VW Golf eTSI, eHybrid, GTEStrom und Drang

Joshua Hildebrand

 · 27.11.2023

VW Golf eTSI, eHybrid, GTE: Strom und DrangFoto: Stefan Sauer / Volkswagen
Der Golf 8 gehört zu den volumenstärksten Fahrzeugen der VW-Elektromobilitäts- Offensive. Ihn wird es künftig mit fünf Hybridantrieben geben – drei eTSI- Motoren, dem brandneuen eHybrid und dem besonders sportlichen GTE. GUTE FAHRT ist schon mal ein wenig herumgestromert …
Nein, kein Golf 8 R – der hätte unter den Hybriden nämlich nix verloren. Hier fährt der neue eTSI mit 1,0-Liter-Dreizylinder, 110 PS und sportivem R-Line-Paket
Foto: Stefan Sauer / Volkswagen

lle reden von einer Mobilitätswende. Von Elektromobilität und vor allem Elektroautos, schrägstrich Plug-in-Hybriden. Und tatsächlich handelt es sich bei elektrifizierten Autos längst nicht mehr nur um eine Randerscheinung: Ist doch gerade in diesen Tagen die Meldung eingetrudelt, die Zahl der Anträge des Umweltbonus‘ zur E-Auto-Förderung habe einen neuen Rekord erreicht. So vermeldet das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), dass bislang insgesamt über 257.000 Förderanträge gestellt worden sind. Davon entfallen mehr als 161.000 auf reine Elektroautos (BEV) und rund 96.000 auf Plug-in-Hybrid-Modelle (PHEV). Alleine im August wurden weit mehr als 22.000 Anträge gestellt – so viele wie noch nie. Die Tendenz ist steigend …

Premiere für den eHybrid

Bewertung

Na, wenn das mal keine günstigen Voraussetzungen für den neuen Golf 8 sind. Denn er ist nicht nur umfangreich digitalisiert, sondern gleichzeitig auch das am stärksten hybridisierte Modell der Marke Volkswagen. Gleich fünf Zwitter-Antriebe kann der neue Golf vorweisen. Da wären die 48-Volt-Mild-Hybride als sogenannte eTSI. Den 1.5 eTSI mit 150 PS gibt es ja schon, neu hinzugekommen ist die kleinste Variante mit Einliter-Dreizylinder (1.0 eTSI) und 110 PS. Folgen wird alsbald zudem noch eine 130-PS-Variante. Allesamt mit 7-Gang-DSG. Die eTSI-Modelle steigern dank 48-Volt-Bordnetz und Riemen-Startergenerator die Effizienz, erfüllen aber nicht die Anforderungen der E-Auto-Förderung.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Deshalb interessieren uns in diesem Kapitel vor allem die beiden förderfähigen Modelle: der vollkommen neue eHybrid und der GTE der zweiten Generation. Beide Golf sind mit einer auch extern ladbaren Lithium-Ionen- Batterie ausgestattet, deren Energiegehalt im Vergleich zum Vorgänger um 50 Prozent auf 13 kWh vergrößert wurde. Fangen wir mit dem limonengelben eHybrid an: Von außen wirkt der elektrisierte Golf wie ein konventionelles Modell in der Ausstattungslinie Style. Aber, Moment mal: Hier sollen 204 PS und 350 Nm drinstecken? So viel Leistung wie einst ein Golf GTI hatte? Respekt! Noch dazu hat er mit 80 Kilometern eine große elektrische Reichweite, perfekt für Pendler. Klingt nach „Golf im Schafspelz“, der nicht nur viele Qualitäten besitzt, sondern auch von vielen unterschätzt werden dürfte.

Na dann mal los. Lediglich ein akustisches Signal symbolisiert die Betriebsbereitschaft des Golf. Mit ausreichend geladener Batterie starten sowohl der eHybrid als auch der GTE stets im sogenannten „E-Mode“. Dann rollt man flüsterleise vom Hof. Komfortabler geht‘s in der Kompaktklasse eigentlich kaum. Das Schöne ist, dass wir hier die Vorteile zweier Welten genießen dürfen: zum einen den äußerst komfortablen, elektrischen Antrieb und das lokal emissionsfreie Fahren sowie auf der ande­ren Seite die uneingeschränkte Reisefähigkeit dank konventionellem Verbrennungsmotor. Beim eHybrid sprechen wir somit von insgesamt 870 Kilometern Gesamtreichweite, der GTE kommt auf 760. Gerade hier und oberhalb von 130 km/h wird der 1,4er-TSI (EA211) vom Elektromotor (HEM80evo) unterstützt, welcher dank zusätzlichem Schub als elektrischer Boost fungiert.

Ein Tropfen auf den heißen Stein? Mitnichten! Dieser Boost darf durchaus als solcher verstanden werden, denn es ist schon erstaunlich, was für eine Power der eHybrid mitbringt. Er reagiert blitzschnell auf Gaspedalbefehle, nicht zuletzt wegen des Elektromotors. Anfahr­schwäche? Nö. Die 250 Newtonmeter des Benziners liegen bei 1.550 bis 3.500/min an der Vorderachse an, hinzukommen 100 Newtonmeter des Elektromotors – quasi ab Umdrehung null. In Kombination sorgt das beim ein oder anderen Ampelstart für durchdrehende Räder. In 7,4 Sekunden geht‘s auf Tempo 100, bei 220 km/h ist Schluss. Vor allem das automatisch schaltende und speziell für den Hybrideinsatz entwickelte 6-Gang-DSG (DQ400E mit integrierter E-Maschine) macht einen guten Job. Es legt flott und sanft die Gänge ein, spontane Vollgas-Einfälle quittiert das DSG jedoch mit einer kurzen Gedenksekunde. Doch das geht in Ordnung, wenn man bedenkt, dass der eHybrid bewusst auf möglichst hohen Komfort ausgelegt ist.

Neben der überaus angenehmen Geräuschkulisse während der Fahrt fällt zudem die sanfte, aber keineswegs schlaffe Dämpfung sehr positiv auf. Die lässt sich dank der optionalen adaptiven Fahrwerksregelung DCC (1.018 Euro) sowohl beim eHybrid als auch beim GTE auf die eigenen Bedürfnisse anpassen. Per Schieberegler durch Gestensteuerung oder auf Wunsch per Sprachbedienung ist eine feinstufige Einstellungen zwischen den Modi Comfort, Eco und Sport und sogar darüber hinaus möglich. Doch egal in welchem Modus man unterwegs ist, der Golf 8 eHybrid lässt erstaunlich hohe Kurvengeschwindigkeiten zu. Am Limit spürbar: Das fein regelnde ESP inklusive der serienmäßigen Differenzialsperre XDS.

Mit DCC gibt‘s auch den Fahrdynamikmanager

Im Übrigen sei an dieser Stelle angemerkt, dass nicht nur der GTI den schon oft in Zusammenhang mit dem neuen Golf thematisierten Fahrdynamikmanager hat. Ihn hat jeder Golf 8 an Bord, der mit dem optionalen DCC ausgerüstet ist – also in unserem Fall auch der eHybrid.

Sicherlich förderlich für den Schwerpunkt und die satte Straßenlage ist zudem die vor der Hinterachse unterflur positionierte Hochvoltbatterie. Diese kann über das externe Stromnetz oder während der Fahrt via TSI-Motor und Rekuperation geladen werden. Um am Ende einer längeren Fahrt in der Stadt gezielt im „E-Mode“ unterwegs sein zu können (prädiktive Hybridstrategie), hat VW die Betriebsmodi des Hybridsystems neu konfiguriert und damit das Nachladen der Batterie während der Fahrt vereinfacht. So gibt es beim eHybrid und beim GTE nur zwei Modi: den „E-Mode“ und den „Hybrid-Mode“. Letzterer enthält nun auch die Funktionen „Ladezustand erhalten“ sowie „Batterie mittels TSI laden“. Die Bedienung erfolgt über das zehn Zoll große Digital Cockpit Pro und ein zehn Zoll großes Infotainmentdisplay samt Multifunktionslenkrad – übrigens alles serienmäßig bei eHybrid und GTE. Hellblau leuchtende Batteriesegmente signalisieren den Ladezustand der Batterie, über Pfeiltasten lässt sich die Ladestrategie verändern. Unterm Strich funktioniert dies einfacher und logischer als beim Vorgänger-GTE, jedoch ist die Golf-8-Bedienung zu Beginn noch immer etwas gewöhnungsbedürftig. Wer stationär laden möchte, kann dies natürlich auch tun: Mit 2,3 kW (230 Volt) oder 3,6 kW-Wechselstrom (AC) – eine Vollladung dauert mit circa 5 respektive 3,5 Stunden bei beiden Modellen gleich lang.

Steigen wir nun um in die sportliche Hybrid-Speerspitze, den Golf GTE. Optisch ähnelt er stark dem GTI, nutzt gewöhnlicherweise die Farbe blau als Erkennungs­zeichen – daran hat sich schon einmal nichts geändert. Auch der GTE nutzt den großen Wabengrill und die optionale Fünfpunkt-Lichtsignatur in der Frontschürze. Zudem hat auch er rote Bremssättel sowie ein markantes Heck samt auffälligem Dachkantenspoiler. Was fehlt, ist die zwei-flutige Abgasanlage – das bleibt der Ikone vorbehalten. Stattdessen blickt man auf angedeutete Endrohre aus Chrom. Im Interieur tun das serienmäßige Sportlenkrad mit blauer Spange sowie die einteiligen Sportsitze ihr Übriges. Technisch betrachtet baut er auf den selben Komponenten wie der eHybrid auf. Lediglich eine andere Steuergeräte-Software sorgt für die nochmals höhere Systemleistung von 245 PS (wie GTI) und das kraftvollere Drehmoment von 400 Nm (plus 50 Nm), aber auch für eine etwas geringere Reichweite: circa 60 gegenüber 80 Kilometer beim eHybrid.

Übrigens ist der GTE-Modus des Vorgängers passé, jener wird jetzt vom Sport-Modus abgedeckt. Das tut der sportlichen Sache keinen Abbruch, denn auch der neue Hybridsportler profitiert vom Fahrdynamikmanager. Es lässt sich feststellen, dass der GTE eine ordent­liche Schippe Längs- und Querdynamik obendrauf packt – sowohl im Vergleich zum Vorgänger als auch zum eHybrid. Er beschleunigt noch beherzter, lenkt noch zackiger ein, dämpft straffer. Auch er zeigt sich dank des optionalen Adaptivfahrwerks noch wandlungsfähiger. Die Bandbreite von komfortabel bis sportlich fällt dann größer aus, auch wenn er grundsätzlich straffer abgestimmt ist als der komfortablere eHybrid. Das zeigt sich auch bei schnellen Lastwechseln und auf der Bremse: Die Wankbewegungen fallen geringer aus, die Stopper packen bissiger zu. Nicht zuletzt darf man auch die fülligere Rad-Reifen-Kombination des Hybrid-Sportlers nicht vergessen. Ja, der GTE ist wirklich dynamisch …

GTE: gutes Gewissen inklusive

Aber: An die Sportlichkeit des GTI kommt er im ersten Fahreindruck nicht heran – schon allein wegen der fehlenden, elektronisch geregelten Vorderachsquersperre. Zumal bringt er aufgrund der Batterie 150 Kilo mehr auf die Waage. Ganz klar: VW hat ihm bewusst einen Res- pekt-Abstand zur Ikone eingeräumt. Der GTI ist und bleibt in Sachen Fahraktivität derzeit das Maß aller Dinge im Golf-Zirkus – zumindest bis der „R“ auf der Rampe steht.

Der kann dann allerdings mit anderen Dingen nicht dienen: Etwa dem lokal emissionsfreien und dank niedriger Stromkosten günstigen Pendeln, der verlockenden E-Auto-Prämie sowie der 0,5-Prozent-Regelung. Denn dank der halbierten Versteuerung von gewerblich genutzten Autos qualifizieren sich eHybrid und vor allem der GTE sogar als Dienstwagen – und so viel (auch noch geförderten) Sport gab es in diesem Segment bisher noch nie.