Joshua Hildebrand
· 18.12.2021
Elegante Hülle, sportliches Herz: Der Sportback 50 E-Tron Quattro ist das Spitzenmodell der Audi-Q4-Baureihe, welcher mit 299 PS und Allrad überzeugen möchte. Doch fährt er wirklich besser als die Schwestermodelle mit Heckantrieb? Lohnt sich also der Aufpreis?
Die Zeit vergeht wie im Fluge? Sie rast! Kennt jedenfalls kein Tempolimit. Eben waren wir noch in Lübeck unterwegs, um zum ersten Mal mit dem Q4 zu stromern. Mit „eben“ sind gerade mal fünf Monate gemeint. Gefühlt drei Wochen später sitzen wir wieder im E-SUV aus Ingolstadt – dieses Mal im Sportback als Topmodell „50 E-Tron Quattro“. Und dieses Mal in Österreich. Genauer gesagt stehen wir an der Fernpassstraße B179, weil wir laden müssen. Wir waren tatsächlich das erste Mal mit einem allradgetriebenen Elektroauto in den Bergen. „Aus journalistischer Sicht eine wichtige Erfahrung“, hatte der Chefredakteur im Vorfeld gesagt. Gut, Haken dran. Jedenfalls haben wir jetzt genug Zeit, Vergangenes Revue passieren zu lassen und gleich mal die Story für diesen Test in den Laptop zu hacken.
Performanter Antrieb und Quattro 2.0
Doch was tut man nicht alles für die automobile Wissenschaft?! Für unseren 400 Kilometer langen Nachhauseweg haben wir uns jedenfalls mithilfe der Navigation die besten und schnellsten Ladepunkte mit Voll- Power (HPC-Säulen) heraus gesucht. Hierzulande, selbst abseits großer Städte, lassen sich inzwischen einige finden – wir sind überrascht.
Da stehen wir also nun: halten die Karte an den RFID-Sensor, stecken das Kabel in den Audi und beobachten, wie sich die maximale Ladeleistung von 125 kW (DC) aufbaut. Anfänglich hat er sogar ein kleines bisschen mehr. Gut 1,5 Stunden braucht der Q4 mit 76,6 kWh-Akku (netto), bis er die 100 Prozent Akkuladung (State of Charge, SoC) erreicht hat. In der Praxis macht das jedoch kaum jemand – außer man hat (zu) viel Zeit. Es empfiehlt sich, vor allem aus Gründen der Zeitersparnis und zum Schutz der Batterie, nur bis etwas 80 Prozent vollzuladen. Das geht dann je nach Restladung auch etwas zügiger, so dass wir in 40 Minuten schon wieder weiter können. Laut Audi Virtual Cockpit reicht unser Akkustand von 84 Prozent nun wieder für 332 Kilometer. Doch wie so oft gilt: nach der Ladesäule ist vor der Ladesäule. Stellt sich die Frage: Wirkt der Audi Q4 Sportback be- oder entschleunigend? Die Antwort: Irgendwie beides. Vor allem steht der 50 dank großer Batterie und zwei E-Maschinen gut im Futter. Das Datenblatt gibt Aufschluss: 299 PS und 460 Newtonmeter. Nicht schlecht, Herr Specht. Wäre da nicht das hohe Eigengewicht von 2,2 Tonnen. Kurz den Taschenrechner herausgeholt: Macht ein Leistungsgewicht von etwas über sieben Kilo pro PS. Somit hat eine Pferdestärke ähnlich viel Gewicht zu beschleunigen wie ein VW Golf 6 GTI. Dazu wird das 50er-Modell über alle vier Räder angetrieben. Die Kombination aus der hinteren, achsparallel verbauten und permanent erregten Synchronmaschine (PSM) sowie der Asynchronmaschine an der Vorderachse bildet nämlich den Quattro-Allradantrieb der neuen Generation. Nicht mehr mechanisch, sondern rein elektrisch – Quattro 2.0 sozusagen. Dies zeigte sich bei unserem Urlaubs-Trip in die bayerischen Voralpen von Vorteil. Aber nicht nur da: Bärenstarke Traktion steht beim Q4 dank Vierrad-Antrieb immer richtig groß auf der Haben-Seite. Kann man eigentlich auch nie genug haben. Der Stromer sprintet bestenfalls in 6,2 Sekunden auf Panoramastraßen-Tempo (100 km/h), sofern der Akku voll geladen ist und keine griffigen Winterreifen aufgezogen sind. Damit ist das 50er-Modell der derzeit schnellste Q4, auch was die Spitzengeschwindigkeit angeht: 180 km/h – zumindest neben der neuen, zusätzlichen Allradvariante 45 E-Tron mit 265 PS.
Beim 50er-Modell entfallen 25kW auf den sogenannten Overboost, der für maximal 30 Sekunden an einem Stück abgerufen werden kann. Außerdem ist die zur Verfügung stehende Leistung sowie die Reichweite abhängig von variablen Faktoren wie Außentemperatur, Temperatur-, Lade- und Konditionierungszustand sowie physikalischer Alterung der Batterie. Die Verfügbarkeit der Maximalleistung (Overboost) erfordert insbesondere eine Temperatur des Akkus zwischen 23 und 50 Grad Celsius sowie einen Batterieladezustand von über 88 Prozent. Abweichungen können zu einer Reduzierung der Leistung bis hin zur Nichtverfügbarkeit des Overboosts führen. Für noch mehr Effizienz empfiehlt sich die optionale Wärmepumpe (990 Euro). Sie nutzt die Abwärme der elektrischen Komponenten und kann den Reichweitenverlust durch die benötigte Energie der Klimatisierung ein wenig zu kompensieren.
Effizient, aber nicht sparsam
So ist die von uns gemessene Reichweite von 383 Kilometern als Richtwert zu verstehen. Trotzdem erscheint der von Audi angegebene WLTP-Wert von 488 Kilometern als sehr optimistisch. Wer es mal krachen lässt, wird merken, dass die Batterieladung bei Verbräuchen von um die 30 kWh auf 100 Kilometer rasch schwindet. Klingt im ersten Moment viel, der Durchschnittsverbrauch pendelte sich jedoch bei lässiger Fahrweise im Bereich von 23 kWh ein. Sparen sie sich den Gang zum Taschenrechner: Ein Ausrechnen der Reichweite ist nicht ohne Weiteres möglich, da der Q4 so gut wie immer rekuperiert, wo es nur möglich ist und damit Energie zurückgewinnt.
Über den Stick in der Mittelkonsole switchen wir zwischen dem D- und B-Modus hin- und her. So lässt sich die Stärke der Energierückgewinnung vorwählen: im B-Modus maximal verzögernd, wenn man vom Fahrpedal geht, in D verzögerungsfrei segelnd. Hier lässt sich die Rekuperation mittels Wippen am Lenkrad dreistufig wählen. Bereits von Haus aus geht das 50er-Modell sehr effizient mit seiner verfügbaren Energie um. Hier hilft die Software im Hintergrund mit Systemen wie dem prädiktiven Effizienzassistenten, der Navidaten und Verkehrszeichen auswerten kann. Lässt man sich auf die Empfehlungen des Wagens ein, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen (etwa wenn man sich einem Tempolimit nähert), so steuert das System Segeln und Rekuperieren quasi von selbst.
Erst bei einer Verzögerung mehr als 0,3 g greifen die vordere Radbremsen und die hinteren Trommelbremsen ein – begleitet von einem leicht schwammigem Pedalgefühl. Dies wird all jenen auffallen, die von konventionellen Verbrennermodellen kommen. Dessen ungeachtet lässt sich feststellen, dass der sportlichste Q4 Sportback trotz kleinerer Handicaps ein außerordentlich dynamisches Fahrverhalten an den Tag legt. Dank des Allradantriebes baut er mehr Seitenführungskräfte auf als die RWD-Modelle. Schließlich durchstromern wir flugs jede erdenkliche Kurvenkombination. Und das mit auffall end wenig Schlupf, da der intelligente Quattro-Antrieb die Momente blitzschnell der Fahrsituation anpassen kann.
Die Dynamik-Prüfung hat der performante Q4 ganz sicher bestanden – obwohl wir im Inneren gar keinen Sportsound oder ähnliches hören können. Mit der direkten, aber etwas von der Realität entkoppelten Lenkung gefällt das Audi-typische Fahrgefühl. Grundsätzlich liegt der Q4 für ein SUV richtig satt und wenig wankend auf der Straße, der tiefe Schwerpunkt und die gleichmäßige Achslastverteilung durch die zentrale Einbaulage der Hochvolt-Batterie helfen ungemein. Auch das hochwertige Fahrwerkslayout, bestehend aus McPherson-Vorderachse und Hinterradaufhängung in aufwändiger Vier-Lenker-Konstruktion, trägt seinen Teil dazu bei. Das gilt umso mehr bei Wahl des „Dynamikpaket Plus“ für 990 Euro, weil dann die wandlungsfähigen Adaptivdämpfer mit einziehen. Diese schaffen auf Knopfdruck (Audi Drive Select) unterschiedliche Fahrerlebnisse von sanft-streichelnd bis straff-hoppelnd. Vor allem im Comfort-Modus lässt sich dann vorzüglich und entspannt gleiten. Wieder ein Aha-Effekt: So schön ruhig und vibrationsarm kutschiert kein anderer Antrieb. Auch, weil die Beschleunigung so schön linear ist und kein Doppelkupplungsgetriebe die Gangwahl managen muss. Der Q4 hat nämlich nur eine Fahrstufe – das reicht auch.
Vollgepackt mit Hightech
Dank Sonderpaket „Edition One Geysirblau“ (8.290 Euro) samt Quasi-Vollausstattung besteht die Sensorik unseres Testwagen aus einem Frontradar, einer Frontkamera, vier Umfeldkameras, zwei Heckradaren und acht Ultraschallsensoren. Dies ermöglicht eine Vielzahl von elektronischen Helferlein. Wichtige Assistenzsysteme wie Audi Pre Sense, der Spurverlassenswarner und der Ausweichassistent sind Serie, optionale Systeme (in vier Pakete aufgeteilt) gipfeln im Adaptiven Fahrassistenten, der dem Travel Asisst von VW gleich kommt und automatisiertes Fahren nach Level 2 ermöglicht.
Sowieso gleicht der Q4 Sportback einem Raumschiff mit jeder Menge Hightech. Das neue S-Line-Lenkrad ist nicht nur unten, sondern auch oben abgeflacht und schmeichelt unseren Händen. Es liegt wirklich klasse in der Hand! Kontraproduktiv gestaltet sich allerdings auch hier die Touchbedienung des Lenkrades, auch wenn es sehr cool aussieht. Davor und daneben: zwei große Displays in Form des Virtual Cockpits Pro und Augmented Reality Head-up-Displays, das zusammen im Paket mit der MMI Navigation Pro samt Online-Anbindung und Smartphone-Integration kommt. Obacht: Mit polarisierenden Sonnenbrillen lässt sich die Informationsdarstellung in der Windschutzscheibe nur beeinträchtigt erleben. Ein großes Lob bekommt Audi für die tolle Bedienbarkeit dank Beibehaltens klassischer Elemente, sprich: Tasten. Für uns ein perfekter Kompromiss aus Zukunft und Gegenwart. So präsentiert sich im Übrigen auch das Außendesign. Futuristisch, aber nicht überzeichnet. Der Q4 weiß zu gefallen, deshalb drehen sich auch viele Köpfe nach ihm um. Vor allem als Sportback mit Coupé-Dachlinie, zweigeteilter Heckscheibe und sportivem Heckspoiler schaut er keineswegs langweilig aus. Dazu gesellen sich Audi-typisch nette Leuchtgrafiken – vor allem bei Wahl des LED-Matrixlichtes (1.130 Euro), das interaktive Lichtfunktionen mit sich bringt. Außerdem blinkt er vorne wie hinten dynamisch. Wem das Design der Tagfahrlichter nicht gefällt, der hat Pech gehabt! Nein, hat er nicht. Denn, jenes Optionslicht hält nämlich eine ganz lustige Funktion vor: Im Stand sind vier verschiedene Lichtsignaturen wählbar. Mit solchen Dingen kann man sich wunderbar beschäftigen, wenn es wieder heißt: Ab an die Ladesäule! Das geschieht vor allem auf langen Autobahnetappen öfter als einem lieb ist. Wer das verschmerzen kann, bekommt mit dem Audi Q4 Sportback 50 E-Tron (55.600 Euro) ein deutliches Performance-Plus.
Tipp: Mehr Reichweite bietet das langsamere 40er-Modell. Jenes ist dank nur einer E-Maschine und geringerer Leistung effizienter, kostet dazu über 6.000 Euro weniger.