Porsche-AusfahrtZeitloses Design

Christina Rahmes

 · 09.02.2023

Porsche-Ausfahrt: Zeitloses DesignFoto: Matthias Ziegler
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Er ist leicht und wendig, auf das Wesentliche reduziert. Eine Geschichte über Haltung und Nachhaltigkeit, Mut und Tatendrang. In den Hauptrollen: Eveline Schönleber, Chefin des Modeunternehmens MAC, und ein Porsche 356 A 1600 Super Speedster.

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Foto: Matthias Ziegler

Früher ist sie Marathon gelaufen, heute läuft sie barfüßig über den samtigen Marmorboden des Designstudios. Eveline Schönleber hat den Biss und das Durchhaltevermögen aus dem Leistungssport in ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin bei MAC mitgenommen. »Aufgeben käme für mich nie infrage«, sagt die 54-Jährige, die Modedesign in Florenz und New York studierte, anschließend im Abendstudium noch Betriebswirtschaftslehre. Dann hat sie sich als Produktmanagerin beim Modeimperium MAC in der Nähe von Regensburg in der Oberpfalz beworben, genauer gesagt in Wald, einem Ort mit weniger als 3.000 Einwohnern und 41 Gemeindeteilen. Einer davon ist Roßbach. Dort ist der Unternehmenssitz, und dort hat alles in den frühen 1970er-Jahren mit einer simplen Idee begonnen: der Idee zu einer perfekt sitzenden und trotzdem bezahlbaren Damenhose. Heute verkauft MAC mehr als sechs Millionen Damen- und Herrenhosen weltweit.

Der 356 als Markenbotschafter

Der damalige Geschäftsführer Maximilian Gansbühler förderte Schönleber von Beginn an und berief sie bereits als 30-Jährige 1997 in die Geschäftsführung. 2017 ist er verstorben, die beiden hat eine tiefe Freundschaft verbunden. Vor 17 Jahren schenkte Schönleber dem Firmengründer einen Porsche 356 A 1600 Super Speedster aus 1955. Nach monatelanger Recherche fand sie den Porsche in Florida und ließ ihn nach Deutschland verschiffen. Der Zustand des Fahrzeugs mit Vierzylinder-Boxermotor mit 75 PS war jedoch desaströs. »Also ließen wir den Speedster liebevoll restaurieren«, sagt Schönleber. »Wir haben uns für die Verwendung von natürlichem unbehandelten Leder und Holz entschieden, ohne Kunst- und Farbstoffe«, erklärt die Geschäftsführerin. Der Innenraum überzeugt durch Schlichtheit, die Lederhäute für die Sitze fand Schönleber beim italienischen Möbelhersteller Cassina. »Der Porsche ist Markenbotschafter unseres Unternehmens, trägt dezent unsere Website-Adresse und steht für zeitlosen Purismus«, fasst Schönleber zusammen.

Perfektion bis ins kleinste Detail. Die Affinität zu zeitlos schönem Design lässt sich auch an der Firmenflotte erkennen: VW Käfer, VW Bulli, Porsche 356. Drei ganz besondere Markenbotschafter für das Modeunternehmen aus Bayern.

Gemeinsam mit der dreifachen Mutter steht Simon Khasani, Creative Director MAC Menswear, im Kreativ- und Designstudio in Wurzeldorf, einen Steinwurf von der Firmenzentrale entfernt. Auch er trägt keine Schuhe, fühlt den samtigen Marmorboden. Wie Schönleber ist er fasziniert von der Formensprache des Porsche, davon, dass das Fahrzeug so zeitlos ist. »Den können wir auch in 100 Jahren noch ansehen, er wird nichts von seiner Perfektion verlieren«, sagt Khasani. Im Unternehmen ist er bekannt als der »Wassersparer«, schließlich tüftelt der Kreativdirektor ständig an nachhaltigen Konzepten. Da kommt es dann auch einmal vor, dass er Jeans-Waschungen mit Trockeneis probieren lässt. Oder mit speziellen Laserverfahren. »Wie unser Firmengebäude selbst ist auch unsere Philosophie eng mit der Natur verbunden. Deshalb experimentieren wir mit Hosen aus Gräsern, arbeiten mit recycelter Baumwolle, Biobaumwolle und beschäftigen uns mit dem Thema Upcycling«, erklärt Khasani. Für Letzteres gibt es eine eigene Kollektion bestehend aus Kissen, Taschen, Smartphone-Hüllen und Schlüsselanhängern. »Aber bei aller Nachhaltigkeit wissen wir auch, dass ein Produkt schön sein muss«, fügt er hinzu.

Die Natur gibt den Takt vor

Von der ersten Idee bis zur fertigen Hose vergeht in etwa ein Jahr. In diesen zwölf Monaten entstehen am Hauptsitz sechs Kollektionen für Damen und ebenso viele für Männer. »Jeder der 400 Mitarbeiter blickt dabei ins Grüne«, versichert Schönleber. Der Unternehmensgründer schaffte ein menschenwürdiges Umfeld; bis in die 1990er-Jahre ließ er alle Kollektionen in Nähereien in Deutschland fertigen. Schönleber führt sein Vermächtnis in seinem Sinne weiter, lässt ausschließlich in Europa produzieren, achtet die Umwelt und denkt an nachfolgende Generationen. Der Garten rund um die Zentrale misst 70.000 Quadratmeter und beherbergt 20 Bienenvölker, etliche Fledermäuse und eine seltene Lurchart. Die Architektur des Gebäudes ist lichtdurchflutet und weitläufig, die Büros sind sozusagen in die Natur integriert, sie spiegeln die Unternehmenskultur wider. Holz, Glas und Marmor geben den Takt vor. »Wir möchten, dass sich unsere Mitarbeiter wohlfühlen. Deshalb kommunizieren wir auch viel, haben flache Hierarchien und keine Angstkultur«, sagt Schönleber, die selbst kein eigenes Büro hat, sondern lieber die Nähe zu den Mitarbeitern sucht.

Puristisch und zeitlos ohne Handyempfang

Sie ist schnell und mutig, probiert Neues aus, ist wendig und stark. Vergleicht sich und die Firmenkultur selbst gern mit dem fahrenden Markenbotschafter Porsche, der sich den Titel mit dem VW Käfer und dem VW Bulli teilt. Aufgewachsen ist sie auf einem Bauernhof, sie braucht die Natur und Tiere zum Innehalten und Krafttanken. Morgens geht sie mit ihren zwei Berner Sennenhunden spazieren, vorbei an den eigenen Hühnern und Kühen, die sozusagen im heimischen Garten grasen. »Aber auch während der Arbeit suche ich gerne die Nähe zur Natur und gehe raus, das beruhigt und motiviert mich zugleich.« Dann steigt sie in ihren Porsche und fährt ins Designatelier um die Ecke. Ebenso wie die Firmenzentrale besticht das Gebäude durch viele natürliche Materialien. »Wie der Porsche ist auch unser Atelier absolut puristisch und zeitlos«, erklärt Schönleber, während sie durch die knapp 30 Jahre alten Räume führt. »Hier gibt es keinen Handyempfang, viel unbehandeltes Holz, einen Kräutergarten und den Porsche in der Scheune. Viel inspirierender kann ein Ort nicht sein«, sagt sie und lacht. Dann nimmt sie ein Muster von der Sofalehne und erzählt, dass sie Estonia und Alois Ruf vor einigen Jahren in Paris an einer Hotelbar kennenlernte. »Gemeinsam mit der Automanufaktur RUF haben wir kürzlich eine ›Driver’s Pant‹ entwickelt, eine Hose, die hinten etwas höher ist als vorne. Nach dem Aussteigen steckt das Hemd immer noch in der Hose.«

Der ikonische Speedster ist für das Modeunternehmen ein ganz besonderer Markenbotschafter, der die Werte teilt und würdig transportiert.

Schönleber geht durch die Tür nach draußen, betrachtet das Licht-und-Schatten-Spiel von Holz und Bäumen auf ihrem Porsche. Gleich wird sie einsteigen und nach Hause fahren, leicht und wendig, über schmale Straßen, die aussehen, als hätte sie ein Künstler mit dem Bleistift ganz fein in ein buntes Gemälde gezogen. Schon morgen wird sie wieder über die Hosen nachdenken, die es in einem Jahr zu kaufen gibt. Bis dahin zählen nur der Speedster, der Fahrtwind und die
Straße.


Porsche 356 A 1600 Super SpeedsterFoto: Matthias Ziegler
Porsche 356 A 1600 Super Speedster

TECHNISCHE DATEN

Porsche 356 A 1600 Super Speedster

  • Motor: Vierzylinder-Boxermotor
  • Hubraum: 1.582 cm3
  • Leistung: 75 PS bei 5.200/min
  • Getriebe: Vier-Gang-Schaltgetriebe
  • Drehmoment: 117 Nm bei 3.700/min
  • Beschleunigung: 14,5 s auf 100 km/h
  • Leergewicht: 760 kg
  • Verdichtung: 7,5:1
  • Radstand: 2.100 mm
  • Baujahr: 1955