Jo Berlien
· 08.02.2023
Ohne zu wissen, welch prominenten Vorbesitzer sein Porsche hatte, kaufte Albert Hauser einen 911 SC 3.0. Zehn Jahre später trifft er den Vorbesitzer: den Abenteurer und Extrembergsteiger Reinhold Messner.
Wenn das Reinhold Messner wüsste: Wer den Nordrandweg der Schwäbischen Alb schafft, bewältigt 8.000 Höhenmeter. Die Alb als 15. Achttausender? Zur Wahrheit, Herr Messner, gehört dazu, dass der Nordrandweg im Unterschied zum Mount Everest nicht steil himmelwärts ansteigt. Sondern sich zwischen Tuttlingen und Donauwörth auf 354 Kilometer verteilt: zu Fuß sind das etwa 16 Tagesetappen. Albert Hauser schafft das in weniger als drei Stunden. In seinem Porsche.
So viel Wandererlatein darf sein zu Beginn einer Geschichte, die manch überraschende Wendung nehmen wird. Darin kommen vor: ein 42 Jahre alter Porsche 911 SC 3.0 und ein Maurermeister, der seit 45 Jahren auf der Bühne steht. Der Porsche hat einmal Reinhold Messner gehört. Und der singende Maurerpolier Albert Hauser behandelt den Wagen so pfleglich, als habe er ihn von Messner nur geliehen.
Herzstück der Zollernalb ist die Burg Hohenzollern. Sie sticht weitum sichtbar aus der Albhügellandschaft hervor. Diesen Blick erhält man allerdings nur, wenn man die Wanderschuhe schnürt und ein Stück weit zu Fuß geht.
Wir treffen Hauser auf 900 Höhenmetern in Onstmettingen auf der Zollernalb. Noch eine Woche zuvor war sich Hauser nicht sicher gewesen, ob er den Termin würde einhalten können. Als er in der Mietgarage nach seinem den Winter über eingemotteten Wagen schauen wollte, schien es, als habe es in die Garage geschneit. »Mich hätte beinahe der Schlag getroffen«, sagt Hauser. Die Garage nebenan gehört einem Bäcker. Der parkte aber keinen Porsche darin, sondern ein Mehlsilo. Als er mutmaßlich im Spätherbst das Silo abbaute, stand die Verbindungstür offen, Ergebnis: Hausers Porsche war fingerdick mit Mehl eingestaubt.
Wenn man als Leser im Verlauf dieser Geschichte zu dem Schluss kommen sollte, dass sich Hauser das unwahrscheinliche Glück, den Porsche von Reinhold Messner zu fahren, redlich verdient hat, dann ist das ein zutreffender Befund. Fünf von zehn Autofahrern hätten zum Kärcher gegriffen und den Mehlstaub mit 130 bar scharfem Wasserdruck attackiert. Nicht so Handwerksmeister Hauser. Frage an die Küchenchefin: Was ergibt Mehl plus Wasser? Richtig, eine Vorstufe von Teig. Klebrige Pampe, die in jede erdenkliche Ritze gedrungen wäre und sich übers Lufteinlassgitter auch über den Motor ergossen hätte. Hauser nahm also den Pressluftkompressor und blies anderthalb Stunden lang das Mehl zur Garage hinaus in alle Winde.
Albert Hauser hat sich das Glück, vor 29 Jahren zufällig zu diesem Porsche gekommen zu sein, durch Leidenschaft und viel Einsatz redlich verdient.
Anschließend kam der Wagen zur Grundreinigung in die Werkstatt. Die Rechnung ging an den Bäcker. So unnötig das Mehldrama auch war – für Hauser und auch für uns war es letztlich ein Glücksfall: Der Porsche strahlte beim Fotoshooting. Es sind diese kleinen Dinge, die den Besitzerstolz immer wieder aufs Neue aufflammen lassen. Hauser ist, wenn man so will, ein Porsche-Fahrer wie aus dem Bilderbuch. Einer, der mit 18 Jahren von einem Porsche träumte und sich erst mit einem Moped begnügen musste, einer Kreidler Florett, dann mit einem DKW mit Selbstmördertür, die nicht vorn, sondern hinten anschlug. Hausers Vater war Lkw-Fahrer, selbst ging er auf den Bau, lernte Maurer. Heute ist er 73 Jahre alt und dem Betrieb, für den er ein Leben lang gearbeitet hat, immer noch treu. »Wenn’s brennt, springe ich ein.«
Der Mann liebt, was er tut. Polier, Musiker, Porsche-Fahrer – man ist mit dem Herzen dabei oder lässt es bleiben. Hauser war 45, als er sich einmal im Leben mit etwas Besonderem belohnte. Und einen Porsche kaufte.
Nun war es aber nicht so, dass ihm Reinhold Messner den Wagen direkt überlassen hätte. Als Hauser seinen Elfer gebraucht erstand, kannte er den Vorbesitzer recht gut: Es war sein Schwager. Der kaufte sich einen neuen Carrera und überließ ihm den SC 3.0 mit 188 PS. Im Übrigen war auch der Schwager nicht der Erste nach Messner. Von Messner wusste der Schwager nichts. Sonst hätte er den Wagen vielleicht gar nicht hergegeben.
Albert Hauser aber studierte eines Sonntags gründlich die Papiere. Im Fahrzeugbrief selbst stand nichts von Messner. Ein auf den ersten Blick unscheinbares
Schreiben des Reutlinger Porsche-Händlers war der entscheidende Hinweis: Darin bestätigt der Händler dem damaligen Käufer, dass die im Fahrzeugbrief aufgeführte Münchner Agentur den Südtiroler Extrembergsteiger Reinhold Messner vertrete und Messner den Wagen besessen und gefahren habe. »Schau mal«, habe ich zu meiner Frau gesagt: »Das ist ja der Hammer!«
Autoliebe. Als Wegzehrung bekommt Albert Hauser eine Laugenbrezel vom Albbäcker mit. Unter keinen Umständen wird er sie im Cockpit essen. Nach jeder Fahrt klopft er die Fußmatten aus. Sollte der Wagen je in den Regen geraten, lüftet er danach in der offenen Garage aus.
Das war 1992. Es dauerte dann noch einmal zehn Jahre, bis die Geschichte weiterging. 2012 kam Reinhold Messner tatsächlich auf die Alb ins zwölf Kilometer entfernte Tailfingen. Im Thalia-Theater hielt Messner einen Vortrag. Die Hausers gingen hin, kauften Karten für die erste Reihe. Es war dann Hannelore Hauser, die sich ein Herz fasste und den im Foyer sitzenden und Zeitung lesenden Abenteurer ansprach. »Herr Messner, wir haben etwas, das einmal Ihnen gehört hat.«
»Was, der läuft noch?«, sagte Messner, als Frau Hauser ihm ein Foto vom roten Porsche zeigte. Später, im Vortrag, kam Messner auf den Porsche zu sprechen. Im August 1980 hatte er im Alleingang den Mount Everest bestiegen. Ein halbes Jahr zuvor, als er die Tour plante, machte er alles, was er hatte, zu Geld. Die Tour kostete 80.000 Dollar, damals umgerechnet 320.000 Mark. Leider, sagte er, habe er damals auch seinen Porsche hergeben müssen. Messner blieb diskret. »Er hat zu uns herübergeschaut und nichts weiter gesagt.«
Was Hauser ganz recht war. Im Schwäbischen geht man nicht hausieren mit Besitz. Man schweigt und genießt. Ist aber jederzeit geschäftstüchtig. Albert Hauser ließ sich an jenem Abend von Messner nochmals per Unterschrift testieren, dass er, Messner, weltberühmter Vorbesitzer dieses roten 911 SC 3.0 gewesen sei. Für alle Fälle. Hauser ist ein zufriedener Mensch. Sein Elfer hat ihm immer nur Freude gemacht. Keine Reparaturen. Der Tacho zeigt 283.000 Kilometer, der Motor schnurrt verlässlich. Verraten sei zum Schluss noch, dass Hauser auf den Spitznamen »Elvis« hört. Er hat in den Sechzigerjahren Beat gespielt, in den Siebzigerjahren Rock. Hauser spielt bis heute Gitarre. Eigentlich ist er großer Freddy-Quinn-Fan. Und jetzt, im Alter, singt er mit seiner Duettpartnerin Andrea volkstümliche Schlager. In den Radio-Charts in Österreich, der Schweiz, in Süd- und Ostdeutschland und auch im Ruhrgebiet standen und stehen ihre Lieder wochenlang auf Platz eins.
Vorbei ist das Fotoshooting. Blick zum Himmel. Das Wetter hat gehalten. Bei Regen lässt Hauser den Messner-Porsche in der Garage.
TECHNISCHE DATEN
Porsche 911 SC 3.0