25 Jahre Boxer mit WasserkühlungAls Porsche den Boxer neu erfand

Thomas Fuths

 · 30.01.2023

25 Jahre Boxer mit Wasserkühlung: Als Porsche den Boxer neu erfandFoto: Porsche-Archiv
Powered by

Ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seitdem Porsche 1996 im Boxster (986) seinen ersten wassergekühlten Boxer auf den Markt brachte. Der 2,5-Liter-Sechszylinder wurde vom 3,4-Liter-Motor des ein Jahr später vorgestellten 911 (996) abgeleitet.

Der erste wassergekühlte Serien-Boxer von Porsche hatte 2,5 Liter Hubraum, sechs Zylinder, 24 Ventile und 204 PS.
Foto: Porsche-Archiv

Boxermotoren – weltweit gibt es drei große Marken, die diese faszinierende Art der Antriebstechnik favorisieren: Porsche, BMW und Subaru. Ikonen sind die Sportwagen von Porsche, Kult die seit 1923 gebauten Motorräder der Bayerischen Motoren Werke. German Engineering. Konsequent ist Subaru: Boxer plus Allrad made in Japan; mittlerweile auch als Plug-in-Hybrid elektrifiziert. Mit einem Blick in die Historie des Boxermotors tauchen weitere große Namen auf. Citroën, Alfa Romeo und Lancia gehören dazu. Und natürlich Volkswagen; hier war die antriebstechnische Keimzelle bekanntlich dieselbe wie an Bord der ersten Porsche. Im 356 und 550 hatten die Boxer vier Zylinder, hinter den Rücksitzen des 718 waren es ebenfalls vier und mitunter bolidische acht. Der 911 startete mit sechs boxenden Zylindern und als 912 zeitweise auch mit vier davon durch. Vier-, Sechs- und ein exotischer Achtzylinderboxer befeuerten den 914. Alle Porsche-Boxermotoren einte die Kühlung: Sie erfolgte per Luft. Vor exakt 25 Jahren änderte sich dieser gemeinsame Nenner: Zur Luft kam erstmals Wasser. Ein Paradigmenwechsel – ausgelöst wie auch heute nahezu jeder Systemwandel zum Schutz der Umwelt.

Im September 1996 kam der erste wassergekühlte Boxermotor von Porsche an Bord des damals ebenso neuen Boxster auf den Markt. Ein 2,5-Liter-Sechszylinder, der unter Nutzung zahlreicher Gleichteile parallel zum 1997 debütierenden 3,4-Liter-Sechszylinder des neuen Porsche 911 alias 996 entwickelt wurde. Geschichtlich betrachtet, ist es gar so, dass der Motor des Boxster ein im Hubraum reduziertes Derivat des 911-Motors ist. Hintergrund: Nach verschiedenen Ansätzen, während der Entwicklung des Mittelmotor-Roadsters einen neuen Porsche-Vierzylinderboxer oder einen Sechszylindermotor von Audi im Boxster einzusetzen, entschied der damalige Porsche-Entwicklungsvorstand Horst Marchart: »Wir machen einen 911-Motor mit einem geringeren Hubraum rein.« Und so kam es. An dieser Stelle sparen wir uns das überkommene Bejammern der luftgekühlten Boxermotoren von einst, denn ihre Zeit war im Hinblick auf Emissionen schlichtweg abgelaufen. Porsche skizzierte im August 1996 im Rahmen der internationalen Pressefahrvorstellung den neuen Roadster wie folgt: »Der Motor des Boxster ist eine komplette Neukonstruktion. Es handelt sich auch hier um einen Sechszylinderboxer nach Art des Hauses Porsche.

Aber das klassische Thema wurde den Forderungen unserer Zeit angepasst: Wasserkühlung und Vierventiltechnik, die im Rennbetrieb beim 911 GT1 zur Reife kamen, helfen beim Serienauto den Verbrauch zu senken und die Schadstoffemissionen niedrig zu halten. Die Leistungsausbeute ist mit 150 kW (204 PS) bei 6.000/min und einem Hubraum von 2,5 Litern beispielhaft. Das Drehmoment erreicht sein Maximum von 245 Newtonmetern bei 4.500/min, mehr als 200 Newtonmeter stehen zwischen 1.750 und 6.500/min zur Verfügung.« Klar, die Vierzylinderturbos heutiger Tage halten in jedem GTI-mäßigen Kompaktwagen mit mehr Leistung aus weniger Hubraum dagegen. Doch kein aufgeladener Vierzylinder unserer Tage pfeilt so linear, turbinenartig und musikalisch vom Leerlauf bis in den Begrenzer durch die Drehzahlen wie dieser nun 25 Jahre alte Sechszylinder.

Erinnern wir uns kurz zurück an den 911 GT1, gefahren nicht von uns Normalsterblichen, sondern pilotiert von Helden wie Hans-Joachim Stuck, dem 2001 tragisch auf normaler Straße verunglückten Bob Wollek, Thierry Boutsen oder Uwe Alzen. Porsche hatte den 911 GT1 mit einem wassergekühlten Sechszylinder-Mittelmotor 1996 vorgestellt – also im Debütjahr des Boxster. Für den Rennwagen stand im Fokus, dass durch den 600 PS starken Mittelmotor die Achslasten ideal verteilt und dank des Kühlmantels aus Wasser die thermischen Eigenschaften optimiert wurden. Die technische Komposition funktionierte verdammt gut, wie noch im selben Jahr ein zweiter und dritter Platz bei den 24 Stunden von Le Mans bewiesen. 1998 folgte in Le Mans dann mit dem Doppelsieg zweier 911 GT1 der ganz große Triumph dieser Technik.

Nun wäre es äußerst kühn zu behaupten, die technischen Konstruktionen des 3,2-Liter-Rennwagenmotors und die des 2,5-Liter-Boxstermotors würden eine wirklich sehr enge Verwandtschaft zeigen. Und doch gilt, wie so oft bei Porsche, dass die Motorsportteams und die Crews der Serienentwicklung sehr vertraut miteinander umgehen. Fakt ist: Der Boxster startete 1996 mit dem Antriebsprinzip eines Le-Mans-Rennwagens – Sechszylinderboxer mit Vierventiltechnik und Wasserkühlung, eingebaut als Mittelmotor. Und das wiederum untermauert in der Praxis die unglaubliche Drehfreudigkeit des 204-PS-Motors und das agile Fahrverhalten des Roadsters, der übrigens vielmehr ein Spyder ist; denn so nennt Porsche generell all seine offenen Sportwagen mit Mittelmotor. 1996 zog Porsche auf jeden Fall bei der internationalen Fahrvorstellung des Boxster die Karte der Motorsportparallelen: »Der Strom des Kühlwassers folgt den Vorbildern der Rennmotoren, dem Querstromprinzip, das alle Zylinder und Brennräume bei gleicher Temperatur hält. Der Fluß des Kühlwassers um die Zylinder und durch die Zylinderköpfe ist getrennt.«

Der 2,5-Liter-Motor war ein Hightech-Aggregat, das sich dennoch den Zylinderabstand von 118 Millimetern mit den bis dato bereits 33 Jahre lang gebauten luftgekühlten Sechszylindern teilte. Dank der nun erstmals in der Serie eingesetzten Vierventiltechnik verbesserten sich die Zylinderfüllung und der thermische Wirkungsgrad. Mit einer Bohrung von 85,5 Millimetern und einem Hub von 72,0 Millimetern war auch der neue Porsche-Boxermotor ein Kurzhuber geblieben, der ebenso agil wie kultiviert bis in den bei 6.500/min startenden roten Bereich hochdrehte. Stolz war Porsche auf die siebenfach gelagerte Kurbelwelle: »Ein festes Fundament für alle Kurbelwellenlager gilt unter Technikern als die ideale Voraussetzung für ruhigen und kultivierten Lauf sowie lange Lebensdauer.

Die Ingenieure bei Porsche schufen ein solches in Form einer Lagerbrücke in Verbundbauweise ›Alumnium/Grauguß‹, die die Kurbelwelle umschließt und als ein harter Kern im Leichtmetallgehäuse des Boxermotors verbaut ist.« Weitere technische Details des Motors: ein in das Motorgehäuse integrierter, aber von der Kurbelkammer getrennter Ölraum (integrierte Trockensumpfschmierung) und ein direkt auf den Motor geflanschter Öl-Wasser-Wärmetauscher (schnelleres Erreichen der Betriebstemperatur). Beide Details sind beim Fahren natürlich nicht spürbar – ganz im Gegensatz zum damals von Porsche patentierten Feature VarioCam – eine drehzahlabhängige Verstellung der Einlassnockenwelle über eine variable Spannung der Steuerketten. Porsche 1996: »Für den Antrieb der vier obenliegenden Nockenwellen fanden die Ingenieure in Weissach eine besonders platzsparende Lösung. Die erste Stufe dieser Kraftübertragung führt über eine Kette von der Kurbelwelle zu einer darunter liegenden Zwischenwelle.

Von dieser aus läuft auf der Vorderseite des Motors eine Kette zur rechten Auslassnockenwelle und von der Kupplungsseite eine weitere Kette zur linken Auslassnockenwelle.« Technisch eine typische, weil kongeniale Porsche-Lösung. Denn: »Durch diese eigenwillige Anordnung nutzen die Ketten den Raum, der sich aus dem Versatz der beiden Zylinderbänke des Boxermotors ganz unweigerlich ergibt. Zwei kleine Ketten wiederum verbinden Auslass- und Einlassnockenwellen. An diesen Ketten sorgt das VarioCam für eine Phasenverschiebung beziehungsweise eine Verstellung der Einlasszeiten.« Durch die unterschiedlichen Steuerkettenspannungen stabilisiert VarioCam bei niedrigen Drehzahlen den Leerlauf und reduziert die Emissionen.

Im mittleren Drehzahlbereich indes steigt spürbar das Drehmoment, bei sehr hohen Drehzahlen wird die Verstellung der Einlassnockenwelle genutzt, um die maximale Leistung abzurufen. Im 2,5-Liter-Motor wird die Steuerung von VarioCam über ein digitales Motormanagement des Typs »Motronic ME7.2« und ein elektronisches Gaspedal geregelt. Das permanent weiterentwickelte VarioCam beflügelt auch die späteren Motorversionen des Boxster. Besonders gut spürbar ist die Wirkung bereits bei den kleineren Versionen des 24-Ventilers: dem 2,5-Liter-Motor und der weiterentwickelten 2,7-Liter-Variante mit 220 PS. Ab zirka 4.000/min wirkt die Verstellung der Einlassventile wie ein kleiner Turboboost, den die gierig am Gas hängenden Motoren in ein Plus an Dynamik umsetzen. Und das formt den Charakter der Wasserboxer.

Die Motoren passen so perfekt zum offenen Cruisen bei niedrigen Drehzahlen, um in diesem Spyder wo auch immer auf der Welt die Landschaften und Jahreszeiten zu genießen. Genauso aber treibt der Boxer die 1.260 Kilogramm leichten Porsche (2,5 Liter und 2,7 Liter mit 220 PS, jeweils Schalter) beim Durchtreten des Gaspedals derart vehement über kurvenreiche Landstraßen, dass es eine Freude ist. Und hier ist nicht von Raserei die Rede, sondern vom kontrollierten Herausbeschleunigen aus Kehren jeglicher Art. Dabei gilt: So sehr die 1996 ebenfalls neue Tiptronic S für Märkte wie die USA auch notwendig gewesen sein mag (und ihren Job sehr ordentlich erledigte), passen doch die Schaltgetriebe (5-Gang, 6-Gang im Boxster S) mit ihren direkteren Zugkraftanschlüssen weitaus besser zu diesem Motor. Porsche schrieb im August 1996 über das 5-Gang-Schaltgetriebe im Boxster-Katalog: »Das Hochschalten bringt Sie immer in einen Drehzahlbereich, in dem der Motor wieder aus dem Vollen schöpfen kann und den Beschleunigungsprozess ohne Durchhänger fortsetzt.« Stimmt auf den Punkt; besonders für all jene, die sich trauen, den Boxer hochzudrehen. Nur Mut! Er wird belohnt.