Mercedes-BEnz@PorscheMuskel-Mercedes, gebaut bei Porsche

Marc Christiansen

 · 31.01.2023

Mercedes-BEnz@Porsche: Muskel-Mercedes, gebaut bei PorscheFoto: Daimler AG
Powered by

Die Entwicklungsgeschichte des Mercedes-Benz 500 E ist ein schönes Beispiel für 90 Jahre Porsche-Kundenentwicklungen, die Porsche Engineering in diesem Jahr feiert. Ein Blick zurück.

Zeitreise: einer von nur 500 der E 500 Limited aus der Sammlung des Porsche Museums am Platz seiner Entstehung, dem Rössle-Bau in Stuttgart- Zuffenhausen. Im Hintergrund: aktuelle Nachfahren mit Boxer-Saugmotoren.
Foto: Unternehmensarchiv Porsche AG und Mercedes-Benz Classic Archiv

Mit der Überschrift zitieren wir den Messebericht der Zeitschrift »Der Spiegel« (41/1990), weil nichts passender für den Wagen ist als diese Beschreibung. Die Geschichte des 500 E begann im Frühjahr 1988 mit einem Entwicklungsauftrag aus Stuttgart-Untertürkheim, bei dem die Daimler-Benz AG »die konstruktive und versuchstechnische Serienentwicklung einer W124-Limousine mit dem 326 PS starken 5-Liter-V8-Vierventilmotor M119« bei der Porsche AG beauftragte. Bei Porsche läuft der 500 E unter dem Arbeitstitel »Projekt 2758«.

Nur zwei Farben: Ab Juni 1993 wurde aus dem 500 E die E-Klasse und hieß fortan E 500. Die letzten 500 Exemplare nannte man E 500 Limited, sie wurden ab Herbst 1994 produziert und nur in Saphirschwarz oder Brillantsilber geliefert.

Nach dem Erfolg des kleinen Sport-Mercedes, des Typs 190 E 2.3-16 (W201), ausnahmslos im aerodynamischen Gewand daherkommend und mit einem Sechzehnventil-Zylinderkopf – einer Auftragsentwicklung der Firma Cosworth – aufwartend, war der Weg für eine hochkarätige Sportlimousine im schwäbischen Traditionskonzern geebnet. Zumal es auch Zeit wurde, denn auf dem Markt gab es bereits ähnliche Angebote: In München schickten sie seit Sommer 1985 einen 286 PS starken M5 ins Rennen, der grundlegend neu entwickelt ab August 1988 bereits über 315 PS verfügte. Und sogar mit Stern auf dem Kühlergrill gab es etwas für die leistungshungrige Gesellschaft. Der legendäre »The Hammer« 300 E 5.6 (Basis ebenfalls der W124) wurde ab 1987 von der Affalterbacher Tuningschmiede AMG mit starken 360 PS für wahre Connaisseurs feilgeboten und von der Fachzeitschrift »auto motor und sport« seinerzeit mit unglaublichen 303 km/h Topspeed gestoppt. Die Rufe in der Kundschaft nach einer Mercedes-Antwort wurden immer lauter.

Der 500 E verbindet den Komfort einer Reiselimousine mit den Fahrleistungen eines Sportwagens.

Warum sich Daimler-Benz dann nicht selbst um seine Speerspitze kümmerte? Zum einen befanden sich sowohl der neue SL (R129 – der mit dem ersten automatischen Überrollbügel) als auch die neue S-Klasse (W140) in der Hochphase der Entwicklung. Ursprünglich waren beide deutlich früher für die jeweilige Weltpremiere geplant gewesen. Die S-Klasse sollte auf der IAA im September 1989 stehen, jedoch gab es Mitte 1988 bei einer Vorstandsfahrt auf dem Hockenheimring große Probleme, der finale Entwicklungsstand wurde unisono von den Herren abgelehnt und als nicht kundentauglich bezeichnet. Einer der Hauptgründe: Man hatte für die – für damalige Verhältnisse unglaublich schwere – Zwei-Tonnen-Limousine weiterhin die Bereifung 215/65 ZR15 des Vorgängermodells vorgesehen, mit welcher der Wagen nur so durch die Pylonen eierte. Also hieß es nachsitzen, Rohbau anpassen, Fahrwerk modifizieren, und letztendlich, so wissen wir heute, feierte die S-Klasse mit großen 225/60-R16-Reifen auf dem Genfer Autosalon 1991 ihre Premiere.

18 Tage pro Fahrzeug: Jeder 500 E wurde in Zuffenhausen vormontiert, in Sindelfingen lackiert, anschließend in Zuffenhausen komplettiert und durchlief vor seiner Auslieferung die Endkontrolle in Sindelfingen.

Hinzu kamen aber auch weitere Umstände, wie die zu jener Zeit ebenfalls in der Entwicklung befindliche neue Motorengeneration für die 1990er-Jahre und die zudem teils schwierige interne Situation der noch immer aufgeteilten Standorte der Entwicklungsmannschaft. Einerseits in Stuttgart-Untertürkheim (aus Tradition) residierend, aber auch schon in Sindelfingen am neuen Campus ihrer Arbeit nachgehend. Im Porsche Entwicklungszentrum Weissach (EZW) wurde das Unmögliche möglich, die umfangreichen Karosseriemodifikationen, diverse Bauteilanpassungen, die Integration des großen V8-Motors sowie des Fahrwerks vom neuen SL und die gesamte Elektrik lagen in der Obhut der Weissacher. Für Porsche wie auch Mercedes war die Verwendung eines CAN-Bus-Systems für den Motor Neuland. Zudem wurde die Erprobung von dort aus geleitet, mit Ausnahme des sogenannten Dauerlaufs, der bei Daimler-Benz absolviert wurde. In Sindelfingen beziehungsweise Untertürkheim verblieben das Styling und die aerodynamische Entwicklung des 500 E, also die stilprägenden Gewerke.

Hölscher: »Der 500 E war das erste Projekt unter meiner Leitung, das in Serie gegangen ist.«

Insgesamt wurden 20 Versuchsfahrzeuge von Hand aufgebaut und in der Zeit von 1988 bis 1990 intensiv erprobt. Im Grunde handelte es sich bei dem Fahrzeugprojekt fast um eine Neuentwicklung. Zur Integration des Triebstranges mussten sowohl der Vorbau und dessen Längsträger als auch der Mitteltunnel zur Aufnahme des größeren, weil verstärkten Vier-Gang-Automatikgetriebes sowie das Fahrzeugheck zur Unterbringung der schweren Batterie (eines der Entwicklungsziele war eine Gewichtsverteilung von 50:50) und des größeren Differenzials der Hinterachse angepasst werden. Letzteres ist auch der Grund, weshalb der Wagen nur als Viersitzer angeboten wurde. Der Bauraum reichte durch die Rohbauanpassung nicht mehr für eine adäquate Polsterung des mittleren Sitzplatzes, befanden die Mercedes-Ingenieure. Die Bremsanlage und das Fahrwerk konnten vom neuen SL übernommen werden und waren damit auch für die auffälligen Kotflügelverbreiterungen vorn wie hinten verantwortlich, die wiederum ausschlaggebend dafür waren, dass die Nebelscheinwerfer nach unten in den vorderen Stoßfänger ausgelagert werden mussten. Der TÜV hat seine Auflagen; aufgrund der angewachsenen Fahrzeugbreite und eines maximal erlaubten Abstands des Scheinwerfers zur jeweiligen Fahrzeugaußenseite gab es nur diese Lösung.

Für den Entwicklungsprojektleiter Michael Hölscher war es seinerzeit sein erstes großes Projekt. Im Laufe seiner Karriere bei der Porsche AG war er unter anderem noch als Projektleiter für das direkte Anschlussprojekt, den Audi RS2 Avant, verantwortlich. Später zudem für das Opel-Zafira-Entwicklungsprojekt sowie für den Carrera GT und auch für den 918.

Die ursprünglich angepeilte Stückzahl lag bei nicht einmal der Hälfte der tatsächlich produzierten 10.479 Einheiten des Muskel-Mercedes. Dies und der Umstand, dass eine solch massiv veränderte und zudem für die Rohbaufertigung in Sindelfingen auch um ganze 5,6 Zentimeter zu breite Karosserie (durch die vorderen Kotflügel) unrentabel war, öffneten für Porsche ein weiteres lukratives Geschäft. Die fast durchweg in Handarbeit durchgeführte Produktion des Über-Sportwagens 959 war bereits ausgelaufen, und das Ende August 1988 eröffnete Werk 5 sollte fortan hochmodern und flexibel zugleich den 911 produzieren. Das sorgte für einen unliebsamen Leerstand im legendären Reutter-Bau, dem Werk 2. Für beide Parteien also von Vorteil, wurde die gesamte Produktion mit kleinen Ausnahmen in die Hände von Porsche übergeben.


TECHNISCHE DATEN

Mercedes-Benz 500 E

  • Motor: M119-Leichtmetall-V8
  • Hubraum: 4.973 cm3
  • Gemischaufbereitung: Bosch LH-Jetronic
  • Leergewicht: 1.700 kg
  • Maximale Leistung: 326 PS
  • Radstand: 2.800 mm
  • Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h

Aus Sindelfingen wurden ab Ende 1990 einzelne Baugruppen wie Vorbau, Heck, Hauptboden und Seitenteile angeliefert, die dann von Porsche angepasst und mit weiteren Serienbauteilen des W124 wie Dach, Türen, Motorhaube und Heckdeckel zu einer Rohkarosserie komplettiert wurden. Anschließend wurden diese per Lkw aus dem Reutter-Bau zur Lackierung nach Sindelfingen gesandt, um daraufhin erneut per Lkw zurück nach Zuffenhausen zur Montage gebracht zu werden. Es passten je Transport lediglich vier Karosserien in die Auflieger, was den regen Verkehr zwischen den Werken verdeutlicht.

Die Montage fand im Rössle-Bau auf zwei Stockwerken statt, wobei jedes Fahrzeug bis zu 20 Arbeitsstationen zu durchlaufen hatte. Der in Zuffenhausen fertig montierte 500 E wurde dann ins Werk Sindelfingen gebracht und durchlief abschließend die dortige Daimler-Benz-Endkontrolle. Insgesamt betrug die Produktionsdauer eines Wagens 18 Tage.

Nach Zahlung von mindestens 134.520 D-Mark und Einhaltung der obligatorischen 1.500 Kilometer Einfahrzeit konnte der stolze 500-E-Eigner nun einen echten Wolf im Schafspelz sein Eigen nennen. In knapp sechs Sekunden auf 100 km/h spurtend, ist das Ende der Fahnenstange erst bei 250 km/h erreicht, damals bereits elektronisch begrenzt. Es gab nicht wenige Kunden, die von der aufpreisfreien Sonderausstattung Code 260 »Typkennzeichen auf Heckdeckel – Wegfall« Gebrauch machten und so ihren Boliden inkognito spazieren fuhren oder aber mit einem profanen »200D«- oder »200«- Signet aufwarteten und auf den damals noch freien Autobahnen ihren Spaß an der Verwirrung anderer Verkehrsteilnehmer hatten.

Im April 1995 war Schluss mit der aufwendigen Produktion, bis zum Ende hin war die Nachfrage ungebrochen groß und die Tagesleistung der Produktion lag bei 20 Einheiten – ursprünglich war mit lediglich rund zehn geplant worden.

Sogar Alois Ruf nennt einen Mercedes 500 E sein Eigen. Im Jahr 1997 erwarb er einen mit 100.000 Kilometern in der Farbe Brillantsilber aus dem Jahr 1992 und nutzte ihn lange Zeit als seinen daily driver. Die Philosophie des Wagens passt für ihn perfekt – »Unauffällig im Auftritt, doch wenn es sein muss, geht er wie die Hölle«, darf man ihn zitieren. Mittlerweile ist der Wagen mehr als 400.000 Kilometer gelaufen und hat sich einen Ehrenplatz in seiner Sammlung am Firmensitz in Pfaffenhausen im Unterallgäu verdient. ::