Thomas Fuths
· 04.11.2022
Porsche hat einen neuen 911 Sport Classic gebaut. Er folgt nach 13 Jahren auf den 997 Sport Classic. Beide Sportwagen zitieren den 911 Carrera RS 2.7. Zusammen mit Hans-Joachim Stuck ließen wir die zwei Sport Classic in diesem Spätsommer aufeinandertreffen.
911 Sport Classic. 2009 gab es den ersten auf der Basis des 997. 250 Exemplare. Neupreis 201.682 Euro. Alle sofort weg. Pure Faszination. Doppelkuppeldach. 408 PS aus 3,8 Litern. Sauger. Kraft auf die Hinterachse. Entenbürzel als Heckspoiler. Stilistisch der legitime Nachfolger des 911 Carrera RS 2.7. 13 Jahre später nun der zweite 911 Sport Classic. Als Hommage zum 50. Jahrestag des 911 Carrera RS 2.7. Diesmal ein Turbo, aber wieder als Schalter. 550 PS aus 3,7 Litern. Entenbürzel, Doppelkuppeldach. Preis: 281.758 Euro. Jetzt in einer Auflage von 1.250 Exemplaren. Auch die werden sich über alle Kontinente verstreuen. Mal einen davon real auf der Straße zu sehen, wird nur selten passieren. Und einen 997 Sport Classic und diesen neuen 992 Sport Classic zusammen – das ist nahezu unwahrscheinlich. Umso schöner, dass es in diesem Sommer bei uns geklappt hat. Als Experte am Volant dabei: Hans-Joachim Stuck.
Doch diese Ausfahrt beginnt gedanklich viel früher. Mit diesem Film. »A Tale of Now and Then« haben sie ihn bei Porsche genannt. Eine Geschichte von jetzt und einst. Super 8 und 8K im Wechsel der Jahrzehnte. Ein alter 911 Carrera RS 2.7 und der neue 911 Sport Classic im Fokus der Kameras. Menschen in ihrer jeweiligen Zeit an Bord. Corniche folgt Corniche. Shirley Bassey liefert den Soundtrack: »Where do I begin. To tell the story of how great a love can be.« Klar, »Love Story«. Die Engländerin verknüpft die Epochen. Es ist lediglich die Werbung für ein Automobil. Und doch viel mehr als nur Pathos. Das Drehbuch trifft die Seele des 911. »He fills my soul.« Shirley Bassey beginnt auf dem analogen Plattenspieler, um sich dann digital an Bord des 992 zu streamen. Wir wollten wissen, ob dieser neue Sport Classic wirklich diese Aura des Zeitlosen hat, wie es der Film vermittelt. Oder ob nicht der 997 Sport Classic der wahre Bruder im Geiste des 911 Carrera RS 2.7 ist. Im Mai 1972 startete Porsche die Entwicklung des 911 Carrera RS 2.7.
Schon im Oktober stand das Homologationsfahrzeug als Weltpremiere auf dem Pariser Salon. Ende November war er bereits ausverkauft. 500 Exem-plare als erste Auflage. Porsche legte nach, erhöhte auf 1.580 Carrera RS, die im Juli 1973 wieder verteilt waren. Hans-Joachim Stuck, geboren am Neujahrstag des Jahres 1951, erinnert sich im Spätsommer 2022. Damals, 1972, war er 21 Jahre jung und schon Deutscher Rennsportmeister. Auch auf einem RS, aber von Ford: dem Ford Capri RS. »Der Clay Regazzoni, der war schon damals ein sehr guter Bekannter von mir. Und der hat so ein Ding ziemlich schnell gehabt. Der kam dann irgendwann mit seinem weißen Carrera RS an. Und ich war total neidisch.« Fünf Jahrzehnte später streicht Stuck um den 997 Sport Classic. Fährt mit den Händen über den Heckflügel. »Ich habe einen 911 T. Mit Carbon-Bremse. Wenn es ein guter Sommertag ist und man fährt früh raus, das ist einfach schön.« Dann schwingt er sich in den 997 und startet den Boxer. Sechs-Gang-Getriebe, verkürzte Schaltwege. Wie sein privater 991 mit der Porsche Ceramic Composite Brake ausgestattet. Die gab es im 997 Sport Classic serienmäßig.
Der Motor schiebt die Kraft auf die Hinterachse mit ihren 305er-Reifen. »Du weißt immer, dass du mit dem Heckmotor eine gute Traktion hast. Und dass die Reifen eine ordentliche Temperatur haben müssen, damit es richtig beißt«, ruft er aus dem sich schließenden Seitenfenster und zischt los. Zieht sein Kreise. Landstraße, Autobahn. 302 km/h geht dieser 997. Stoppt, lächelt freundlich und steigt um in den neuen 911 Sport Classic. Gleiches Spiel. Fahren, ausloten, vergleichen. Zahllose Kurven auf bayerischen Landstraßen, lange Autobahngeraden, von denen manche bei 315 km/h auch zu Kurven werden. Tracktest abgeschlossen. 997 und 992 parken knisternd Heck an Heck. »Es ist wie der Wechsel von der Schreibmaschine zum Computer«, ordnet Stuck ein, ohne den einen zum Alteisen und den anderen zum PlayStation-Sportwagen zu machen. »Was man zuerst sagen muss − und das hat kein anderer so drauf wie Porsche −, es bleibt immer ein Elfer, ganz wurscht wie alt.« Doch der Profi hat, obwohl er den Klassiker schätzt, schnell eine klare Meinung: »Von dieser mechanischen Zwischengasfunktion im 992 Sport Classic, der Auto-Blip-Funktion, davon träume ich heute Nacht.
Das ist wirklich eine mega, mega coole Sache. Es macht das Fahren schön und einfach und schont das Getriebe.« Und erklärt: »Beim Runterschalten hast du ja einen Unterschied in der Geschwindigkeit des Getriebes, diesen Wiederstand musst du überwinden. Und das ist schlecht fürs Getriebe. Wenn du das aber mit Zwischengas anpasst, dann flutscht der Gang richtig rein.« Dann der direkte Vergleich der Schaltungen: »Da muss ich sagen, dass mir der Neue besser gefällt. Der hat noch einmal kürzere Schaltwege. In Verbindung mit dem Auto-Blip ist das genial. Das ist für mich State of the Art.« Hans-Joachim Stuck differenziert zwischen aktueller Fahrmaschine und Klassiker: »Wenn du einfach mal wieder das Urtümliche probieren willst, dann hast du das in der Garage stehen. Das ist der Reiz eines Klassikers.« Fest steht für uns an diesem Sommertag: Beide 911 Sport Classic umweht die Aura des Zeitlosen. Der 997 vermittelt das ungefiltert, fordert mehr von seinem Fahrer. Und er ist − das gilt auch für andere Versionen − ganz klar auf dem Weg zum Klassiker. Willkommen in der Hall of Fame der Elfer. Der perfekt ausbalancierte 992 indes verbindet auf eine heute ungewohnte Weise die Welt von einst und jetzt. Er ist die Essenz eines 911. Das macht ihn aus.