plexiglas-Fensters pfeifft der Turbo das schnelle Lied des GTS.
Foto: ROSSEN GARGOLOV

Im Zeitalter der globalen Digitalisierung, autonomer Produktion und strategischen Markenmanagement smutet diese Geschichte an wie ein Märchen aus fernerVergangenheit. Dabei ist es noch keine 40 Jahre her, dass dieses Auto in Stuttgart montiert wurde. Während auf den Serienbändern Typen des 944 in beschleunigter Stückzahl entstehen, tüfteln hinter verschlossenen Türen die verschworenen Motorsportler an der Umsetzung einer Miniserie. Den Zahlencode »924« hat das Projekt mit der Großserie gemeinsam. Mehr nicht. Den Technikern mit Renngenen geht es allein darum, eine ideale Basis für den Einsatz des noch jungen Transaxle-Konzeptes im Rennsport zu schnitzen.

Um die für Porsche revolutionäre Antriebsrezeptur mit dem in der Wahrnehmung biederen Reihenvierzylinder international offensiv zu bewerben, gab es grünes Licht für 50 Einheiten des GTS. Für den Einsatz im Rallye- und Rundstreckensport ging es nach dem Motto »volle Attacke« ans Werk. Im Pflichtenheft wurde die Zulassungsfähigkeit für den Straßenverkehr mit dünnem Bleistift niedergeschrieben. Der Preis: 110.000 Mark.

Wie geplant verließen dann die ersten Einheiten des gnadenlosen Sportlers Stuttgart direkt in die Werkstätten etablierter Rennteams, um für ihr finales Schicksal gerüstet zu werden. Und wie es im erbarmungslosen Kampf um Bestzeiten nun mal so ist, etliche der raren GTS kamen wortwörtlich vom rechten Weg ab, hatten kurze bis sehr kurze Karrieren.

Umso erstaunlicher, dass der Wagen mit der Chassisnummer 042 weder in Le Mans zu Tode gedreht noch hinter einer griechischen Steinmauer begraben wurde. Der indischrote 924 GTS in Clubsportspezifikation entging dem Zwang, schnell zu sein, komplett. Seine Vita ist mindestens so skurril wie das Projekt »924 GTS« selbst. Nicht einen Meter Rennstrecke hatte Nr. 42 in den Achsen, als der heutige Besitzer Marc Sonnenschein aus dem angeblich immer regnerischen Wuppertal mutig mit einem Fabrikanten aus dem Westerwald verhandelte. Sonnenschein wollte diesen Wagen. Er zögerte auch nicht, als die Frau des Fabrikanten seinen weißen 964 Turbo unwiderstehlich fand. Im 1:1-Tausch wechselten die Porsche ihre Standorte. In Wuppertal bekam der Transaxle zu spüren, was echter Perfektionismus ist. In absoluter Geduld steigerte sich der GTS-Enthusiast in sein neues Auto und machte aus einem guten einen fantastischen Porsche. Allein die Kommentare zur Konversation mit dem TÜV-Beamten würden Bücher füllen. Stichwort Sidepipe. Ja, die martialische Auspufflösung ist erstens noch lauter, als sie ausschaut, und zweitens gehören 50 Zentimeter Stichflammen zum Repertoire des Vierzylinder-Turbos mit einer strammen Literleistung jenseits der 135 PS.

Ehrfurcht. Ich halte die Schlüssel des Sonnenschein-Feuerzeugs in den Händen. Der Monolog des Besitzers hat mir sehr klar gemacht: Achtung, kein Spielzeug! Der Rundgang ums Auto hat die Botschaft bestätigt. Hier steht kein Wir-jagen-Golfs-vor-dem-McDonald’s-Auto. Hier steht ein reines Rennauto. Der gleiche Wagen, der den Klassensieg in Le Mans geholt hat. Der gleiche Wagen, der einem Walter Röhrl fast den Hintern abgekocht hätte.

Das Leistungsgewicht allein ist es nicht – es ist die Aura der Kompromisslosigkeit, mit der die Porsche-Techniker zur Tat schritten, das gesamte Packaging des 924 auf den Kopf stellten. Keine Mühe zu groß, um Leistung zu steigern, Gewicht zu senken, Renntauglichkeit auf WM-Niveau herzustellen. Die Entscheidung, den Basismotor auf eine Schmierung mit Trockensumpf umzurüsten, dafür einen Öltank ins Heck des Autos zu konstruieren, dafür wiederum den Tank zu verlegen und eine komplette Neuverlegung der Auspuffanlage in Kauf zu nehmen, ein Wahnsinn jagte den nächsten.

»Am besten du ziehst gleich mal Jacke und Pullover aus, du kannst auch im Winter nackt fahren, ohne zu frieren.« Nach nur wenigen Minuten im GTS glaube ich den saloppen Sonnenschein-Worten. Hinter mir panscht der Öltank mit unerhörtem Gebrodel, direkt unter mir brazzeln die Krümmerrohre. Selbst in dezentem Tempo bei der Flucht aus der Großstadt trommelt der GTS bereits auf alle Sinne der Insassen ein. Läuft hier Armageddon im Radio? Nein, denn es gibt kein Radio. Nummer 42 selbst ist der Weltuntergang, wenn die Strecke frei und die Drosselklappe offen ist. Wer den GTS nur streichelt und bedient, kann die Anlagen geföhnter Serientechnik erahnen. Fällt der Hammer, schlägt die Nadel der Ladedruckanzeige hastig aus, dann macht sich der Turbo im Speedrausch über den Asphalt her. Knallt, gript, feuert.

In der Tat, bei jener Gangart verwandelt sich die Fahrerkanzel mit Käfig in ein fahrendes Schwitzbad. Ich nehme es als Gruß der Porsche-Ingenieure, die sich am GTS einmal bis zur Erschöpfung austoben durften. Superlative auch bei der Rückkehr in den Stillstand, gebremst wird mit der Anlage des 911 Turbo. Mein T-Shirt klebt am Körper. Nr. 42 lebt weiter.


TECHNISCHE DATEN

Porsche 924 GTS Clubsport

  • Motor: flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-Reihenmotor mit Turboaufladung
  • Hubraum: 1.984 cm3
  • Gemischaufbereitung: Bosch-K-Jetronik-Einspritzanlage
  • Maximale Leistung: 275 PS bei 6.250/min
  • Radstand: 2.400 mm
  • Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h
  • Gewicht: 1.060 Kilogramm