Roland Loewisch
· 23.02.2023
Fans sprechen bei der abnehmbaren Dachplatte des 924 gern vom »Targa-Dach« – dabei besaß keines der Porsche-Transaxle-Modelle jemals die klassischen Targa-Merkmale. Als Prototypen allerdings sehr wohl! Grund genug für eine Gegenüberstellung.
Man muss sich bloß mal in den einschlägigen Internetforen und Annoncenheften umschauen: »Porsche 924 Targa« hier, »Porsche 924 S Targa restauriert« dort, »Porsche 924 Targa Scheckheft Originalzustand« da drüben. Wenn man den Anzeigenauftraggebern etwas vorwerfen kann, dann ist es nicht, dass sie sich von ihrem Porsche trennen (obwohl allein das schon fast Frevel ist). Nein – viel auffälliger ist die Tatsache, dass sie falsch informiert sind oder informiert wurden. Denn offiziell gab es nie einen 924 Targa. Jedenfalls nicht zu kaufen. Doch das ist kaum bekannt.
Der märchenhafte Einstieg »Es war einmal …« ist hier trotzdem angebracht: Porsche-Ingenieure haben sich durchaus Gedanken darüber gemacht, ob das 911-Konzept eines Zwitters aus Coupé und Cabrio auch beim seit 1976 angebotenen kleinen Transaxle-Modell machbar sei. Ende der 70er-Jahre tüftelten die Experten an Lösungen bei den Typen 941 und 942 – anders ausgedrückt: 924 Linkslenker und 924 Rechtslenker. Auch für die Turbovariante Typ 931 sollte erforscht werden, was bei Exterieur und Interieur geändert werden müsste. Und wie sich die Fahrdynamik und die Aerodynamik mit einem echten Targa-Dach verändern würden. So entstanden diverse Prototypen – auch einer, bei dem die Dach- und Heckscheibenkontur so gestaltet ist, dass sich ein gläsernes Dach über die Heckscheibe schieben kann. Doch so ein Schiebedach war mechanisch und optisch unbefriedigend, außerdem schränkte es die Sicht nach hinten zu sehr ein, sodass »Typisierungsschwierigkeiten« erwartet wurden. Hinzu kamen eine unbefriedigende Steifigkeit der Karosserie, unerwünschte vertikale Radschwingungen und zu hohe Entwicklungs- und Werkzeugkosten.
Die wahre Targa-Lehre aber ist verbunden mit einem Bügel, einem abnehmbaren Dachteil und einem großzügig verglasten Heck. Auch sie wurde am 924 ausprobiert, und zuerst beim Entwicklungsauftrag 927/57 aus dem Jahr 1977. Da heißt es unter anderem: »Entwicklung des dynamischen Verhaltens der Karosserie des Typs 924 (Targa) im Hinblick auf Vibrationseinleitung und -Übertragung unter Einsatz neuartiger schwingungstechnischen Verfahren«. Der Targa-Bügel des gelben Prototypen ist – wie beim 911 – optisch deutlich hervorgehoben (siehe Foto auf der letzten Seite dieser Geschichte).
Die historische Dokumentation weist als Projektabschluss den 29.2.1980 aus. Der letzte Prototyp »P 924 Turbo A 17 T Targa, alpinweiß, Inv.Nr. 3546 FG-Nr. WPO ZZZ A 014 0003 – Baujahr 1979/80« soll ins Museumslager gewandert sein. Kurios: Heute gibt es das Auto nicht in der Sammlung. Stattdessen steht hier ein 924 Turbo Targa von 1981 – wohl der allerletzte Entwurf für einen Bügel-924. Nur wenig ist über das Auto bekannt: Es wurde 1981 als Serien-Coupé gebaut, besitzt einen Serien-Turbomotor, und aus Tarnungsgründen fehlen auf der Motorhaube die NACA-Öffnungen. Fakt ist, dass der Wagen lange nach dem eigentlichen Abschluss des Entwicklungsprojektes entstand.
Aktuell lässt sich dieser Widerspruch nicht klären. Obwohl kaum ein automobiles Archiv so perfekt und detailreich wie das von Porsche ist, klafft hier doch eine Lücke. Tatsächlich soll sich das Auto nur im Dachaufbau von üblichen Coupés unterscheiden. Ein bisschen ist der 924 zudem gefahren worden – genau 328 Kilometer weit, wie der Zähler es ausweist. Muss aufregend gewesen sein, denn der Ascher ist benutzt. Die Scheiben in den Türen sind nicht alltagstauglich fixiert, die Dichtungen sind schlecht geklebt, teils wild zusammengestückelt und damit deutlich improvisiert – wie das bei einem Prototyp eben so ist. Aber unter der textilen Innenverkleidung ist deutlich ein etwa 7,5 Zentimeter breiter Bügel zu ertasten, der die B-Säulen miteinander verbindet – von außen ist er fast nicht zu sehen, weil auch die Seitenscheiben (vorn und hinten) den Bügel verdecken.
Die beiden hinteren Seitenfenster ragen merkwürdig uninspiriert etwa drei Zentimeter in die Türen hinein, als Dichtungen zwischen Karosserie und vorderern Seitenscheiben sind dicke Gummiwülste angebracht. Von außen sieht man nur ein größeres und ein kleines mit Kunstleder bezogenes Dachteil. Letzteres befindet sich genau über den Rücksitzen und ist fest eingebaut.
Innen offenbart sich, wie die vordere, abnehmbare Dachplatte fixiert ist. Zum Lösen braucht man einen Spezialschlüssel, der 1:1 vom Porsche 911 Targa der Bügelserien bis zum 964 stammt: Der bedient vorn zwei und hinten zwei »Finger«, die in weißen Kunststoffhalterungen stecken. Mit dem Schlüssel werden die »Finger« aus den Laschen zur Seite gedreht. Das gibt das Dach frei – man muss es jetzt nur noch nach oben abheben, wobei sich vorn zwei Zapfen aus in den Scheibenrahmen gebohrten Löchern lösen. Nun kann es dank zweier großer Scharniere in den beiden dicken und wohl von Hand gefertigten Holmen – gesichert durch eine Verriegelung, die wie frisch aus dem Baumarkt wirkt – zusammengeschoben werden. Als Paket hat das Dach eine Breite von 60 Zentimeter, eine Länge von 45 Zentimetern und eine Höhe von 18 Zentimetern. Geschätzt wiegt das Dach etwa acht Kilogramm. Ein Mann kann es alleine handhaben.
Ist der Innenraum des Prototyps noch fast sozialverträglich im Tartanstil ausgekleidet mit blauen und roten schottischen Karos, wirkt der des Serienautos mit seinen hell- und dunkelbraunen Kästchen (Dessin Pascha) fast psychedelisch. Wir untersuchen jetzt nicht, ob die Musterwahl darüber hinweghypnotisieren sollte, dass der Motor von Audi, die Hinterachse vom Käfer, die Bremse vom K70, die Antriebswellen vom Typ 181 und die Türgriffe vom Golf stammen. Aber dafür nehmen wir jetzt das Dach der Serienversion auseinander. Und zwar wörtlich – denn die Dachplatte ist herausnehmbar, in der Serie ab Modelljahr 1977 eine bestellbare Option für 740 Mark inklusive Tasche.
Das GFK-Bauteil wiegt etwa fünf Kilogramm und ist nur deshalb nicht ganz unproblematisch zu handhaben, weil es allein von der Größe her etwas sperrig ist. Anders als beim Targa-Dach des Prototyps sind die beiden vorderen Verschlüsse hinter den hochgeklappten Sonnenblenden versteckt. Das Herauslösen ist denkbar einfach: Es müssen nur vier Laschen, an denen sich Haken befinden, und zusätzlich der Druckknopf an einem Sicherheitsband hinten mittig gelöst werden. Dann das Dach hinten anheben, nach hinten aus seinen Führungen im von Hand dank zweier Scharniere links und rechts verstellbaren Windabweiser ziehen und schließlich herausheben. Es findet Platz in einer Kunstledertasche, die in den Kofferraum passt. Eingebaut wird die nur 4,5 Zentimeter dicke Platte in exakt umgekehrter Reihenfolge.
Der fast jungfräuliche Wert von noch nicht mal 3.000 Kilometern auf der Uhr des Museums-Autos ist indes höchstwahrscheinlich kein Beleg für Unbeliebtheit des windigen Autos, sondern vielmehr ein Indiz für die Weitsicht, es in seinem ursprünglichen Zustand konservieren zu wollen. Zugegeben, der 924 wurde nicht unbedingt wegen seines abnehmbaren Dachs im Jahr 1977 zum bestverkauften Sportwagen der Welt. Aber angenommen wurde die Option gern, was die Ingenieure überzeugte, die Attraktivität des Wagens weiter zu erhöhen. So erhielt der Transaxle ab Modelljahr 1984 die zusätzliche Hubdachfunktion, mit der der Porsche 944 bereits glänzte: Die hinteren Befestigungen der Dachplatte erhielten statt Hakenlaschen gebogene und gezahnte Zungen, mit denen das Dach hinten elektrisch angehoben werden konnte. Vorteil: Luftregelung auch bei voller Fahrt.
Nachteil: Den sensationellen cw-Wert von 0,36 – zu seiner Zeit Weltrekord für Straßenfahrzeuge – dürfte der 924 so wahrscheinlich nicht mehr erreicht haben. Das störte wohl die wenigsten Kunden, denn – mit dem Zündschlüssel in der ersten Raststellung des Zündschloss – fuhren die gezahnten Laschen elektrisch per Knopfdruck ein; dabei wurden die beiden hinteren Halterungen entriegelt. So konnte man das Dach dann, wie vorher, einfach herausnehmen. Natürlich nur im Stand. Preis der innovativen Option: 1.490 D-Mark. Übrigens: Das Porsche-Museum hat nicht die Absicht, sich von dem 924-Targa-Prototyp zu trennen. Deswegen nehmen Sie die 924-»Targa«-Anzeigen nicht allzu ernst. Aber schlagen Sie trotzdem zu – das beinhaltet immerhin die Chance, dass die Autos dann zu Menschen gelangen, die wissen, was sie besitzen. Denn Märchen gehen immer gut aus …