Bastian Fuhrmann
· 09.02.2023
Was hat ein Porsche mit Kunst zu tun? Zwei Experten, der eine aus Köln, der andere aus Düsseldorf, legen für einen Moment alte Rivalitäten zwischen beiden Städten ab und gehen dem Mythos auf die Spur. Beide verbindet die Leidenschaft zu bedeutsamer Kunst und Sportwagen.
Dies scheint keine gewöhnliche Garage zu sein. An diesem Düsseldorfer Beton hängen keine Reminiszenzen an legendäre 24-Stunden-Rennen, geschweige denn Steve McQueen. Hier prangt hochkarätige Kunst: ein Original des »Enfant terrible« der deutschen Kunstszene, Jonathan Meese. Eine auf 30 Stück limitierte Edition von Sigmar Polke gleich daneben. Dann eine Arbeit des Berliner Künstlerduos Fort. Und mittendrin: ein Einzelstück. In Goldmetallic PTS. Das Kürzel steht für »Paint to sample«. Ein Farbmuster, das je nach Lichteinfall in cremigen Pastellfarben changiert. »Ein echtes Kunstwerk«, kommt es Michael Willms über die Lippen, während er mit den Händen die Flyline nachzeichnet. »Vor vier Jahren hat mich ein Freund aus England auf das Exemplar aufmerksam gemacht«, erzählt Willms.
Der 63-jährige Unternehmensberater und Kunstsammler ist besonders stolz auf diesen Porsche, den er inmitten einiger seiner gesammelten Kunstwerke platziert hat. Das 911 Turbo Cabriolet, Typ 930, gilt ganz offiziell als Farbmusterwagen. Sein goldenes Lackkleid ist damit einzigartig. Zumindest wenn es ein Sportwagen aus Zuffenhausen trägt. Porsche präsentierte ihn erstmals 1987 auf der Internationalen AutomobilAusstellung in Frankfurt am Main. Zu dem Turbo, der auf dem Messepavillon rechts vom Eingang ausgestellt war, gesellten sich noch weitere Zuffenhausener Unikate. Im Zentrum stand zwar die Neuvorstellung des G-Modell Speedster, doch ein 944-Turbo-Cup-Fahrzeug war genauso vertreten wie ein konstruierter Boots- und Flugmotor. Dann ein Indy-Fahrzeug, ein 911 Carrera, ein 911 Turbo Cabriolet in Flachbauweise und das Cabriolet von Michael Willms. Der Sammler weiß, welchen Schatz er hier hütet. Die Jahre des Suchens haben seinen Instinkt nur noch weiter geschärft, sowohl in der bildenden Kunst als auch im Bereich Automotive: »Frühe Unikate und Porsche-Werkswagen sind mein absolutes Faible«, sagt der leidenschaftliche Kunst- und Automobilliebhaber. Willms’ Haus gleicht einer Galerie: Hier stehen Skulpturen von Tony Cragg, dort Originale von Gerhard Richter.
Seelenfrieden: Willms’ Büro, das auch mit einer Bibliothek voller Automotive-Literatur aufwartet, ist seine persönliche Ladestation. Dokumente zu seinen Fahrzeugen verwahrt der ehemalige Formel-1-Berater hier ebenso sorgfältig.
Dafür greift er auch auf den Fundus und die Expertise des Kunstauktionshauses Van Ham 40 Kilometer weiter südlich zurück. Inhaber Markus Eisenbeis hat das Kölner Auktionshaus ins weltweite Radar von Künstlern und Sammlern gerückt. Willms ist dort Stammgast. Der eine Kölner, der andere Düsseldorfer. Doch für Kunst und Porsche verschwinden die alten Rivalitäten der beiden Städte am Rhein für einen Moment. Denn beide fahren 911. Also kein Alt gegen Kölsch. Kein Helau gegen Alaaf. In Sachen Kunst und Porsche ist man sich einig. Eine weitverbreitete Legende besagt, dass die Schlacht von Worringen 1288 der Auslöser für die über Grenzen hinweg bekannte Rivalität der beiden Städte war. Das 19. Jahrhundert schließlich, in dem Köln begann, die Vorteile als Hafenstadt zu nutzen, um so den Handel über den Rhein zu kontrollieren, und Düsseldorf das Nachsehen hatte, war der Grundstein einer Konfrontation, die bis heute spürbar ist. Aber nicht jetzt. Nicht hier.
911 verbindet. Kein Alt gegen Kölsch. Kein Helau gegen Alaaf. In Sachen Kunst und Porsche ist man sich einig. Die alte Rivalität zwischen Köln und Düsseldorf ist für diesen Moment nicht spürbar.
Zwei Kunstinteressierte treffen auf ihre Porsche-Leidenschaft. Ein Porsche-Enthusiast begrüßt den anderen. Willms parkt das »Paint to sample« neben dem 991 Cabrio der ersten Generation von Markus Eisenbeis. »Wow, diese Farbe!«, ereifert sich der Kunstkenner. »Man sieht zweifelsfrei sofort, woher mein 911 (Typ 991) Cabriolet stammt.« Eisenbeis liebt die Schnörkellosigkeit seines Elfers. »Es ist für mich das ultimative Spaßauto. Nach einer neuen Episode von Stefan Bogners ›Curves‹ reisen mein Sohn und ich immer per 911 durch die Alpen. Gibt es einen passenderen Sportwagen dafür als ein Cabriolet von Porsche? Wie der den Blick auf die Gipfel freimacht, einfach herrlich«, schwärmt Eisenbeis.
Eisenbeis’ Auktionshaus Van Ham ist erstmalig so richtig über den Rhein hinausgewachsen, als er sich um die Sammlung von Helge Achenbach kümmern musste. Rund 2.300 Gemälde, Skulpturen, Plastiken, Drucke und Fotografien des berüchtigten Kunstberaters kamen im Sommer 2015 unter den Hammer. Die wertvollsten Werke wurden bei Van Ham versteigert, darunter Arbeiten von Gerhard Richter und Jörg Immendorff. »Es war ein unvergessliches Abenteuer. Wir saßen in seinem Lager, um sämtliche Kunstwerke zu sichten, mitten zwischen Hunderten von Affen von Immendorf«, schwärmt der Auktionator heute noch. Vier Tage lang währte der Auktionsmarathon, der bis dato die größte Versteigerung zeitgenössischer Kunst in Deutschland war.
2015 wurde die Sammlung von Helge Achenbach bei Van Ham versteigert. Die Auktion ist bis dato die größte Versteigerung zeitgenössischer Kunst in Deutschland.
Willms verschafft sich schnell noch einen Überblick über anstehende Auktionen von Van Ham. Ein abschließender Plausch über das, was noch kommt, zwischen Skulpturen von Stephan Balkenhol. Draußen vor dem zeitlosen Bau des Architekten Klaus Müller und zwischen den Sportwagen ihrer Wahl verabschiedet sich der Sammler vom Auktionator. Das Ende der Pandemie ist in Sicht. Die Straßen warten. Willms startet den Boxermotor und macht noch etwas Lust auf den Rest seiner Automobilsammlung, in dessen Zentrum weitere Porsche stehen. »Meine Sammlung ist gut maintained. Allerdings brauchen meine Porsche nicht viel Arbeit. Ein Maserati hingegen… Starten Sie den mal, wenn der zwei Jahre gestanden hat. Die Gummis werden hart, der Wasserkreislauf wird undicht. Mein Leben ist geprägt von Kulturgut, Bildern, Skulpturen und Automobilen. Bis zum nächsten Mal«, verabschiedet sich der Porsche-Aficionado. Nächstes Mal. Zum Ersten. Zum Zweiten. Zum Dritten. Einen vierten Gang braucht man nicht in Köln. Und in Düsseldorf auch nicht.
TECHNISCHE DATEN
Porsche 911 (Typ 930) Turbo Cabriolet