FamilientreffenHoliday on Eis

Christina Rahmes

 · 08.03.2023

Familientreffen: Holiday on EisFoto: Theodor Barth
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Mit dem GP Ice Race holten Ferdinand Porsche und Vinzenz Greger das »Wilde von früher« zurück nach Zell am See, dorthin, wo Wintersportler gern urlauben. Mit Eisrennen, Skijöring und viel Gaudi auch abseits der Piste.

Skijöring at its best: Lino Zanussi pilotiert den Porsche 2.7 RS, im Schlepptau hat er Alessandro Cunico, der seine Skikleidung gegen den Rallyeanzug seines Vaters Franco Cunico tauschte.
Foto: Theodor Barth, Tim Adler (2), Archiv (1)

Das Früher, in dem alles wilder als heute gewesen sein soll, liegt noch kein halbes Jahrhundert zurück. Klar, die Partys von damals kann man nicht nachfeiern, aber man könnte den Motorsport wieder ganz nah an die Fans bringen. Mit Urlaubsstimmung in kitschigem Alpenpanorama, entspannter Atmosphäre im Fahrerlager und coolen Beats an der Strecke. Vor allem aber mit spektakulären Rennen auf einer Eispiste.

»Nirgendwo auf der Welt treten Amateure gegen Le-Mans-Gewinner an, nur hier bei uns«, sagt Ferdinand »Ferdi« Porsche, während er am alten Flughafen den 600 Meter langen Track gegen den Uhrzeigersinn und somit in Fahrtrichtung abläuft. An seiner Seite: Vinzenz Greger von Greger Porsche Classic Cars. Die beiden sind Freunde, Motorsportenthusiasten und Veranstalter des GP Ice Race. »Jedes Mal, wenn uns Rennfahrerlegenden wie zum Beispiel Hans-Joachim ›Strietzel‹ Stuck Geschichten von früher erzählten, waren wir traurig, dass wir die vermeintlich wilde Zeit des Motorsports verpasst haben«, erklärt der gebürtige Franke Vinzenz. »Deshalb war das Comeback des Eisrennens die vielleicht coolste Idee, die wir je hatten.« Gleichzeitig auch eine der größten Herausforderungen. Es ist Donnerstagmittag, die beiden sind angespannt, scrollen durch ihre Wetter-Apps. Es soll regnen und wärmer werden. Das Eis auf der präparierten Piste misst im Moment 40 Zentimeter, das sei gut, aber auch limitiert für 135 Teilnehmer mit Spikereifen und 20 Showfahrten. Am Sonntagabend werden sie erleichtert sein. Dann nämlich wissen sie, dass ihr GP Ice Race erneut ein voller Erfolg war, das Eis den Spikes standhielt und die Zuschauer begeistert waren von den Rennen in acht Wettkampfklassen, allen voran vom Skijöring.

»Der Motorsport gehört zu Zell am See wie die Passstraßen zu den Bergen. Nach 45 Jahren haben Vinzenz und ich ihn zurückgeholt. Auch zu Ehren meines Urgroßvaters.« Ferdinand Porsche

Siebzig Kilometer Luftlinie entfernt vom Austragungsort liegt Gmünd in Kärnten, Geburtsort des Porsche 356 Nr. 1 Roadster, des ersten Fahrzeugs mit dem Namen Porsche. Dort wurde 1948 der Mythos der Marke begründet. Nicht weit weg beginnt die Großglockner-Hochalpenstraße, die höchste Passstraße Österreichs. Zell am See ist Heimat der Familie Porsche, zum Schüttgut, dem Familiensitz, sind es 20 Minuten Fußweg. Bereits 1937 zogen Motorradfahrer waghalsige Skifahrer an einem Seil über den Zeller See, damals, als dieser sicher noch jeden Winter zufror. Ab 1952 hieß die Veranstaltung »Prof. Porsche Gedächtnis-Eisrennen«, Porsche schickte von Beginn an die schnellsten Eisrenner des Hauses, erst 356, später die Mittelmotorrennwagen 550 Spyder. 1974 wurde das Rennen wegen eines Unfalls kurzfristig abgesagt. Fast war er also vergessen, der Motorsport von damals im österreichischen Pinzgau. »Nach 45 Jahren haben Vinzenz und ich ihn zurückgeholt. Auch zu Ehren meines Urgroßvaters«, erzählt Ferdi, Enkel des Firmengründers und Urenkel des Technikpioniers über das Traditionsrennen, das er und Vinzenz 2019 wieder zum Leben erweckten. Mit 1.000 Besuchern hatten sie gerechnet bei ihrem Debüt, mehr als 8.000 kamen. 2020 schon doppelt so viele. Die Motorsportwelt habe sich danach gesehnt, in einer Zeit, in der sonst nicht allzu viel passiert, ihre besonderen Autos aus der Garage zu holen und Spaß zu haben, sind sich die Veranstalter einig.

Die Atmosphäre im Fahrerlager ist entspannt, fast herrscht dort Urlaubsstimmung. Für viele Profirennfahrer, die teilweise mehr als 50 mal pro Jahr im Flugzeug sitzen und bei zig Rennen starten, ist das Wochenende in Zell am See Erholung pur, sie genießen den Abstand vom hektischen Treiben auf der Rennstrecke, unterhalten sich mit Fans und Kollegen. Es hat was von Familientreffen, wenn Porsche-Werksfahrer Marc Lieb und sein Vater Hans-Peter Lieb dort starten oder die Brüder Philipp und Richard gemeinsam mit Vater Christian Lietz in verschiedenen Klassen antreten. »Das GP Ice Race bringt Rennfahrer, Motorsportfans und ganze Familien nach Zell am See, eine tolle Veranstaltung. Eisfahren macht riesig Spaß, für uns Fahrer und die Fans«, fasst Timo Bernhard, Porsche-Markenbotschafter und Rennstallbesitzer, zusammen. Gemeinsam mit Jörg Bergmeister, einem der erfolgsreichsten Sportwagenfahrer der Welt und Porsche-Werksfahrer, teilt er sich einen der Publikumslieblinge, den 911 Carrera 3.2 4x4 Paris-Dakar aus dem Porsche Museum. Im Schlepptau haben sie den norwegischen Ski-Olympiasieger Aksel Lund Svindal. »Das macht richtig Laune. Ich kenne die Historie des Rennens und bin froh, dass Ferdi und Vinzenz es geschafft haben, ein so junges Publikum nach Zell am See zu bekommen«, fasst Jörg zusammen.

»Vinzi war einer der wenigen, mit denen ich immer über Motorsport sprechen konnte«, erzählt Ferdi, der ihn über gemeinsame Freunde in Wien kennenlernte. »Unsere Generation ist leider nicht so motorsportaffin, was uns ebenfalls motivierte, das GP Ice Race wieder aufleben zu lassen«, sagt der 26-jährige Architekt. »Wir haben schnell das richtige Team zusammengehabt, Strietzel Stuck und Richie Lietz haben uns von der ersten Stunde an unterstützt, ebenso unser Sicherheitsbeauftragter Franz Schreiner und Rennleiter Alfons Nothdurfter vom Motorsportclub Kitzbühel.« Ausschlaggebend war der Fund eines Spikereifens in der elterlichen Garage, verbunden mit viel Neugierde an der Vergangenheit. Um die wilde Zeit von damals in die Jetztzeit zu übertragen, entschieden sich die Initiatoren dazu, nicht nur Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf die Piste zu schicken, sondern auch der Elektromobilität freie Bahn zu gewähren.

»Daniel Abt ging bereits bei unserem ersten GP Ice Race in seinem Formel-E-Fahrzeug an den Start, dieses Jahr schickt Porsche viele Taycan für Showfahrten auf die Piste. Wir haben also für alle Fans das richtige Fahrzeug, elektrisch angetrieben, Turbo-aufgeladen, Renn- und Rallyefahrzeuge aus den verschiedensten Epochen des Motorsports«, fasst Vinzenz zusammen und schiebt ein paar ganz besondere Teilnehmerautos nach: einen Trabi, den Alfa Romeo 8C aus 1930, ein Nascar-Auto, den Okrasa Special, den DTM Audi RS5 und den legendären Audi S1 Sport Quattro pilotiert von Stig Blomqvist. »Ein absolutes Highlight ist, dass Strietzel seinen Jägermeister March-Cosworth 741 aus der Formel-1-Saison 1976 zum ersten Mal auf Eis fährt«, sagt Ferdi, was man nicht zuletzt Ecki und Oliver Schimpf zu verdanken habe. Denn: »So ein Auto sieht man eher selten, und schon gleich gar nicht mit Zwillingsbereifung und Spikes.«

Vielleicht sind die jungen Leute in 50 Jahren traurig darüber, dass sie die Zeit verpassten, als Ferdinand und Vinzenz das Eisrennen zurückgeholt hatten und ein großes Volksfest im Pinzgau veranstalteten. Mit Formel-E-Fahrzeugen, Rallye- und Rennautos mit waghalsigen Skifahrern im Schlepptau. Womöglich ist heute schon das »Wilde von früher«.