Jürgen Lewandowski
· 24.04.2023
Mit seinem Mittelmotor-Konzept und dem 220 PS leistenden Sechszylinder aus dem Carrera- 6-Rennwagen war der 914/6 GT der Held der 2-Liter-GT-Klasse und der Liebling der Privatfahrer.
Eigentlich war die Sachlage klar: Der neue 914/6 sollte – da der 911 von 1970 an mit 2,2 Liter Hubraum antrat – in der Klasse bis 2 Liter Hubraum bei den GT-Rennen die Porsche-Fahne hochhalten. Ein Vorhaben, das auch deswegen Erfolg versprach, weil der neue 914 mit Mittelmotor-Technik ins Rennen ging – jener Technik, die die Techniker bei Porsche sowieso für geeigneter als die des Heckmotors im 911 hielten. Und nachdem Ferdinand Piëch mit seinem 914 S bewiesen hatte, dass die neue Konstruktion auch problemlos den 3-Liter-Rennmotor des 908 verkraftete, begann man im September 1969 im Werk 1 in Zuffenhausen mit dem Bau eines ersten Prototyps eines Gruppe-4-Wagens auf der Basis des 914/6. Dieser Prototyp verfügte noch über eher dezente Kotflügel-Verbreiterungen, hinter den Insassen arbeitete jedoch bereits ein leicht gezähmter Carrera-6-Motor mit 180 PS Leistung. Auf der Basis dieses One-Off sollte dann eine Serie von zehn 914/6 GT entstehen, die vom Werk für Testzwecke und einige wenige Rennen eingesetzt wurden. Das Chassis des Prototyps wurde übrigens später an Albrecht Graf Goertz weitergegeben, der auf dieser Basis sein Showcar baute.
Am 10. März 1970 gingen zwei dieser Werks-GT zum Vortraining der Targa Florio nach Sizilien – beim Rennen selbst, das von Jo Siffert und Brian Redman gewonnen wurde, traten die Fahrzeuge jedoch nicht an. Der erste offizielle Auftritt des neuen 914/6 GT fand im Juni 1970 bei den 24 Stunden von Le Mans statt, auch wenn der Wagen offiziell vom französischen Importeur Sonauto gemeldet wurde – am Ende sollte das 891 Kilogramm schwere Fahrzeug nicht nur die GT-Klasse, sondern auch die GT-Gesamtwertung für sich entscheiden können. Dazu kam ein Rang 6 im Gesamtklassement – der erste Auftritt des neuen Porsche-Modells war von einer unerwarteten Platzierung gekrönt.
In der Zwischenzeit hatten sich auch etliche Privatfahrer mit dem Gedanken angefreundet, den 914/6 GT zu erwerben und einzusetzen. Etliche Teams erwarben dafür einen neuen 914/6 und bauten ihn in Eigenarbeit zum Rennwagen um, andere Teams bestellten einen 914/6 GT im Werk, wo die Fahrzeuge je nach Wunsch der Kunden als Rallye- oder Rundstrecken-Rennwagen gebaut wurden – mit der dem Hause Porsche eigenen Perfektion waren natürlich alle Getriebeübersetzungen und Abstimmungsmöglichkeiten gegeben, sodass die Kunden sowohl bei Bergrennen wie auch am Nürburgring antreten konnten. Die »echten« Werks-GT-Modelle wurden jedoch nie an Kunden verkauft, sondern kamen noch bei zwei weiteren Events zum Einsatz: Zuerst traten drei Fahrzeuge beim Marathon de la Route am Nürburgring an, einem 86-Stunden-Rennen, das die drei Werksfahrzeuge auf den Rängen 1 bis 3 beendeten.
Dieser Erfolg sorgte mit dafür, dass der 914/6 GT zu einem der beliebtesten Rennwagen der frühen 70er-Jahre im GT-Sport wurde – die agilen und leistungsstarken Fahrzeuge (manche der 2-Liter-Motoren leisteten bis zu 230 PS) waren zudem noch nahezu unzerstörbar, normalerweise wurden sie erst am Ende der Saison ausgebaut und überholt.
Dann näherte sich die Rallye Monte Carlo 1971, und es war der Wunsch der Geschäftsführung, den Verkauf des 914/6 – der weit unter den hohen Erwartungen lag – mit einem Sieg bei der prestigeträchtigen Rallye anzukurbeln. Nun hatte Porsche von 1968 an bis 1970 mit dem neuen Elfer drei Siege in Folge geholt, dementsprechend hoch waren die Erwartungen an den neuen 914/6 GT – und dementsprechend ehrgeizig gingen die drei Fahrer-Teams ans Werk. Doch am Ende kam nur Björn Waldegård auf Rang 3 ins Ziel, die beiden anderen Teamgefährten waren nach Unfällen und mit technischen Problemen ausgefallen. Klar, dass man dieses Ergebnis bei Porsche nicht wirklich zu schätzen wusste –danach beendete man die Werkseinsätze des 914/6 GT mit sofortiger Wirkung.
In der Hand von Privatfahrern und mit der Unterstützung von Porsche+Audi USA kamen bis in die Mitte der 70er-Jahre noch viele 914/6 GT zum Einsatz – und sie gewannen auch etliche Meisterschaften. Eckhard Schimpf, der Autor des Buches »Porsche & Piëch« schreibt über den 914/6 GT, den er selbst jahrelang erfolgreich im Rennsport einsetzte: »In der Hand von Privatfahrern blieb dieser GT bis in die Mitte der 1970er-Jahre einer der erfolgreichsten und vor allem zuverlässigsten Rennsportwagen, die es je gegeben hat. Er hätte sogar, meint Ferdinand Piëch, besser als ein 911 werden können, wenn man ihn konsequent weiter entwickelt hätte.« Und tatsächlich hätte dieser Rennwagen mit etwas mehr Entwicklungszeit und Geduld lange vor dem Lancia Stratos die Ära der Mittelmotor-Fahrzeuge im Rallye-Sport einleiten können. So erscheint der 914/6 GT aus heutiger Sicht als eines der wenigen Porsche-Modelle, deren Schicksal unvollendet ist. Er hätte zweifellos Rallye-Geschichte schreiben können – und mit mehr Hubraum und mehr Leistung hätte er dank seines großartigen Fahrwerks sicherlich auch den 911-Modellen viele Schwierigkeiten bereiten können. Doch die Hubraum-Vergrößerungen kamen immer dem 911 zustatten – während der 914/6 GT in der 2-Liter-Klasse steckenblieb.