Porsche-DNAKleine Kraftwerke

Thomas Fuths

 · 25.02.2023

Porsche-DNA: Kleine KraftwerkeFoto: Theodor Barth
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Den 924 und den Cayman trennen Jahrzehnte. Doch sind sie Brüder im Geiste. Vierzylinder-Reihenmotor im Klassiker, Vierzylinder-Boxer als Einstiegsversion im Porsche der Gegenwart. Wer diese zwei puren Sportwagen länger fährt, vergisst irgendwann, dass vier und nicht sechs Zylinder für die Antriebskraft sorgen.

Zwei Porsche, zwei Epochen: Der 160 PS starke 924 S auf diesen Bildern wurde 1988 gebaut. 34 Jahre später fuhr der Cayman T vom Band. Mit 300 PS ist er fast doppelt so stark.
Foto: THEODOR BARTH
Der Porsche 924 ist ein zeitloser Sportwagen. Er spiegelt die hohe Kunst eines geradlinigen Designs wider. Geschaffen hat das Exterieur der Porsche-Designer Harm Lagaaij.

Die ersten Porsche hatten Vierzylindermotoren, waren leichte, agile Sportwagen. Im Motorsport fuhren sie in jeder Kurve Kreise um die fetten Sechs-, Acht- und Zwölfzylinderboliden der Konkurrenten. Alfa Romeo, Ferrari, Jaguar, Maserati, Mercedes-Benz – sie alle hatten diese leichten Porsche anfangs nicht auf dem Zettel. 75 Porsche-Siege allein 1952. Mille Miglia, Le Mans, Liège– Rom–Liège, Carrera Panamericana. Damit begann er, der Weg zum Ruhm. Niemand sollte also behaupten, dass ein Vierzylinder kein standesgemäßer Antrieb für einen Porsche wäre. Einer dieser leichten, puren Sportwagen ist der 924 – stilistisch und vom Transaxle-Antriebskonzept her eine Art kleiner Bruder des großen 928. Zwischen 1976 und 1988 wurde er gebaut, zuletzt als 924 S. Viele Jahre war der 924 der günstigste Porsche seiner Zeit und auch der meistverkaufte Sportwagen der Welt. Heute ist es der Cayman mit 299 PS, der das Vierzylinder-Entree in die Porsche-Welt darstellt – ihn adelt eine enge Verwandtschaft zum 911 der Generation 991. 924 und Cayman, grundverschieden und doch verbunden. Durch die Zahl der Zylinder. Durch die außergewöhnliche Balance des Gewichts. Durch große Heckklappen. Und durch die Tatsache, dass sie beide pure, ehrliche Sportwagen sind. Reisen wir zurück in die Zeit des 924 und dann wieder in die Zeit des Cayman.

Der Vierzylinder des 924 S liegt leichter auf der Vorderachse als ein Sechszylinder. Hinten sorgt das Getriebe für Gewicht auf der Antriebsachse. Perfekt.

Dieser filigrane Griff. Ein Klacken, und die Tür springt einem leicht entgegen. Der unverwechselbare Geruch eines 924 strömt in die Nase. Nicht unangenehm, eher ein automobiler Duft. Den teilt sich dieser 924 S mit allen Modellen der Baureihe. Er ist eines der späten S-Modelle und damit eine der seltenen Versionen mit 160 statt 150 PS. 1987 gefertigt. Klassisches Cockpit, gerade, horizontal ausgerichtete Flächen, vertikale Mittelkonsole, optisch ein T. Klarer geht es nicht. Drei Rundinstrumente. In der Mitte der 260-km/h-Tacho statt des bei Porsche sonst üblichen Drehzahlmessers. Der wartet rechts auf die Signale der Kurbelwelle. Bei 6.400 U/min beginnt der rote Bereich. Links das Instrument mit Tankanzeige und Motortemperatur. In der Mittelkonsole drei kleine Anzeigen: Öldruck, Uhr, Batterie. Kippschalter vom Golf I. Zündschloss rechts. Motorstart. Die Kolben des 2,5-Liter-Vierzylinders sammeln sich und entfachen bei 5.900 Umdrehungen der Kurbelwelle die höchste Leistung. 4.500 U/min reichen dem halbierten V8 des 928 S, um 210 Newtonmeter Drehmoment an das gut schaltbare 5-Gang-Getriebe zu schicken, das Kunden nur selten gegen die optionale 3-Gang-Automatik tauschten. Der große Vierzylinder ist das antriebstechnische Finale der Baureihe 924, deren Geschichte vor einem halben Jahrhundert begann.

Cayman T vs. 924 S: 1.350 kg leicht ist der crashsichere Mittelmotor-Porsche, 1.190 kg wiegt der 924 S, der Airbags und Euro. NCAP-Crashtests noch nicht kannte. Mit 1.276 mm (Cayman T) und 1.275 mm (924 S) sind beide Porsche praktisch identisch hoch.
Foto: THEODOR BARTH

Es war Anfang der 1970er-Jahre, als Porsche die Entwicklung startete. 1975 im Herbst hatten sie in Zuffenhausen alle Meilensteine der Produktentstehung abgearbeitet, und die Fertigung konnte beginnen – im Audi-Werk Neckarsulm. 125 PS standen den Käufern anfangs zur Verfügung. Gewonnen aus einem vorne eingebauten Vierzylinder-Einspritzmotor, dessen Basis auch den Audi 100 und den großen Volkswagen-Transporter LT antrieb. Weil die Porsche-Projektnummer 924 bekanntlich fast ein VW-Zeichen bekommen hätte. Zu oft wurde die Transformation des Volkswagen-Entwicklungsauftrags 425 zum Porsche-Projekt 924 erzählt, als dass wir sie noch einmal wiederholen müssen. Fakt ist, dass Porsche den EA 425 mit einem zeitlosen Karosseriedesign aus der Feder des jungen Designers Harm Lagaaij aerodynamisch bef lügelte. 23.240 D-Mark kostete dieser Sportwagen, den Porsche als »Familien-Sport-Kombi« bewarb.

Und das war nicht falsch: Der 924 hatte als 2+2-Sitzer quasi zwei fest eingebaute Kindersitze im Fond. Dahinter erschloss sich unter der Glaskuppelheckklappe ein 318 Liter großer Kofferraum. 514 Liter waren es mit umgeklappter Rücksitzlehne. Avantgarde mit hoher Alltagstauglichkeit und mehr Dampf, als die 125 PS und 165 Newtonmeter aus 1.984 cm3Hubraum vermuten ließen. 200 km/h schnell war die 1.080 Kilogramm leichte und 1.270 Millimeter niedrige Sportwagen-Flunder. Cw-W ert: 0,32 – damals sensationell gut. 9,9 Sekunden vergingen für den Sprint auf 100 km/h. Natürlich waren der eher kernige Sound und die Kraftentwicklung bei unteren und mittleren Drehzahlen keine wirkliche Offenbarung. Und doch machten die hohen, mit Leichtigkeit erzielbaren Reisegeschwindigkeiten und der in jenen Tagen auffallend niedrige Verbrauch den Porsche 924 schnell zum Bestseller. Verdammt gut ums Eck ging die Transaxle-Fuhre obendrein. Motor vorne, Getriebe an der Hinterachse, verbunden durch eine vierfach gelagerte Antriebswelle. Das Transaxle-System – eine Wortschöpfung aus dem englischen Transmission (Kraftübertragung, Getriebe) und Axle (Achse) – sorgte für eine nahezu ausgeglichene Gewichtsverteilung von 50:50 und damit für exzellentes Fahrverhalten.

Die Leistung des Porsche 924 bewegte sich zwischen anfänglich 125 PS im Grundmodell und 245 PS an Bord des auf 50 Exemplare limitierten 924 GTS.

1979 lud Porsche den Reihenmotor auf und setzte ihn fortan im parallel zum Basismodell angebotenen 924 Turbo ein. 170 PS machten den an seinen auffälligen zusätzlichen Lufteinlässen zu erkennenden 924 Turbo 225 km/h schnell. Damit tauchte der kleine Porsche mitunter sehr groß im Rückspiegel der Elfer auf. 7,8 Sekunden reichten nun für den Sprint auf 100 km/h. 245 Newtonmeter an der Hinterachse machten die optionale Hinterachsdifferenzialsperre damals zu einer guten Entscheidung. 1981 legte Porsche im 924 Turbo mit nun 177 PS und 250 Newtonmetern eine weitere Schippe drauf. In nochmals andere Dimen-sionen stieß im selben Jahr der 240 km/h schnelle 924 GT vor, der als Homologationsserie für die Gruppe 4 entwickelt wurde. Die Porsche-Ingenieure holten aus dem Turbomotor nun 210 PS und 280 Newtonmeter.

In der Rennversion entwickelte der 924 als GTS sogar 245 PS und 335 Newtonmeter. 1985 pf lanzte Porsche dem 924 dann den wie skizziert halbierten V8 des 928 S ein, der seit 1982 bereits den 944 antrieb. Drehfreudige 150 PS lieferte der 2.479 cm3große Vierzylinder bei 5.800 U/min im 924 S ab. Schon bei 3.000 U/min wuchtete er 190 Newtonmeter gen Hinterachse. Genügend Saft und Kraft, um den handgeschalteten Porsche 215 km/h schnell zu machen und nach nur 8,5 Sekunden die 100-km/h-Marke zu passieren. 1987 reichte Porsche zum furiosen Finale der Baureihe die 160-PS-Version des Vierzylinders nach. Die 100-km/h-Marke durchpf lügte dieser 220 km/h schnelle 924 nach nur 8,2 Sekunden.

Reihen- vs. Mittelmotor: Der 2,5-Liter-Vierzylinder-Sauger des 924 S arbeitet über der Vorderachse. Haube auf, Motor da. Den 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo des Cayman T hat Porsche unsichtbar hinter den Sitzen verbaut. Dafür gibt es vorne und hinten einen Kofferraum.
Foto: THEODOR BARTH

Zeitsprung: Der Cayman T ist das purste Modelle der Baureihe. Klassisches Cockpit, gerade, horizontal ausgerichtete Flächen, vertikale Mittelkonsole, optisch ebenfalls ein T und fast ein Spiegelbild des 991-Interieurs. Drei Rundinstrumente. In der Mitte der Drehzahlmesser, links der bis 280 km/h reichende Tacho. Rechts ein multifunktionales Digital-Display. Zündschloss links. Motorstart. Die Kolben des 2,0-Liter-Turbovierzylinders sind sofort wach und entfachen bei 6.500 Umdrehungen der Kurbelwelle 300 PS. 2.150 U/min reichen dem Boxer, um 380 Newtonmeter Drehmoment an das sehr exakt schaltbare 6-Gang-Getriebe zu schicken. Der Vierzylinder beschleunigt den lediglich 1.276 Millimeter hohen Cayman T in nur 5,1 Sekunden auf 100 km/h. Bei 275 km/h stoppt der Vorwärtsdrang. Damit ist dieser Cayman, ein Nachfolger des 924, auf dem Fahrleistungsniveau einer der größten Porsche-Ikonen aller Zeiten unterwegs: des 930 Turbo.

Den Alltag erleichtern indes die zwei Kofferräume in Front und Heck. Direkt hinter den Sitzen: der Mittelmotor-Boxer. Die zentrale Lage des leichten Vierzylinders und das Highend-Fahrwerk machen den Cayman zu einem der am präzisesten fahrbaren Wagen unserer Zeit. Zudem wird mit jedem Kilometer klarer, dass der Turbo gut zu diesem Wagen passt. Denn der aufgeladene Boxermotor bietet gegenüber dem kleinen Sechszylinder-Sauger des Vorgängers spürbare 90 Newtonmeter mehr Kraft. Der sanfte Druck des Turboladers lässt den Hubraum dabei von 2,0 auf gefühlte 3,0 Liter steigen. Wir würden ihn übrigens als Cayman Style Edition in »Sternrubin Neo« im Stil des 964 Carrera RS 3.6 mit dem »Kontrastpaket Weiß« bestellen – ein neuer Klassiker von morgen. :::

Rad der Zeit: Die 20 Zoll großen Carrera-S-Räder des Cayman T gehören zur Serienausstattung. Der 924 S kontert mit Klappscheinwerfern.
Foto: THEODOR BARTH