Thomas Fuths
· 17.02.2023
Jede Generation des Porsche 911 schreibt ihre eigene Geschichte. Die der G-Serie reicht von 1973 bis 1989. Vom 911 dieser Zeit geht eine besondere Faszination aus. Weil der 911 der G-Serie an ehrlicher Klarheit nicht zu überbieten ist.
Sie sind die Ikonen unter den Ikonen: die 911 der G-Serie. Unglaublich lange 16 Jahre gebaut. Von 1973 bis 1989. Ab 1975 bereits vollverzinkt und damit etwas für die Ewigkeit. Pur und ehrlich. Vielleicht gehören die 911 der G-Serie zu den am klarsten gezeichneten Sportwagen aller Zeiten.
Heute ist ein Porsche ohne Sportsitz mit integrierten Nackenstützen nicht mehr vorstellbar. Eingeführt wurde der Sitzklassiker mit der G-Serie des 911.
Rückblende: 1973 bricht das letzte Jahr der 911 F-Serie an. Porsche hat den Sportwagen als Coupé und Targa im Programm. 165 PS entwickeln die E-Modelle, 190 PS
die S-Versionen. Diese Leistung gibt ein 2,4-Liter-Sechszylinderboxer ab. Das Topmodell der Baureihe, der Marke und zugleich das schnellste Fahrzeug aus deutscher Fertigung ist der Carrera RS 2.7. Nomen est omen: Als einziger 911 wird er von einem 2,7-Liter-Motor angetrieben. Er katapultiert den Sportwagen auf 240 km/h. Der charakteristische »Entenbürzel« als Heckspoiler sorgt dabei für den nötigen Abtrieb auf der Hinterachse. Der Carrera RS war als Homologationsmodell für die GT-Rennkategorie entstanden. Fakt ist jedoch: Obwohl bereits zehn Jahre seit der Weltpremiere des 911 vergangen sind, folgen der 911 E, 911 S und Carrera RS 2.7 innen wie außen immer noch dem Urmodell. Und so wird es Zeit für den nächsten Schritt in der Evolutionsgeschichte des 911: die G-Serie.
Porsche 911 Coupé (1973)
Im September 1973 kommen die neuen 911-Modelle auf den Markt. Im Exterieur fallen sofort die Stoßstangen auf. Sie sind wuchtiger als zuvor, eckiger und seitlich mit einem markanten Faltenbalg ausgestattet; die neuen Stoßstangen überstehen nun Parkrempler bis 8 km/h unbeschadet. Vorn sind erstmals im Elfer die Blinker in die Stoßstange integriert, wodurch sich das Design gegenüber dem Vorgänger tiefgreifend verändert und damit deutlich zeitgemäßer wirkt. Während der F-Serie visuell noch die 60er-Jahre anzusehen waren, präsentiert sich der 911 nun eindeutig als ein Fahrzeug der 70er-Jahre. Im Heck indes ändert sich faktisch nur wenig. Doch die neue, kräftigere Stoßstange mit dem Faltenbalg und ein zwischen den Rückleuchten angeordneter roter Reflektor mit dem Porsche-Schriftzug führen auch hier zu einer völlig neuen und deutlich moderneren Anmutung. Hinten fließt eine neue, besser gegen Rost geschützte Abgasanlage in die Serie ein.
Der Turbolader dreht bis zu 90.000/min, wenn er mit bis 0,8 atü den Sauerstoff in die Brennräume des 930-Motors presst. Es folgt ein Schlag in den Rücken der Passagiere.
Im Interieur gewinnt das Porsche-Styling ebenfalls an Kontur. Die uns bis heute so vertrauten Sportsitze mit den integrierten Nackenstützen kommen 1973 erstmals zum Einsatz. Ihr Debüt erleben auch die für Porsche fortan typischen Klappdeckel in den Türen. Neu sind zudem die Lenkräder mit einer nun großen Prallfläche, neue Lenkstockhebel und zwei zusätzliche Entfroster-düsen neben der Schaltung. Natürlich ist all das keine Revolution. Und doch sind es diese feinen Details, die den 911 weiter schärfen und durch die Zeit tragen. Vom Carrera RS 2.7 übernimmt die G-Serie den nun generell auf 2,7 Liter erhöhten Hubraum des Sechszylinders. Abgeschafft wird indes die Bezeichnung E. Das neue Grundmodell heißt schlicht 911 und entwickelt eine Leistung von 150 PS. Auf 175 PS bringt es der neue 911 S. Beide Versionen sind mit einer neuen Bosch-K-Jetronic ausgestattet. Das Topmodell bleibt der wieder 210 PS starke 911 Carrera, der den Antrieb vom Carrera RS 2.7 übernimmt und deshalb noch auf eine mechanische Benzineinspritzung setzt. Im Vergleich zu den schwächeren Modellen besitzt der erneut 240 km/h schnelle Carrera ein 42 Millimeter breiteres Heck, um die Hinterachse mit ihrer größeren Spurweite darunter zu verstauen. Geschaltet wird die G-Serie serienmäßig über ein 4-Gang-Getriebe; gegen Aufpreis sind fünf Gänge an Bord. Das Grundmodell und der 911 S können zudem mit der 4-Gang-Sportomatic bestellt werden, die allerdings nur in homöopathischen Dosen verkauft wird.
Parallel überarbeitet Porsche 1973 auch den Carrera RS, damit der im Motorsport weiterhin die Pace macht. Als Technologie-Leuchtturm der Baureihe erhält er als erster 911 einen neuen 3,0-Liter-Motor. Lediglich 110 Exemplare des 230 PS starken 911 entstehen. Wo immer es geht, setzt Porsche im neuen Carrera RS 3.0 auf Leichtbau; 1.060 Kilogramm bringt die Straßenversion auf die Waage. Besonders auffällig sind die deutlich voluminöseren Stoßfänger; vorn bieten sie unter anderem Raum für einen Ölkühlerschaft. Der 245 km/h schnelle RS nimmt dem Carrera im Sprint auf 100 km/h noch mal eine Sekunde ab und benötigt 5,3 Sekunden. Und doch wird der eigentlich für den Motorsport entwickelte und eben auch mit Straßenzulassung erhältliche Carrera RS 3.0 nicht als legendärster aller 911 der G-Serie in die Geschichte eingehen. Denn bei Porsche steht bereits eine ganz neue Elfer-Version vor dem Debüt, die zur Ikone der Supersportwagen werden soll.
911 Carrera RS 3.0 (1973)
Die G-Serie ist rund ein Jahr auf dem Markt, als Porsche auf dem Pariser Salon im Herbst 1974 den bis dato stärksten Serienwagen seiner Geschichte vorstellt: den 930 alias Turbo. Porsche hat quasi den Basismotor des Carrera RS 3.0 genommen und einen Turbolader draufgesetzt. Das Ergebnis ist phänomenal und sorgt in Maranello und hinter dem Lenkrad des »Turbo« – wie er schnell nur noch genannt wird – für Schnappatmung. Dabei ist es weniger die Tatsache, dass der Sportwagen locker 250 km/h schnell ist und in nur 5,5 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt – denn in diese Dimensionen war ja bereits der Carrera RS 3.0 vorgedrungen. Nein, es ist die Art und Weise, wie der Turbomotor im Heck seine Kraft auf die Straße und in den Rücken des Fahrers knallen lässt: Sobald der vom heißen Abgas angetriebene Turbolader bei rund 90.000/min den Sauerstoff in die Brennräume des Sechszylinders presst, katapultiert die nun optimierte Verbrennung den Porsche schlagartig extrem vehement nach vorn. Wehe dem, der diesen Zusatzschub bei Nässe und/oder in Kurven abruft. In solchen Situationen wird schnell jedem Fahrer klar, dass Porsche mit dem Turbolader eine Rennsporttechnologie in die Serie transferiert hat. Und da sitzen bekanntlich Profis im Cockpit. Doch genau dieser kleine Schuss »Gefahr« macht den Turbo sofort zu einem Mythos.
911 Turbo (1974)
Porsche kombiniert den KKK-Turbolader im 930 als erster Hersteller mit einer Bosch-K-Jetronic. Die Turbine und das Verdichterrad des Laders laufen auf einer gemeinsamen Welle. Dabei ist die Turbine so etwas wie der Motor für das luftansaugende Verdichterrad. Mit bis zu 0,8 atü drückt sie den für die Verbrennung des Kraftstoffs wichtigen Sauerstoff wie skizziert in die Brennräume. Dadurch wird die eigentliche Verbrennung optimiert und die Leistung des Motors steigt. Was heute in jedem Kleinwagen völlig normal ist, war 1974 eine Sensation. Kein Wunder, denn die Technik ist vom Feinsten: Porsche entwickelt für den 260 PS starken Turbo zum Beispiel spezielle Ventile, die den hohen thermischen Belastungen standhalten. Die Auslassventile sind dabei mit kühlendem Natrium gefüllt. Und damit selbst in Extremsituationen – etwa auf der Nürburgring-Nordschleife – die Kraftstoffversorgung nicht abreißt, gibt es an Bord des 911 Turbo gleich zwei Benzinpumpen. Darüber hinaus greifen die Ingenieure tief in das Teilelager des Motorsports, um den 930 zum souveränsten Supersportwagen seiner Zeit zu machen. So stammen beispielsweise die Radlager aus dem legendären Porsche 917. Zum optischen Erkennungszeichen des Turbo werden indes der Heckflügel und die breitere Heckpartie. 1977 wird der Hubraum des Motors übrigens auf 3,3 Liter und die Leistung auf 300 PS steigen.
Von Beginn an gibt es auch die G-Serie als Targa. Und zwar als 911, 911 S und Carrera. Neu ist ein starres Dachelement, das aber nur 1974 angeboten und danach wieder durch das deutlich praktischere Faltdach ersetzt wird. Obwohl der Targa eigentlich nur aufgrund der Sicherheitsbestimmungen der USA entwickelt wurde, konnte er sich sofort weltweit bei den 911-Fahrer*innen etablieren. Und so ist es auch in den 70er-Jahren klar, dass diese offene Version nicht mehr aus dem Porsche-Programm wegzudenken ist. 1975 sortiert Porsche das Leistungs- und Hubraumgefüge der Motoren neu. Damit verändern sich auch die Antriebsversionen der Targa-Modelle. Die Grundversion wird nach wie vor vom 2,7-Liter-Motor befeuert, der nun 165 PS statt 150 PS leistet. Der Carrera erhält als Targa und Coupé jetzt den mit einer Bosch-K-Jetronic ausgestatteten 3,0-Liter-Motor, der 200 PS entwickelt. Vom Turbo übernimmt der neue Carrera-Motor dabei das Nockenwellengehäuse. Die Jetronic macht den Carrera zudem deutlich sparsamer.
911 Targa (1973)
Ab sofort sind darüber hinaus alle 911-Bleche beidseitig feuerverzinkt. Porsche lässt die Bleche von Thyssen fertigen und setzt zusätzlich verstärkt Teile aus Aluminium ein. Der Sportwagenhersteller ist mit seiner Rostvorsorge in den 70er-Jahren konkurrenzlos weit vorn. Als weiteren Feinschliff bekommt der Targa indes eine neue Verschlusskonstruktion für das Ausstellfenster. Darüber hinaus erhalten alle Modelle nun einen in Wagenfarbe lackierten und serienmäßig elektrisch verstell- und beheizbaren Außenspiegel – für die Beifahrerseite kostet der Spiegel extra.
Porsche hat das erste 911 Cabriolet extrem verwindungssteif ausgelegt. Noch heute beeindrucken die offenen SC und Carrera der G-Serie mit ihrer ungewöhnlich hohen Qualität.
1978 bringt Porsche den zunächst 180 PS starken 911 SC als Coupé und Targa auf den Markt. Dieser »Super Carrera« ist fortan der einzige 911 mit Saugmotor im Programm, da die Basisversion gestrichen wird. In der Folgezeit steigt die Leistung des 911 SC auf 188 PS (1979) und 204 PS (1980). 1981 feiern sie bei Porsche den 200.000. 911. Die Sensation aber ist im selben Jahr eine Studie auf der IAA: ein offener Turbo. Die Serienversion kommt im Frühjahr 1982 als 911 SC Cabriolet mit schmaler Karosserie auf den Markt. Es ist außergewöhnlich verwindungssteif und begeistert mit einem formvollendeten Design. Das zu einem großen Teil aus festen Formteilen bestehende Softtop glänzt mit niedrigen Windgeräuschen und ist – anders als viele offene Wagen dieser Zeit – absolut wasserdicht und damit sogar waschstraßentauglich. Das Heckfenster aus Kunststoff kann mit einem Reißverschluss separat geöffnet werden. Mit 235 km/h – derselben Höchstgeschwindigkeit wie beim Coupé und dem Targa – ist es eines der schnellsten Cabriolets der Welt. Nach nur 6,8 Sekunden hat der offene Porsche bereits 100 km/h erreicht. Als erster 911 in Europa erhält das Cabriolet den rechten Außenspielgel übrigens serienmäßig. 1983 steigt die Leistung des nun 3,2 Liter großen Saugmotors in allen Versionen auf 231 PS; parallel dazu nennt Porsche den 911 fortan wieder Carrera statt SC.
911 Cabriolet (1982)
Speedster – der Seltene
Ein Jahr später reicht Porsche mit dem 250 PS starken 911 SC/RS 3.0 einen Gruppe-B-Rennwagen mit Straßenzulassung nach. 1986 setzt sich der in Nordamerika bereits eingeführte Dreiwege-Katalysator auch in Europa durch; die Verdichtung wird deshalb von 10,3:1 auf 9,5:1 zurückgenommen. Die Leistung sinkt mit G-Kat auf 217 PS; dafür reicht dem Motor bleifreies Normalbenzin. Auch nach mehr als einem Dutzend Jahren G-Serie gehen Porsche die Ideen nicht aus: 1987 bringen die Stuttgarter ein Sondermodell in »Diamantblau Metallic« zum 250.000. Porsche 911 auf den Markt. Im selben Jahr folgt der 911 Clubsport. Er ist 100 Kilogramm leichter und regelt 300/min später ab. Parallel startet der Turbo auch als Cabrio und Targa durch. Als krönenden Abschluss zeigt Porsche im selben Jahr auf der IAA den 911 Speedster mit Saugmotor. 1988 ist er in zwei Versionen erhältlich: mit turbobreitem und schmalem Heck. Vom schmalen Speedster entstehen nur 171 Exemplare – die Blaue Mauritius der G-Serie. Im Juli 1989 besiegelt dann ein weißes Coupé als letztes Exemplar das Ende der G-Serie. »Grandprixweiß«, schmale Karosserie, Schiebedach – perfekt.
911 Speedster (1988)
Technische Daten
Porsche Coupé (ohne Turbo und 912)
Targa (ohne Turbo und 912)
Turbo (mit Targa, Cabriolet, FB)