Thomas Fuths
· 10.11.2022
Wir haben das günstigere Super E10 statt des für alle Wasser-Boxer empfohlenen Super Plus getankt. Funktioniert. Mehr regenerative Energie im Tank ist zudem gut für das Klima. Deshalb setzt Porsche künftig auch für Klassiker auf eFuels − gewonnen aus Windkraft. Eine Story über das Tanken − heute, morgen und übermorgen.
Der Porsche Taycan weist den Weg in die Zukunft. Wohin er führen wird, dieser Weg, ist ebenso spannend wie ungewiss. Vielleicht zum Fluxkompensator von Doc Brown. Eine Begegnung zwischen dem elektrischen Taycan und dem zurück aus der Zukunft herangeeilten DeLorean gab es ja schon. Doch trotz des Potenzials der elektrischen Energie: Das Ende der klassischen Verbrenner ist noch nicht in Sicht. Umso spannender ist ein Blick auf die Möglichkeiten, gegenwärtig und künftig möglichst günstig und nachhaltig zu tanken. Klar ist: Porsche-Motoren sind Hochleistungsaggregate. Die meisten Benziner der Sportler – zumindest seit Einführung der wassergekühlten Boxermotoren – sind deshalb auf den Kraftstoff Super Plus ausgelegt: Benzin mit mindestens 98 Oktan. Super Plus war schon immer teurer. Doch für die optimale Performance nahm man das gerne in Kauf. Seit dem Krieg in der Ukraine haben die Spritpreise jedoch ein Level erreicht, das schmerzt: Im Mai, an einem Tag kurz vor der sommerlichen Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe, lag der durchschnittliche Literpreis für Super Plus in Hamburg (stellvertretend für Deutschland) laut clever-tanken.de gegen 18:30 Uhr (die Werte schwanken in Echtzeit) bei 2,200 Euro. Der Durchschnittswert für Super E10 indes betrug 1,994 Euro. Die Differenz: 20,6 Cent pro Liter. Wer also an jenem Maitag 50 Liter Super Plus in seinen Porsche tankte, zahlte 110,00 Euro. Wer sich aber traute, Super E10 zu fahren, ließ 99,70 Euro von der Kreditkarte abbuchen – immer noch viel, aber eben gute 10 Euro weniger.
Um es klar zu sagen: Auch Porsche-Besitzer sind nicht scharf darauf, unsinnig Geld auszugeben. Selbst wenn die Preise durch die temporäre Senkung der Energiesteuer seit dem
1. Juni gefallen sind, wird das Problem am 1. September wieder da sein. Weshalb also nicht E10 statt Super Plus? Wäre nur logisch. Wenn da nicht dieser Kleber in der Tankklappe warnen würde: 98 ROZ – Super Plus. Damit stellen sich drei Fragen: Fährt sich der Wagen mit E10 und 95 Oktan schlechter? Verbraucht der Porsche mehr Kraftstoff? Verträgt mein Porsche E10? Starten wir mit der Performance und dem Verbrauch: Die Porsche-Experten halten sich mit Statements zum Thema »Super oder Super E10 statt Super Plus« zurück, da sie in Zuffenhausen und Weissach stets auf die optimale Performance setzen. Zudem sei der Verbrauch der Motoren optimal mit 98 Oktan synchronisiert. Das ist nachvollziehbar. Besonders für aktuelle Modelle. Doch mal ehrlich: Wer fährt mit seinem Young- und angehenden Oldtimer (die frühesten Boxster sind jetzt 26, die ältesten 996 25 Jahre alt) dauernd mit dem Messer zwischen den Zähnen über die Nordschleife? Eben! Die meisten Fahrer fordern gerade ältere Wagen nicht voll. Das Cruisen über geschwungene Landstraßen ist dann eher angesagt.
Porsche Klassik hat es auf jeden Fall probiert und einfach mal einen 986er Boxster zum Vergleich mit Super E10 betankt. Ergebnis: Unterschiede in Sachen Performance sind bei normaler Fahrweise nicht festzustellen. Und der Verbrauch? Subjektiv nahezu gleich; objektiv ist ein Mehr- oder Minderverbrauch indes gar nicht so einfach zu ermitteln, da es dazu identische Normrunden im ebenfalls identischen Realverkehr bräuchte. Das ist in der Praxis unmöglich. Der ADAC hat zumindest die Effizienz des »normalen« Super (E5) gegenüber E10 auf dem Prüfstand verglichen. Mit Super E10 im Tank verbrauchte der Testwagen 1,5 Prozent mehr. Selbst wenn wir diesen Wert mit dem Blick auf das Super Plus großzügig auf 3,0 Prozent verdoppelten, ist Super E10 immer noch um 15 Cent pro Liter günstiger (Stand Hamburg, 9. Mai 2022) als Super Plus. Der Mehrverbrauch hält sich also in Grenzen, zumal der eigene Fahrstil hier die deutlich größere Variable ist. Übrigens: Die CO2-Emissionen wurden mit E10 beim Test des ADAC um 0,9 Prozent reduziert! Fragt sich, welche Porsche-Motoren die bis zu 10 Vol.-% Bioethanol des E10 vertragen? Dazu gibt es von Porsche eindeutige Aussagen, da das Unternehmen bereits im Mai 2012 eine Herstellerfreigabe veröffentlicht hatte, die – mit einer etwas später folgenden Ergänzung – auch heute noch Bestand hat. Sie schafft absolute Klarheit. Hier der Wortlaut, für welche Modelle es eine E10-Freigabe gibt:
»Alle in der obenstehenden Tabelle aufgeführten Fahrzeuge sind E10-verträglich. Hierfür sind keinerlei Anpassungen, Umbauten oder Software-Änderungen an den Fahrzeugen erforderlich.« Zudem heißt es in einem Update der Herstellerfreigabe: »Ab Modelljahr 2013 ist die E10-Verträglichkeit in der jeweiligen Fahrzeug-Betriebsanleitung aufgeführt.« In der Betriebsanleitung all dieser Porsche ist übrigens auch dokumentiert, dass die Motorsteuerung selbst erkennt, ob 98 oder 95 Oktan getankt werden. Beim Boxster 986 steht zum Beispiel: »Bei Verwendung von bleifreien Superkraftstoffen mit Oktanzahlen von mindestens 95 ROZ/MOZ 88 erfolgt die Anpassung der Zündeinstellung automatisch durch die Klopfregelung.«
Und alle anderen, sprich älteren Modelle? Auch hier gibt es in dem Dokument eine unmissverständliche Aussage von Porsche: »Alle in dieser Tabelle nicht aufgeführten Porsche Serienfahrzeuge seit Modelljahr 1948 sind nicht E10-verträglich und dürfen weiterhin ausschließlich mit den Kraftstoffen betrieben werden, die in den jeweiligen Betriebsanleitungen angegeben sind und die über maximal 5 Vol.-% Bioethanol verfügen.«
Für alle Porsche-Sportwagen mit wassergekühlten Boxermotoren bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass Super E10 im Hinblick auf den Preis und die CO2-Emission ganz eindeutig eine praxistaugliche Alternative zum Super Plus ist. Doch in Sachen CO2 ginge noch mehr, könnten wir bereits flächendeckend sogenannte eFuels tanken. Sie wären zudem auch für luftgekühlte Boxer und die Transaxle-Modelle die nachhaltigere Kraftstofflösung. EFuels sind nahezu CO2-neutrale Kraftstoffe, die aus erneuerbaren Energien wie Windkraft gewonnen werden. Porsche fördert deshalb gezielt die Entwicklung und den Einsatz dieser eFuels. Dazu Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner: »Angesichts des hohen Bestandes an Fahrzeugen – weltweit rund 1,3 Milliarden – erfolgt der Hochlauf der Elektromobilität nicht schnell genug, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Auch entwickeln sich die verschiedenen Regionen auf der Welt nicht im gleichen Tempo in Richtung Elek-tromobilität, sodass auch in Jahrzehnten noch Autos mit Verbrennungsmotoren unterwegs sein werden.« Porsche ergänzt dazu in einer Pressemeldung: »Mit nahezu CO2-neutral hergestellten Kraftstoffen könnten also auch Bestandsfahrzeuge einen Beitrag zur schnellen CO2-Reduktion leisten.«
Vor diesem Hintergrund fiel im September 2021 der Startschuss für den Bau der ersten von Porsche initiierten Fabrik für die Produktion der eFuels. Porsche skizzierte dazu: »Das Gemeinschaftsprojekt ›Haru Oni‹ von Porsche, Siemens Energy und weiteren internationalen Partnern ist die weltweit erste integrierte und kommerzielle Großanlage zur Herstellung dieser synthetischen, nahezu CO2-neutralen Kraftstoffe. Es nutzt die optimalen klimatischen Bedingungen für Windenergie in der südchilenischen Provinz Magallanes, um mit Hilfe von nachhaltig erzeugtem Strom synthetisches Benzin zu erzeugen.«
Der Porsche-Vorstandsvorsitzende Oliver Blume erläuterte im »Handelsblatt« und im Porsche-Newsroom: »Wir wollen die synthetischen Kraftstoffe dort herstellen, wo nachhaltige Energie unbegrenzt verfügbar ist. Zum Beispiel in unserer Pilotanlage im Süden von Chile. Dort weht fast das ganze Jahr über starker Wind. Perspektivisch halten wir Preise von unter zwei US-Dollar pro Liter für realistisch. Und dann wird es interessant. Wir sehen uns als Pionier nachhaltiger Mobilität. Mit Fokus auf E-Mobilität, sinnvoll ergänzt durch eFuels. Diese stehen nicht im Konflikt zueinander.«
Klar, das Projekt ist erst ein Anfang, doch jeder Weg beginnt mit solchen ersten Metern. Schon ab Mitte dieses Jahres soll die Pilotanlage rund 130.000 Liter eFuel erzeugen. Und die wird Porsche komplett abnehmen, um den Kraftstoff zunächst vor allem bei Motorsportaktivitäten zu nutzen. Langfristig will Porsche die eFuels für die Serienmodelle mit Verbrennungsmotor einsetzen – und natürlich ebenfalls für das Gros aller Klassiker. Selbst die Verwendung in Urmodellen wie dem 356 wird geprüft. Schon 2024 sollen es etwa 55 Millionen Liter und ab 2026 gar 550 Millionen Liter werden. Unterstellen wir mal, ein Oldtimer wird rund 4.000 Kilometer im Jahr bewegt und verbraucht im Schnitt 12,0 l/100 km, würde diese Menge per anno immerhin schon für etwa 1,15 Millionen historische Porsche reichen. Das ist weitaus mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Den Entstehungsprozess des eFuels erklärt Porsche wie folgt: »Das sind Kraftstoffe, die mit Hilfe von elektrischem Strom aus Windenergie hergestellt werden. Per Elektrolyse wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) zerlegt. Der Wasserstoff wird dann mit aus der Luft gewonnenem CO2 zu eMethanol verarbeitet. Daraus wird im nächsten Schritt, der sogenannten Methanol-to-gasoline-Synthese, ein synthetisches Rohbenzin, das zu einem normgerechten Otto-Kraftstoff verarbeitet wird, der in allen Benzinmotoren verwendet werden kann.« Alle, die schon befürchteten, den Kraftstoff für den Klassiker irgendwann wie zu Beginn der Automobilität in der Apotheke kaufen zu müssen, können also ein wenig aufatmen. Selbst Walter Röhrl ist begeistert: »Es ist eine große Hoffnung für mich, dass ich alte Autos in Zukunft ohne ein schlechtes Gewissen fahren kann, weil ich sie mit eFuels betreibe. Ein 50 Jahre altes Auto mit eFuels betankt – das ist Nachhaltigkeit pur.«
Ein weiteres Porsche-Pilotprojekt mit erneuerbaren Kraftstoffen erinnert schließlich wirklich an den Fluxkompensator des »Zurück-in-die-Zukunft«-DeLorean und an die Szene, in der Doc Brown Bananenschalen hineinwirft, um Marty McFly und seine Freundin mit auf die nächste Zeitreisemission zu nehmen: Kraftstoff aus Bioabfällen. Die Sportwagen des Porsche Experience Center am Hockenheimring werden seit Mai 2022 mit einem synthetischen Biokraftstoff gefahren, der zum größten Teil in der Tat auf biologischen Abfallprodukten basiert. Langsam, aber sicher nähern wir uns also dem Fluxkompensator. Der befindet sich nur noch nicht an Bord der Fahrzeuge, sondern in Pilotraffinerien. Wäre cool, wenn es noch schneller als prognostiziert gelingen würden, die Kapazitäten für BioFuels und eFuels hochzufahren. Bis dahin versorgt zumindest der Autor dieser Geschichte jenseits der Rennstrecke den wassergekühlten Boxermotor mit Super E10. Und irgendwann mit eFuel – übrigens auch dann, wenn er deutlich teurer ist als E10. Denn diesen Preis für die Umwelt sollten wir gern zahlen.