Tuning-TestMTM Audi RS5 R 2.9 TFSI V6 – Der Schöne ist das Biest

Martin Santoro

 · 17.12.2021

Tuning-Test: MTM Audi RS5 R 2.9 TFSI V6 – Der Schöne ist das BiestFoto: Stefan Bau

Mit hochkarätiger Motorentechnik zaubert MTM 612 PS und 820 Nm unter die Haube des RS5. Das Sport-Coupé wird zum Sündenfall mit einer Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h

Es gibt Dinge, die sind so sicher, wie das „Amen“ in der Kirche. Etwa, dass genau zur Hauptreisezeit Dutzende neue Autobahnbaustellen entstehen oder ein top-getunter RS5 von MTM das hält, was Roland Mayer verspricht. Und das sind in diesem Fall kaum glaubliche 612 PS und ein Drehmoment von 820 Newtonmetern. Wie das geht? Nun, indem man schlicht sämtliche die Leistung beeinflussenden Triebwerksteile des RS5 optimiert, bearbeitet, austauscht oder verstärkt. Bei MTM kommen so etwa zwei überarbeitete Serien-Turbolader zum Einsatz. Mit größerem Turbinen- und Verdichterrad lässt sich bis zu 30 Prozent mehr Luft in die Brennkammern des Vau-Sechs pressen. In Zahlen ausgedrückt, steigt der maximale Ladedruck um 0,4 auf nunmehr 2,6 bar. Ein neuer Ladeluftkühler mit doppelter Netzfläche trägt ebenso zur Optimierung der thermischen Bedürfnisse bei wie die geänderte Frischluftzufuhr mit Sportluftfilter. Obendrein passt MTM die Parameter am originalen Motorsteuergerät den neuen Arbeitsverhältnissen an. Nicht zuletzt ersetzt eine Spezialabgasanlage das doppelflutige Original ab Kat. Um eine einwandfreie Funktionstüchtigkeit zu gewährleisten, werden sämtliche Eingriffe der „Stage 3“ bezeichneten Tuning-Kur generell hausintern im Wettstettener Sportstudio von Roland Mayer durchgeführt.

In Längs- und Querbeschleunigung bewegt sich der RS5 ohnehin schon in der Oberliga, mit MTM-Zutaten legt er kräftig nach
Foto: Stefan Bau

Der kann nicht nur Show, der liefert wirklich!

Start zur Testfahrt: Auf den ersten, noch zurückhaltenden Kilometern sind bereits erste Unterschiede zur 450 PS starken Serie zu vernehmen. Ein brummigeres Abgasgeräusch macht auf die Potenziale aufmerksam. Zudem hebt das montierte Clubsport-Gewindefahrwerk von KW die Grundhärte auf ein spürbar knackigeres Niveau. Doch mittels gut spreizender Adaptivdämpfung bleibt der Restkomfort selbst mit aufgeschnallten 21-Zoll-Schmiederädern im Normal-Modus erstaunlich hoch. Bei langsamer Fahrt herrscht innerorts – mit allerlei Kopfsteinpflaster- und Temposchwellen-Schikanen – noch verhältnismäßig Ruhe. Auf „Sport“ spannt sich die Fuhre spürbar. Unangenehm straff ist der RS5 R deswegen nicht, federt satt und souverän. Das Einlenken fällt schon in der RS-Serie mit Dynamik-Lenkung (RS-Dynamikpaket) sehnig und agil aus. MTM behält den bewährten Dirigenten bei.

Bei der Einfahrt zur Autobahn aber fällt der Hammer: Mit beherztem Tritt aufs Gaspedal mutiert die Beschleunigungsspur zum Drag-Strip. Zweiter, dritter Gang, nach jedem Schaltvorgang des achtstufig ausgelegten Tiptronic-Automaten atmen die beiden Turbolader tief ein, um den RS5 R erneut mit roher Gewalt nach vorne zu reißen. Der Druck auf den Rücken ist ebenso barbarisch wie das zunehmende Tempo und das gedämpfte Gebrüll des voll ausgedrehten Motors. Wie in Zeitraffer schnappt die digitale Drehzahlnadel nach der 7.000er-Marke, verfehlt sie vor jedem Gangwechsel knapp, fällt wie ein Stein auf 4.500 Touren zurück, um in Windeseile wieder zur roten Markierung zu greifen. Ein choreografisches Fest, welches wir gern für die Fahrleistungsmessung wiederholen.

Das mausgraue Coupé mit permanentem Allradantrieb Quattro nebst Sportdifferenzial (RS-Dynamikpaket) verhält sich beim Launch-Control-Start auf den ersten Metern wie ein Hecktriebler, schwenkt mit dem Hinterteil kurz nach rechts und links, fängt sich, um dann schnurstracks die 100-km/h-Marke in 3,6 Sekunden zu knacken. Damit eilt der MTM dem Original um knappe drei Zehntel voraus. Mit zunehmendem Tempo wächst der Vorsprung kontinuierlich: Bis 140 ist das Biest bald eine Sekunde flotter, pulverisiert die 200 km/h 2,4 Sekunden schneller. Nach 280 Stundenkilometer (Dynamikpaket) wird bei Ingolstadt elektronisch abgeregelt. Wettstetten zieht den Schlussstrich erst bei 320 km/h. Bemüht man den Vergleich, quetscht sich Mayers Pfeil rein nach Zahlen direkt zwischen Zuffenhausener Topathleten 992 GTS (480 PS) und den allmächtigen Turbo (580 Allrad-PS).

Durch und durch auf Supersportwagen-Niveau

Das Schöne an diesem allradelnden Über-Audi: Das Fahrerlebnis zeigt sich frei von Nebenwirkungen – trotz der brutalen Performance. Drama oder Unsicherheit sind hier Fremdworte. Klasse: Das Auto bietet jederzeit genug Charakter und Feeling, dass der Fahrspaß bei aller Perfektion nicht klinisch oder künstlich wirkt. Die Lenkung zieht dank der grotesk flachen Gummis massig Infos aus dem Asphalt. Man fühlt, wie sich der gedopte RS in Kurven regelrecht auflädt und massig Momente an die fetten 275er Walzen sendet, während es gleichzeitig aus dem Keller gurgelt und röchelt. Das Ganze hört sich viel direkter an als beim Serien-Audi, der Sport-Abgasanlage mit schaltbarer Klappensteuerung sei Dank. Imponierendes Spratzeln beim Gaslupfen legt das Instrument gratis obendrauf.

Ähnlich brutal wie beim Vorwärtsdrängen verzögert der MTM-Audi, wenn bei Bedarf der Anker fällt. Gebeutelte Beifahrer lassen beim Vergleich bitte Nachsicht walten, wenn sie bei scharfen Brems-Vorgängen sprichwörtlich wie ein Mehlsack in den Gurten hängen. Bei den Verzögerungswerkzeugen setzt MTM auf Audis Serie mit umlackierten Sätteln. Die Anlage ist stets feinfühlig dosierbar und hält die immense Power bestens in Zaum – ohne Fadingerscheinungen.

Ohne Zweifel, Mayers RS5 trägt seinen Schlussbuchstaben „R“ für Racing zu Recht. Kraft, Dampf und Sportlichkeit ohne Abstriche haben allerdings auch ihren Preis. Dabei ist der Verbrauch von 13,5 Litern
Super Plus unterm Strich noch der harmloseste Kostenfaktor. 25.000 Euro kostet allein die Leistungsspritze. Das KW-Fahrwerk und der mit edlem Carbon verzierte Sportauspuff machen zusammen knapp 12.000 Euro aus. Beim Kassensturz bitte nicht den Basispreis des RS5 mit 86.000 Euro vergessen, der mit Extras leicht die 100.000er Marke knackt!

Stimmt, insgesamt viel Holz. Aber dafür gibt’s mega Fahrspaß in Supersportwagen-Sphären. Übrigens gilt das MTM-Angebot auch für aktuelle RS5 mit OPF. Das ist so sicher wie das „Amen“ in der Kirche.


Test kompakt:

Der RS5 R von MTM bietet die Gewissheit hochgradiger Exklusivität, verbunden mit der geballten Ladung eines alltagstauglichen Power-Triebwerks und den Vorteilen des permanenten Quattro-Allradantriebs. Eine Kombination, deren Reiz unter die Haut geht. Wäre da nicht die Preisfrage mit im Spiel.