Thorsten Elbrigmann
· 24.04.2023
Spaß neu definiert: Das ist der Porsche 914. Als Vierzylinder ein heute noch erschwingliches Modell, aber eines mit Fußangeln! Ein paar Tipps, damit der Kauf nicht zur Falle wird.
Mit fünfzig gilt man als im Leben angekommen und betrachtet zufrieden die grauen Schläfen im Spiegel. Die Zeiten mit Vokuhila-Frisur und anderen Geschmacksverirrungen sind lange vorbei. Man hat sich und seinen Stil gefunden, prostet dem eigenen Spiegelbild zu mit einem feinen Whiskey und murmelt dabei: »Also dann: Auf die nächsten fünfzig Jahre, du geiler Typ!« Noch kurz die Fliege geradegezupft, dann geht man hinunter in den Salon und taucht ein in die eigene Geburtstagsparty. Auch Autos werden fünfzig. Und wenn es ein Fahrzeug im Porsche-Kosmos gibt, das sich mit Recht zuprosten könnte, dann ist es der Porsche 914. Er wurde nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wie sein gleichaltriger Halbbruder 917 oder galt schon bald als Ikone wie Onkel 356 oder Überbruder 911. Er war vielmehr das ungeliebte Kind, zerrieben zwischen den sich streitenden Eltern Porsche und Volkswagen und wohl deshalb ein Rebell, der sich mit dem Gernegroß Opel Manta oder einem nassforschen Ford Capri von Ampelstart zu Ampelstart schlug.
In Deutschland wegen des Volkswagen-Zeichens am Heck nie richtig ernst genommen, fristete er ein Mauerblümchendasein. Sein konsequentes Design, das in vielerlei Hinsicht mit dem brach, was man von Porsche kannte, tat ein Übriges zum Außenseiterimage. Dabei hat er einen großartigen Beitrag zur Geschichte der Marke geleistet. Denn mit dem Porsche 914 öffnete sich Porsche, ging weg von der »Ein-Modell-Politik«. Löste der 911 noch den 356 ab, so wurde der 914 nun zur Abrundung einer sich abzeichnenden Modellpalette, die heute in voller Breite Porsche in allen Klassen lebt. Und der 914-Erbe 718 ist als Cayman und als Boxster der Einstieg in diese Welt. Die kurze Bauzeit des Porsche 914 von 1969 bis 1975 erscheint uns heute farbenfroh, experimentell, aufregend – und der kleine Mittelmotor-Sportler mit Blick auf die heutigen Preise erreichbar.
Der Porsche 914 war der Urknall zur Erweiterung der Porsche-Modellpalette. Sein Beitrag zur Entwicklung der Marke kann deshalb nicht hoch genug angerechnet werden.
Nur schnell sollte man sich einen Porsche 914/4 sichern, denn die Preise dürften steigen. Doch: Man muss erst mal einen bekommen! Grundsätzlich gilt, dass Porsche 914 gern in ihrem Leben verbastelt wurden. Und gerade deutsche Modelle haben mit mehr oder weniger schweren Rostschäden zu kämpfen. Die betreffen (von vorn nach hinten betrachtet) insbesondere die Region um die Klappscheinwerfer, die Aufnahmen der Vorderachse, die A-Säulen, den Scheibenrahmen, die Schweller, die Türunterkanten, den Targabügel im Bereich des Knicks zu den Kotflügeln bis unterhalb der Griffmuscheln, die Aufnahmen der Hinterachse, oft die Region unterhalb der Batterie und die Bereiche um die Heckleuchten. Das klingt viel – und das ist es leider auch. Der 914 hat angeschweißte Kotflügel und eine Karosserie, die so filigran wie die eines Rennwagens ist. Das macht Reparaturen nicht leicht. Zwar gibt es nur wenige Hohlräume, doch gerade Reparaturen im Bereich Targabügel haben es in sich! Reparaturbleche gibt es so gut wie keine. Und Ersatzteile sind selten und teuer. Deshalb gilt: Die Blechbasis muss stimmen! Ansonsten wird der Porsche 914 zur Kostenfalle. Wer schon beim Karosseriecheck ist: auf jeden Fall das Ersatzrad und die hintere Kofferraummatte herausnehmen! Die sehr geraden Bleche darunter sollten nicht den geringsten unregelmäßigen Knick haben. Das wäre ein Hinweis auf einen Unfallschaden, der in der zarten Karosserie schwere Schäden hinterlassen haben könnte. Ungleiche Spaltmaße hingegen sollte man nicht ohne weitere Hinweise überbewerten: die waren ab Werk (Karmann Osnabrück) nicht so gut. Oft hängen die Türen, was auf ausgeschlagene Bolzen hinweist.
Doch das wie auch mechanische Ausfälle sind lösbare Aufgaben. Der Porsche 914 hat zum Beispiel eine chronisch schief ziehende Handbremse und eine empfindliche Schaltung. Hier gilt: Alle Teile müssen stramm und neu sein, ansonsten gelingt die Einstellung nicht. Buchsen, Umlenkhebel und anderes lässt sich aber bei Porsche oder auch bei spezialisierten Teilehändlern wie zum Beispiel Mittelmotor beschaffen. Beim Motor gilt: Großserie von Volkswagen, keine argen Probleme. Zwar ist der Typ-4-Block, der auch den 914 befeuert, inzwischen nicht mehr an jeder Ecke zu finden, doch die Gehäuse gelten als solide. Zylinder und Kolben gibt es neu zum Beispiel bei B.A.S. Ahnendorp – und selbst die Einspritzanlage und Zündanlage kann man dort bekommen, – zwar nicht originalgetreu, aber dafür haltbar und modern. Die alte elektronische Bosch-Einspritzung im 914 ist nämlich ein echter Dinosaurier. Solange alles läuft: super! Doch wenn ein Fehler eintritt oder ein Teil defekt ist, wird es kompliziert.
Die sonstige Elektrik ist sehr übersichtlich. Mit einem Schaltplan und etwas Talent bekommt man die schnell in den Griff. Nicht verzweifeln sollte man an der Einstellung der Klappscheinwerfer. Die funktionieren elektrisch und haben gern Probleme mit ungleichmäßigem »Augenaufschlag«. Mitunter fahren sie gar nicht mehr ganz aus. Weitere Probleme sind Undichtigkeiten vom Anschluss des Targadaches, von der Frontscheibendichtung (der Wechsel ist keine schöne Aufgabe) oder von nicht mehr gut schließenden Kurbelfenstern her. Die sollten schön leichtgängig funktionieren!
Viele Fans suchen ihr 914-Heil in Importen aus den USA. Autos von dort haben fast immer die ziemlich gewöhnungsbedürftigen Gummi-Stoßstangen. Wer auf verchromte Exemplare umrüsten will: Das geht problemlos. Aber man muss erstmal welche finden! Die Nachbauten aus Edelstahl muss man wollen, denn die sehen im Glanz eben doch immer etwas anders aus als Chromstoßstangen. Immerhin: Es gibt sie. Kostenpunkt ab etwa 1.800 Euro pro Set. Und wie sieht es sonst aus mit den US-Importen? Um das herauszufinden, haben wir uns mit Thomas Bernaschek von ABC-Classics im Lenkwerk in Bielefeld verabredet. Der versierte Händler hatte nämlich einen Porsche 914 aus Sammlerhand übernommen, ein ganz spätes Modell von 1975 mit nur 88 statt 100 PS trotz zwei Litern Hubraum. Womit wir schon zu Unterschieden bei den US-Modellen kommen: Die Abgasentgiftung schmälert hier bei den Modellen 1974/75 die Leistung. Und auch der Anschluss der Wärmetauscher ist anders als bei europäischen Modellen. Die Elektrik umzuswitchen ist kein großer Akt. Das bestätigt auch unser Kfz-Sachverständiger von der GTÜ, Dipl.-Ing. Jörg Sandmüller. Er hat schon viele Re-Importe aus den USA begutachtet.
»Unserem« 914 bestätigt er eine sehr gute Blechsubstanz. Und doch findet er kurz oberhalb der Schlossfalle der rechten Tür eine kleine Anrostung – und eine Durchrostung in den Tiefen des Motorraumes unterhalb der Batterie. Die Zweitlackierung ist für US-Verhältnisse gut. Kleine Dellen und Kratzer gehen in Ordnung. Thomas Bernaschek weiß viel zur Historie des Fahrzeugs: Der erste Besitzer hat den Wagen 1975 in Zuffenhausen abgeholt und erst mal eine Europatour damit gemacht, bevor er ihn mit heimnahm in die USA. Davon zeugen ein authentischer D-Aufkleber und ein ebensolcher Großglockner-Aufkleber am hinteren Fenster. Umfangreiche Unterlagen dokumentieren die Geschichte des kleinen Flitzers, sodass auch der Gutachter am Ende wohlwollend nickt – und eine 3+ erteilt. Durchrostung bleibt Durchrostung und führt zu einer satten Abwertung.
Die Blechsubstanz entscheidet über das Wohl und Wehe eines Porsche 914, der leider in einer Ära gebaut wurde, als Porsche noch nicht die Karosserien verzinkt hat.
Diese Kurzbegutachtung zeigt: Auch ein US-Exemplar mit feiner Historie ist nicht automatisch ein Einser! Wer sich mit dem Porsche 914 auseinandersetzt, sollte sich vor einem Kauf mit Experten z. B. vom VW Porsche 914 Club Deutschland e.V. vernetzen. Eine gute Gelegenheit dazu ist das erste Juni-Wochenende. Denn da ist das große Internationale Treffen der Porsche 914! Alle Infos hierzu unter www.914-club.de.
TECHNISCHE DATEN (US-MODELL)
Porsche 914/4 2.0 l 1975
Wir danken der Firma ABC-Classics für die freundliche Unterstützung bei der Entstehung dieses Artikels.