Porsche Panamera 4S E-Hybrid Sport TurismoSind Sie schon E-boostert?

Joshua Hildebrand

 · 18.03.2022

Porsche Panamera 4S E-Hybrid Sport Turismo: Sind Sie schon E-boostert?

Porsche bietet erstmals drei verschiedene Plug-in-Hybride innerhalb einer Modellreihe an: Der Panamera 4S E-Hybrid mit 560 PS Systemleistung markiert dabei die goldene Mitte. Teil­elektrische Ausfahrt mit der Karosserieform Sport Turismo

Auch bei Porsche ist die Technik im Umbruch, so kommen immer häufiger (teil-)elektrifizierte Motoren zum Zuge – ganz zu schweigen vom Vollblut-Elektriker Taycan. Puristen müssen jedenfalls stärker sein denn je, denn Fakt ist: Mit alternativen Antriebsformen, dem Ausbau der Ladeinfrastruktur (Ionity) sowie dem Engagement bei der Entwicklung von synthetisch hergestellten Kraftstoffen namens „eFuels“ möchte der Sportwagenhersteller eine Vorreiterrolle einnehmen.

Goldene Mitte: Der Panamera 4S E-Hybrid ist ein guter Kompromiss aus Effizienz und Leistungsfähigkeit. Seine geboosterten 560 PS beschleunigen den Koloss in 3,7 Sekunden auf 100 km/h!
Foto: Hardy Mutschler

Der E-Boost hat es in sich

Neue Welt? Warum nicht. Wie wäre es da mit dem neuen Porsche Panamera 4S E-Hybrid in der Karosserieform Sport Turismo? Vorausgesetzt natürlich, Sie haben knapp 135.000 Euro übrig. Denn so viel kostet das neue Schwergewicht mit 560 PS Systemleistung und 750 Nm Systemdrehmoment. Ihn gibt es auch als schwächeres Einstiegsmodell 4 E-Hybrid mit 462 PS und als Topmodell Turbo S E-Hybrid mit gar 700 PS – dann sogar mit V8. Doch das hier getestete V6-Modell erweist sich beim Blick aufs Datenblatt als goldene Mitte. Es ist gerade in dieser Klasse weitgehend konkurrenzlos, wenn es ein PHEV sein soll. Viel dran, viel drin – wir sind gespannt, was dieser Panamera für uns parat hält. Sicher ist: einen 2,9-Liter-V6-Biturbo unter seiner langen Haube, der Schützenhilfe von einem im Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe (PDK) untergebrachten Elektromotor mit 136 PS und 400 Newtonmeter erhält. Strom hierfür bekommt die E-Maschine von einer Lithium-Ionen-Batterie mit 17,9 kWh Brutto-Kapazität (14,3 netto), die serienmäßig mit 3,6 kW Wechselstrom (AC) geladen werden kann. Ein Upgrade auf den 7,2-kW-Onboard- Lader kostet 714 Euro. Dieser sollte tunlichst geordert werden. Denn: Wer schneller lädt, spart Zeit.

Immerhin wiegt der Hybrid-Panamera über 2,2 Tonnen, von denen aufgrund des Akkus unter dem Kofferraumboden rund 50 Prozent auf der Hinterachse lasten. Im E-Betrieb muss der Elektromotor diese Masse ganz allein bewegen, das Fahren zeigt sich dann Porsche-untypisch etwas zäh. Man kann dieser Antriebsform jedoch nicht absprechen, dass sie perfekt für den Pendelverkehr durch die Stadt geeignet ist – Porsche hin oder her. Lautlos, vibrationsfrei und geschmeidig rollt man mit bis zu 140 km/h von A nach B.

Mit Verbräuchen von über 25 kWh auf 100 Kilometer bleibt das Stromern zumeist nur ein kurzes Intermezzo. Laut WLTP-Norm soll unser Panamera konfigurationsspezifisch 46 Kilometer weit lokal emissionsfrei fahren können. Tatsächlich waren es im Test mit voll geladenem Akku aber 36 Kilometer. Dabei hängt die erzielbare Reichweite stark von den Rahmenbedingungen wie Temperatur, Topografie und Verkehrsdichte ab.

Doch kann der Füllstand des Akkus auch im Verbrenner-Betrieb schnell schmilzen – zu verführerisch ist der E-Boost. Satte 400 Newtonmeter Drehmoment der permanent erregten Synchronmaschine liegen bereits bei geringster Drehzahl an, kompensieren die verbrennertypische Trägheit. Das Elektro-Verbrenner-Duo generiert jederzeit mächtigen Schub, die der Allradantrieb effizient in Vortrieb ummünzt. In Anbetracht der Beschleunigungswerte von 3,7 Sekunden auf Landstraßentempo und nur 13 Sekunden auf 200 km/h macht der Panamera eher auf Sportwagen, denn distinguierte Luxus-Limousine. Und dann sind immer noch weitere knapp 100 Stundenkilometer auf der Uhr möglich …

Ist der V6-Verbrenner aktiv, so wird das erhabene Fahrgefühl stets vom sechszylindrigen Stakkato untermalt, dessen füllige Stimme von der optionalen Sportabgasanlage (ab 3.082 Euro) vor allem im Sport-Plus-Modus dramatisiert wird. Etwas gediegener fährt sich der Panamera in den Fahrmodi E-Power und Hybrid. Letzterer lässt die Verstellmöglichkeiten „Hybrid Auto“, E-Hold und E-Charge zu. Im Grunde genommen kann man als Fahrer damit regeln, ob die aktuelle Batterieladung bestehen bleiben oder der Verbrenner beim Laden unterstützen soll. Dies ist an sich eine gute Sache, jedoch recht ineffizient. Weil dann der Durchschnittsverbrauch auf über 13 Liter ansteigt. Hier hilft nur eins: konsequentes Laden, am besten mit Grünstrom. Wer das tut, genießt vollumfängliche Porsche-Performance und bleibt auf mittleren Strecken trotzdem um die zehn Liter Verbrauch. Klar: Je länger die Strecke, desto mehr nähert sich der Benzin-Verbrauch dem ermittelten Wert mit leerem Akku von 11,8 Litern an.

Das Fahrerlebnis im Panamera 4S E-Hybrid ist der absolute Knaller! Er vermittelt ein unerschütterliches Fahrgefühl. Die beiden Motoren harmonieren klasse, wechseln sich je nach Gaspedalstellung ab oder arbeiten vergnügt zusammen. Der Geradeauslauf? Zeigt sich stoisch ruhig – auch bei Geschwindigkeiten jenseits der 200er-Marke. Mitverantwortlich sind die großen, mischbereiften 21-Zöller (optional).

Limousine oder Sportwagen?

Wirklich erstaunlich ist der dennoch hohe Federungskomfort, der der neuen Abstimmung der Fahrwerk- und Regelsysteme geschuldet ist. So ist etwa die adaptive Luftfederung mit Porsche Active Suspension Management (PASM) serienmäßig an Bord. Die Dreikammer-Luftfederung verflauscht hier nicht gänzlich jede Erschütterung wie sonst in der Luxusklasse üblich, flacht sie jedoch sehr effektiv ab. Dadurch entsteht ein guter Mix aus Fahrgefühl, Sportyness und angenehmem Langstreckenkomfort.

So rauschen wir berauscht (natürlich nur emotional) auf den nächsten Scheitelpunkt zu, e-boosten noch einmal kurz, um dann den sprichwörtlichen „Anker“ zu werfen. Gebremst wird beim Panamera E-Hybrid je nach Stärke der Verzögerung via E-Motor oder zusätzlich mit den kräftigen Radbremsen. So oder so kommt die zurückgewonnene Energie dem Akku zugute. Keramik-Stopper braucht es da gewiss nicht. Die Verzögerung fällt ordentlich aus und das Gefühl im Bremspedal ist homogen. Die schiere Breite und das hohe Gewicht lassen sich nicht wegdiskutieren – auch wenn die außerordentlich präzise Lenkung versucht, diese physikalischen Attribute zu kaschieren. Das gelingt oft, aber nicht immer. Wenn man beim Panamera von einer luxuriösen Reiselimousine ausgeht, so lässt sich das Handling für diese Fahrzeuggattung als durchaus knackig bezeichnen. Porsche wendet dafür auf Wunsch auch einige Tricks an: Da wären etwa die Porsche Dynamic Chassis Control Sport (PDCC Sport) inklusive Torque Vectoring Plus (PTV Plus) für 4.582 Euro und die Hinterachslenkung für gut 2.000 Euro. Beide Extras machen den Panamera deutlich agiler, da Wankbewegungen der Karosserie sehr effektiv unterdrückt werden und die Kurvendynamik gesteigert wird.

Letztlich überzeugt die sportliche Lässigkeit und die Gabe, zügig und vollkommen souverän zu reisen. Kaum ein anderes Auto birgt so viele Facetten wie der Panamera 4S E-Hybrid, welcher die Performance eines Sportwagens mit dem Komfort einer Luxus-Limo verbindet. Im Panamera fühlt man sich stets gut aufgehoben. Die Verarbeitung ist penibel, die Serienausstattung üppig: Navi, Online-Funktionen, Freisprechen, kabellose Handy- Integration und vieles mehr kostet keinen Aufpreis. Man sitzt tief, wird hervorragend ins Geschehen integriert und unterstützt. So bieten die 18-Wege-Sitze mit Sitzbelüftung (3.200 Euro) einen Überfluss an Verstellmöglichkeiten. Die Mittelkonsole beherbergt fast nur noch Touch-Bedienelemente mit haptischem Feedback. Wichtige Funktionen, wie etwa die der Lautstärkenregelung, werden aber immer noch klassisch bedient. Das Porsche Communication Management (PCM) umfasst seit dem Modellupdate auch digitale Funktionen und Services, wie zum Beispiel die verbesserte Online- Sprachbedienung, die drahtlose Handy-Integration und weitere Connect-Dienste. Darüber hinaus bietet er eine umfangreiche Auswahl an innovativen Sicherheitssystemen. Positiv: Die Assistenten sowie die Fahrdynamik-Regelsysteme lassen sich auch deaktivieren.

Vorteile bei den Betriebskosten

Das Design zeigt sich elegant und nicht aufdringlich. Klare Linien, klare Kanten, grün lackierte Merkmale wie die Schriftzüge an Heck und Flanken sowie Bremssättel kennzeichnen das teilelektrische Modell. Der 4S-E-Hybrid erhält ab Werk die Sport-Design-Front, einen markanten Diffusor, in der die vierflutige Abgasanlage eingelassen ist sowie eine durchgehende Rückleuchte. Der Bauraum für die seit dem Update vergrößerte Batterie bleibt übrigens unverändert. Ergebnis ist der gut nutzbare Kofferraum mit 418 bis zu 1.287 Litern Volumen.

Ein leichter Vorteil ergibt sich bei den Betriebskosten: Ein nicht-hybridisierter 4S Sport Turismo kostet mehr Steuern und verbraucht je nach Strecke drei Liter mehr auf 100 Kilometer. Das kann bei den heutigen Spritpreisen durchaus ein paar Euro ausmachen – die Stromkosten gegengerechnet. Voraussetzung ist aber eben das konsequente Laden. Bekommt man das hin, so steht dem g-E-boosterten Panamera- Vergnügen fast nichts mehr im Weg. Außer der Preis vielleicht …


Test kompakt:

Porsche hat bewiesen, dass hybridisches Panamera-Fahren durchaus Vorteile haben kann. Zwar fällt die elektrische Reichweite mit 36 Kilometern nicht riesig aus, jedoch hat der E-Boost als Unterstützung zum V6-Biturbo einen erheblichen Effekt. Zudem sinkt der Verbrauch bei vollem Akku je nach Strecke enorm. Dank Optionspaketen fährt er sich agiler, als man seiner Größe zutrauen mag. Die Konnektivität ab Werk ist üppig,
der Preis leider auch.