Jürgen Lewandowski
· 23.03.2023
Nach dem Ende der sieggewohnten 935 und 936 begründete der 924 Carrera GT eine neue Rennwagen-Generation.
Der 924 Carrera GT ist selten zu sehen – er erblickte als eines der vielen Homologation-Specials des Hauses Porsche im September 1979 das Licht der Welt und wurde dennoch, trotz blendender Kritiken, von den Elfer-Fans nie so recht akzeptiert. Der Grund dafür war die Zahlenkombination 924 – drei Ziffern, die bei Porsche-Fans bis heute nicht wirklich zünden. Dabei rettete der 924 als 914-Nachfolger in seiner Bauzeit von 1976 bis 1988 mit insgesamt 150.684 gebauten Modellen so manche Porsche-Bilanz.
Heute, in Zeiten, in denen sich Porsche mit Baureihen wie dem 718, 911, Taycan, Panamera, Macan und Cayenne breiter denn je aufgestellt hat, kann man sich kaum vorstellen, dass es Zeiten gab, in denen der Elfer – das Herzstück der Legende – durch andere Modelle gerettet werden musste. Ohne den 356 C wäre der 911 nicht fertig geworden; ohne den 912 wäre der viel zu teure 911 wahrscheinlich zum Sargnagel des Unternehmens geworden; ohne den 914 – von dem rund 115.000 Exemplare gebaut wurden – hätte es keinen eigenen Vertrieb weltweit und kein preisgünstiges Einstiegsmodell in den USA gegeben, ohne den 924 samt seinen Derivaten 944 und 968 – von denen insgesamt mehr als 326.000 Exemplare gebaut wurden – hätte es keinen 914-Nachfolger gegeben, und ohne den Boxster hätte sich Porsche nicht von den wassergekühlten Vier- und Achtzylindern trennen können.
Und dennoch: Der 924 fristet bis heute ein Schattendasein – dabei gab es rasch leistungsstärkere Varianten wie den 924 Turbo und den mittlerweile rar gewordenen 924 Carrera GT, von dem für das Modelljahr 1981 exakt 406 Exemplare gebaut wurden. Der Grund dafür war wie so oft das Motorsportreglement, das für die Akzeptanz in dem Gruppe 4-Reglement 400 innerhalb von zwölf Monaten gebaute Modelle verlangte. Damit wollte Porsche einen Nachfolger für den Carrera RSR schaffen, der Porsche-typische Fahrleistungen brachte – und auf den Renn- und Rallyestrecken reüssieren sollte.
»Mit dem Wagen treten wir in Le Mans an«, raunte Designchef Anatole Lapine 1979 auf der IAA – Porsche hatte ein neues Eisen im Feuer.
Die Geburt des 924 selbst war kompliziert gewesen, denn VW hatte bereits Anfang der 70er-Jahre erkannt, dass der 914/4 mit seinen luftgekühlten Boxermotoren langfristig keine Abgasgesetze mehr erfüllen konnte – so wurde Porsche der Auftrag erteilt, für Audi ein Nachfolgemodell zu entwickeln, das mit möglichst vielen Gleichteilen aus dem VW- und Audi-Programm auskommen sollte.
Parallel dazu hatte Porsche bereits Mitte der 60er-Jahre begonnen, über einen »großen« Sportwagen nachzudenken, der mit bis zu 300 PS Komfort und ein großes Raumangebot vereinen sollte – und da man damals keinem Elfer-Nachfolger mit Heckmotor so viel Leistung zumuten wollte, war die Lösung ein vorne liegender Motor und ein an der Hinterachse montiertes Schalt- oder Automatikgetriebe. Um die strengen US-Crashtests zu bestehen, wurde das vorne liegende Triebwerk und das hinten montierte Getriebe mit einem etwa 1,5 Meter langen Stahlrohr verbunden, in dem die Kardanwelle rotierte – das Ganze erhielt den Namen »Transaxle«, und der Wagen sollte im März 1977 als 928 das Licht der Welt erblicken.
Man muss diese Vorgeschichte kennen, um den 924 und seine Genese zu verstehen, denn er profitierte von dieser Entwicklung – als VW für Audi einen preisgünstigen Sportwagen bestellte, hatte Porsche das Transaxle-System bereits verinnerlicht und musste nur noch in die VW- und Audi-Regale schauen und Teile wie Motorblock, Getriebegehäuse, Differenzial, Teile der Vorder- und Hinterachse sowie Teile der Bremsanlage herausnehmen und eine fesche Karosserie zeichnen. So ließ sich der Wagen unter der gewünschten Preisgrenze von 20.000 Mark produziere
Dann kam 1974 die Energiekrise samt autofreien Sonntagen und Geschwindigkeitsbegrenzungen – und der VW-Chef Schmücker wollte in diesen Zeiten keinen VW- oder Audi-Sportwagen haben. VW bot Porsche an, das Projekt für wenig Geld zu übernehmen – wo man zuerst abwinkt, denn der Elfer und der neue 928 ließen keinen Raum für eine dritte Baureihe. Dafür bot das Land Baden-Württemberg Unterstützung an, wenn das Werk in Neckarsulm weiter mit dem Bau des 924 ausgelastet und 5.000 Arbeitsplätze erhalten bleiben würden.
So kam Porsche zu seiner dritten Baureihe und einem preisgünstigen Einstiegsmodell, das zum Preis von 23.240 Mark angeboten wurde. Natürlich verkaufte sich der 924 blendend, aber es kam rasch die Forderung nach mehr Leistung auf, die 1979 mit dem 170 PS starken 924 Turbo erfüllt wurde, der zum stolzen Preis von 39.480 Mark insgesamt 1.991-mal verkauft wurde.
Aber noch immer hing dem 924 der Ruf eines verkappten Audi-Coupés an, weshalb man in Zuffenhausen immer öfter mit diversen Prototypen bei Rallys antrat – und dazu kam der Wunsch von Audi/Porsche USA, einen Wagen für die Wettbewerbe des Sports Car Club of America (SCCA) zu bauen. Nun begann man sich ernsthaft mit einem Homologationsmodell zu beschäftigen, das im September 1979 als Showcar auf der IAA zu bewundern war.
Außen schneeweiß, innen vollständig in rotes Leder gehüllt, ohne Rücksitzbank und mit roten Hosenträgergurten ausgestattet, vermittelte der mit kräftigen Kotflügelverbreiterungen versehene Showcar (Fahrgestellnummer 93A0140203) deutlich mehr Sportlichkeit als das Basismodell. Und als der damalige Porsche-Designchef Anatole Lapine dem Verkaufsdirektor Mike Cotton von Porsche Cars Great Britain zuflüsterte: »Mit dem Wagen treten wir in Le Mans an«, sprach es sich rasch herum, dass es die Stuttgarter ernst mit dem Motorsport und dem 924 meinten.
Die Pressemappe verkündete eine – gegenüber dem 924 Turbo – von 170 auf 210 PS gesteigerte Leistung, die mit einem Leergewicht von 1.000 Kilogramm für eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h sorgen würde. Und besonderen Wert legte man auf die Tatsache, dass die Achslastverteilung dank der Transaxle-Bauweise 50:50 betragen würde, was für ein exzellentes Handling sorgen würde.
Man kann heute ja sagen, dass der 924 Carrera GT auch geschaffen wurde, um nach dem Ende des 935 und 936 wieder einen neuen Rennwagen zu haben, der die Fahnen hochhalten sollte – der 956 sollte ja erst 1982 auf die Rennstrecken rollen.
Es galt nun, drei Varianten zu entwickeln: einerseits die Carrera-GT-Straßenversion und andererseits den Carrera GTS, der als 245 PS starker Rennwagen in einer Auflage von 50 Exemplaren zum Preis von 110.000 Mark konzipiert wurde. Das Werk sollte dann noch 17 Exemplare des 380 PS leistenden GTR bauen, der 1982 in Le Mans einen Klassensieg errang.
Der Carrera GT erhielt den Graugussblock des 924, der Kurbeltrieb stammte vom 924 turbo, dazu kamen geschmiedete Mahle-Kolben, eine geänderte Nockenwelle und verbesserte Tassenstößel. Die Mehrleistung resultierte aus einem großvolumigen Ladeluftkühler, der die komprimierte Luft um etwa 45 °C abkühlte und einem geänderten Ladeluftregelventil für höheren Ladedruck sowie einem größeren Turbolader. Dazu bekam der Wagen einen zusätzlichen Ölkühler im Fahrzeugbug verpasst. Die Kupplung stammte aus dem 911 – dazu wurde das Fahrwerk deutlich überarbeitet, und es kamen geschmiedete Fuchsfelgen der Größe 7 J
x 15 mit Reifen der Größe 215/60 VR 15 zum Einsatz.
Auf Wunsch wurden vorn Fuchsfelgen der Größe 7 J x 16 mit 205/55-VR-15-Reifen und hinten Fuchsfelgen der Größe 8 J x 16 mit 225/50-VR-16-Reifen geliefert.
Damit bot der 924 Carrera GT, der an seinen Kotflügelverbreiterungen und der großen Lufteinlasshutze auf der Aluminium-Motorhaube sowie dem Carrera-GT-Schriftzug auf dem vorderen rechten Kotflügel zu erkennen ist, sehr viel Fahrspaß: Tempo 240 war möglich, und der Spurt auf Tempo 100 geschah in 6,9 Sekunden, während die Bremsanlage des 911 Turbo 3.3 für die Verzögerung sorgte. Viel beeindruckender war jedoch das bis in hohe Geschwindigkeiten neutrale Fahrverhalten, das dem Transaxle-System zu verdanken war. Und bis heute gehört ein 924 Carrera GT in den Händen eines guten Fahrers zu den faszinierendsten Modellen aus Zuffenhausen. Fahrleistungen, die erst vom 944 Turbo, vom 968 Turbo und 968 Turbo S überboten wurden. Wie so oft bei Homologationsmodellen schränkte Porsche die Individualisierungs-Möglichkeiten stark ein: Im Innenraum kamen nur Sportsitze in Ganzstoff – Dessin »Nadelstreifen schwarz/rot« – zum Einsatz, dieser Stoff wurde auch für die Türverkleidungen gewählt. Und es gab den 924 Carrera GT, der zum Preis von 60.000 Mark rasch ausverkauft war, auch nur in drei Farben: Schwarz, Rot und Silber.
TECHNISCHE DATEN
Porsche 924 Carrera GT