ENTSCHEIDUNG VOR DEM KAUFReine Kopfsache

ENTSCHEIDUNG VOR DEM KAUF: Reine KopfsacheFoto: Aleks Perkovic, Sven Grot
Nachts und draußen: keine dunklen Ecken scheuen, keine Pfützen, keine Kratzer. Wer den Porsche als Fahrmaschine begreift, sucht anders.
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Was macht einen Porsche zu meinem Porsche? Wer sich diese Frage stellt, der findet sich plötzlich in einem Meer von Möglichkeiten wieder. Es geht nicht nur um Luft oder Wasser, Front- oder Heckmotor, offen oder geschlossen. Nein: Es geht auch um Bezugsquellen, Risikobereitschaft, Schrauberkenntnisse und die ganz wichtige Frage: Will ich sammeln oder fahren?

Wohlbehütet:
 Ein Porsche mit 
langer Liste edler 
Vorbesitzer ist
 vielleicht eher ein
 Sammlerstück 
und erfreut als
 Schmuckstück 
auf Kies vor
 Freitreppe.Foto: Aleks Perkovic
Wohlbehütet: Ein Porsche mit langer Liste edler Vorbesitzer ist vielleicht eher ein Sammlerstück und erfreut als Schmuckstück auf Kies vor Freitreppe.

Immer, wenn ich von meinem Hobby erzähle, dann begegnet mir dieser Spruch: »Du hast doch einen Nagel im Kopf!« Dann lächle ich nur, denn derjenige, der da fragt, hat ja gar keine Ahnung, was das für ein Nagel ist. Aber man selbst sollte sich klar sein darüber. Das hilft nämlich ungemein, sein Hobby richtig zu leben und die richtigen Autos zu finden. Wer die PORSCHE KLASSIK regelmäßig liest, der weiß, wie unterschiedlich die Autos darin sind. Mal sind es edle Stücke aus prominentem Vorbesitz oder Racer mit exquisiter Vergangenheit, mal sind es Familienerbstücke, die wohlbehütet von einer Generation an die nächste gehen, mal sind es Fahrmaschinen, die stolz ihre Patina am Straßenrand zeigen und auch bei Wind und Wetter gefahren werden.

Was erwarte ich von meinem Porsche?

Jeder Porsche-Kauf hat natürlich auch immer mit der Größe des Portemonnaies zu tun. Aber selbst dann, wienn die Börse gut gefüllt ist, sollte man sich immer fragen, welcher Porsche zu einem passt. Die schöne Mär vom Garagengold stimmt eben nicht immer. Und auch wenn die Charts aller beliebten Porsche-Modelle eigentlich immer eine gute Tendenz nach oben haben, muss man bedenken, dass Wartung und Pflege, Reparaturen und Garagenmiete am Plus knabbern. Betrachtet man das Hobby also nur aus dem Blickwinkel des Profits, muss man groß denken. Denn nur makellose Exemplare mit lückenloser Historie und am besten noch mit berühmten Namen in der Reihe der Vorbesitzer garantieren Gewinne, die den Einsatz schnell vergessen machen.

Will ich ein Sammlerstück oder eine Fahrmaschine, bin ich ein Schraubergott oder ein Herrenfahrer? Wichtige Fragen vor dem Kauf!

Solche Exemplare sind rar. Auf Auktionen tauchen sie auf oder bei renommierten Händlern – nur ganz selten bei privaten Verkäufern. Die Unterlagen zum Fahrzeug sind hier oft wichtiger als der Porsche selbst. Hat man so ein Stück ergattert, kann man sich in den Sessel vorm Kamin setzen und sich an den Dokumenten erfreuen. Oder man geht in die Garage und streichelt über den Kotf lügel, fährt vielleicht auf einen Concours d’Élégance oder stellt das Fahrzeug auf bedeutenden Messen aus. Aber viel fahren wird man es nicht. Zu hoch das Risiko, zu wertvoll das Investment. Wer eine Sammlung begründen will, für den ist das genau richtig. Aber wer seinen Porsche fahren will, für den gelten die klassischen Kriterien eines Gebrauchtwagenkausfs: Rost, Reifenprofil, Rauchfähnchen in Blau oder Schwarz, rissiges Leder. Wenn das dann alles passt, habe ich eine Fahrmaschine, die ihren Wert nicht in Millionen bemisst, sondern in Momenten, die ich mit ihr erlebe.

Welcher Käufertyp bin ich?

Wenn man weiß, was man will, muss man nur noch herausfinden, wer man selbst ist. Ist man der Typ Schrauber, der vor einer Restaurierung nicht zurückschreckt und das Know-How hat? Dann gilt eigentlich nur: Die Basis des Objekts muss stimmen. Je besser die Basis, desto weniger steckt man rein. Faustregel: Wer am Anfang etwas mehr für einen relativ guten Porsche zahlt, der fährt kostentechnisch am Ende besser, denn Teile und Dienstleistungen rundherum sind teuer. Der Typ Nicht-Schrauber sollte immer doppelt vorsichtig sein bei der Selbstbefragung. Traue ich mir zu, selbst zu beurteilen, wie gut ein Porsche ist? Will ich vor Ort kaufen oder ein Fahrzeug zum Beispiel aus den USA importieren, weil die ja so schön rostfrei sind? Dazu einige Anhaltspunkte: Wer vor Ort kauft, der hat es leichter, denn er kann besser prüfen, kann abwägen, Unterlagen einsehen und Experten zum Termin mitnehmen. Wer aber risikobereit ist und importieren will, dem sei gesagt: Das ist nicht gerade einfacher geworden!

Die Goldgräberzeit in den USA ist vorbei. Vor Corona waren die Kaufpreise recht hoch. Durch die Pandemie ist zudem Containerplatz ein kostbares Gut geworden! Man muss mitunter Monate warten, bevor man überhaupt einen Platz in einem Container bekommt – und das für das Fünf- bis Zehnfache des Preises gegenüber vor Coroana. Wer wirklich ein Fahrzeug importieren will, der sollte sich klarmachen, dass er dafür zurzeit wahrscheinlich zu viel bezahlt – auch weil der Dollar-Kurs ungünstig ist. Der Trend derzeit weist in die umgekehrte Richtung: Es fließen Autos aus Europa in Richtung USA ab. Besser ist es, nach Reimporten zu schauen, die schon in Europa sind. Auch die Profis holen derzeit nur wenige Autos herüber. Aus genau diesen Gründen. Sammlerstück oder Fahrmaschine, Schraubergott oder Herrenfahrer – wer diese Fragen für sich geklärt hat, der weiß um Art, Größe und Beschaffenheit des Nagels in seinem Kopf und wird deshalb auch ein glücklicher Porsche-Besitzer. Genügend Auswahl an schönen Autos ist da. Man muss sich nur trauen und zugreifen. Der Moment – zumindest wenn das Fahrzeug in Europa steht – ist jetzt.