Arne Olerth
· 24.02.2022
Die siebte Bulli-Generation muss sich der Familienvater nicht mehr mit dem Handwerker teilen – den VW T7 gibt es nur als multifunktionalen Multivan. Im Test: der brandneue eHybrid
Kaum zu glauben – was 1947 mit einer flüchtigen Skizze im Notizbuch des niederländischen VW-Generalimporteurs Ben Pon begann, mauserte sich zu einer einzigartigen Erfolgsgeschichte. Mit seinen mittlerweile 72 Jahren Bauzeit markiert der VW Bus einsam die Spitze in der Welt des Automobilbaus. Schulterte er zu Beginn mit fröhlich schnatterndem Boxermotor den Wiederaufbau und brachte im Anschluss die Sinnsuchenden auf dem Hippie-Trail nach Indien, so wurde sein charismatischer Sound mit den Jahrzehnten erwachsener, der Bulli immer ausgereifter und wertvoller. Er musste manch Paradigmenwechsel in Sachen Antrieb über sich ergehen lassen – wie etwa die Umstellung von Luft- auf Wasserkühlung. Der Motor zog in den Neunzigern nach vorn, knurrige wie sparsame Diesel sorgten die kommenden drei Jahrzehnte für souveränen Vortrieb. Und heute? Surrt der neue Bulli in siebter Generation fast lautlos voran, zumindest in diesem ersten Test. Ein Plug-in-Hybrid ist der zeitgemäße neue Hit – altgediente Bus-Fans reiben sich verwundert die Augen. Einen TDI gibt es aktuell gar noch nicht, eHybrid und TSI machen den Aufschlag im Aggregate-Reigen. Doch: Kann der Teilzeitstromer überzeugen? Und: Füllt der T7 Multivan die Fußspuren seines Vorgängers aus? Antworten liefert der Test des VW T7 Multivan eHybrid.
Eines wird von Anfang an klar: Der neue Bulli erregt Aufmerksamkeit, wo immer er auftaucht. Logisch, haben doch ganze Generationen von Familien-Vätern ihr Herz an ihn verloren. Und so, wie manch Tagesschau-Zuschauer beim Betrachten des nach 16 Jahren frischen Kanzler-Konterfeis heute noch zuckt, so dreht auch der Neue aus Hannover die Köpfe. Der Vorgänger prägte fast zwei Jahrzehnte das Bild auf unseren Straßen, startete als T5, auf dem der T6 und T6.1 strenggenommen als größeres Facelift aufbauten, schon 2003.
Länger und flacher als bisher
Der T7 ist direkt als Bulli zu erkennen, wirkt gleichwohl ganz anders. Acht Zentimeter flacher (1,91 Meter), deren sieben länger (4,97 Meter) und mit 1,94 Meter vier Zentimeter breiter zeigt er ganz neue Proportionen. Seine Schnauze ist länger als bisher, die Front-Scheibe stärker geneigt. Zwölf Zentimeter mehr Radstand sorgen genauso für einen neuen Look, wie der gewaltige Dachkantenspoiler mit seitlichen Winglets. Darauf haben die Kreativen von VW Nutzfahrzeuge ein modernes Design modelliert, das mit zeitloser Wertigkeit besticht. Flache LED- Scheinwerfer prägen die Front, die im Verbund mit optionalem Matrix-Licht (IQ.Light) durch eine charismatische Lichtspange verbunden sind. Die Kühllufteinlässe sind in Wagenfarbe lackiert, die Front wirkt clean und aufgeräumt. Vom Vorgänger übernommen wurde die umlaufende Gürtellinie, die sich von den Scheinwerfern bis zu den Rückleuchten zieht und die Flanken gliedert, das Auto leichter erscheinen lässt.
Schiebetür-Bedienung per Fußkick
Klasse: Auf Wunsch zieht eine fesche Zweifarb-Lackierung die Blicke auf sich – so wie beim Urahn in den Fünfzigern. Das große Heckportal ist dem Multivan geblieben, genauso wie die seitliche Schiebetür. Pardon, Plural: die Schiebetüren. Gleich zwei praktische Zugänge sind in Serie an Bord, öffnen noch leichter als beim Vorgänger – auf Wunsch motorisch betrieben und per Fußkick befehligt. Dahinter verbirgt sich das wohl wichtigste Kaufargument des Multivan: der raumgewaltige, hoch variable Fond. Trotz geschrumpfter Aufbauhöhe konnten die Techniker die opulente Kopffreiheit erhalten. Dazu wurden die Klimakanäle an die Dach-Außenseite verlegt. Noch größer wird diese mit dem optionalen, riesigen Glasdach.
Fünf Passagiere können sich im feinen Multivan-Fond komfortabel einrichten. Die wuchtige Sitzbank ist Geschichte, der T7 kommt mit leichten Einzelsitzen, die blitzschnell ausgebaut und gedreht wieder platziert werden können, sich auf Schienen verschieben lassen. Multivan-Reisende sitzen fürstlich, Armlehnen, einstellbare Lehnenneigung und erstmals auch eine Sitzheizung sorgen für Komfort. Der Kofferraum freilich musste Federn lassen, fällt der Fond doch 11 Zentimeter kürzer aus. Dafür bietet der T7 mit langer Schnauze einen top Fußgängerschutz. Butter bei die Fische: 469 bis 3.710 Liter fasst das Gepäckabteil, die Langversion (5,17 Meter) bietet 763 bis 4.053 Liter.
Und vorne? Offenbart der Youngster die ganze Wucht seines Neustarts, zeigt sich digitalisiert und vanartig wie nie. Der Zustieg entspricht jetzt eher einem Hineingleiten denn einem Hochsteigen, die Sitzposition wurde stark in Richtung PKW getrimmt. Geblieben ist die fantastische Übersicht durch die hohe Sitzposition, die lange Schnauze aber erfordert Piepser-Unterstützung beim Parkieren. Sitztiefe und horizontaler Abstand der Kopfstützen sind genauso einstellbar wie eine Massage wählbar (Aufpreis). Natürlich durfte der Multivan seine klasse Armlehnen behalten.
Eine enorm hochwertige Armaturentafel zaubert einen Hauch von Oberklasse ins Cockpit. Wer Golf und Caddy kennt, der findet sich auch im Multivan zurecht – der MQB lässt grüßen. Ein vielfältig einstellbares Digital-Cockpit ist genauso Serie wie der zentrale Touchscreen, der vorgelagerte Slider zum Steuern von Temperatur und Lautstärke sowie das Touchfeld darunter für die Wahl von Fahrmodus und Clima-Steuerung. Ein optionales Head-up-Display sorgt für zusätzlichen Komfort. Obligatorisch: ein DSG, dessen kleiner Bedienknubbel sitzt neben dem Touchscreen. Das schafft Platz zwischen den Vordersitzen, genauso wie die Handbrems-Bedienung via Taster. Ein optionaler Multi-Tisch kann somit bis ganz nach vorne geschoben werden. Auf Kniehöhe des Fahrers gibt es eine Ladeschale für das Handy sowie zwei Cup-Holder.
Stromern wir los! Die Standklimatisierung (Serie), hat die Fuhre zuvor auf Wohlfühl-Temperatur gebracht – ohne den geladenen 10,4-kWh-Akku zu belasten. Ein wichtiges Feature, um die E-Reichweite im Winter zu steigern. Druckvoll schiebt die im DSG integrierte E-Maschine den 2,3-Tonner voran, 116 PS erlauben maximal Tempo 140. Wir bleiben heute darunter, surren fast lautlos durch Stadt und Dörfer sowie über Land. Wir erleben nach 30 Kilometern die Übernahme durch den 1.4 TSI (150 PS). Die aktuellen Temperaturen um den Gefrierpunkt kosten hier einige Kilometer Reichweite – schließlich wollen Passagiere und HV-Batterie im Wohlfühlmodus bei rund 20° Celsius gehalten werden. Die elektrische WLTP-Reichweite liegt bei 48 Kilometern. Konsequenterweise startet der Multivan immer im E-Modus, genügend Akku-Ladung vorausgesetzt. Dabei kann der TSI jederzeit zum Dienst dazu beordert werden – für einen zügigen Überholvorgang etwa.
Auf Knopfdruck – oder wenn der Akku leer ist – geht’s im Hybridmodus voran. Der T7 wählt den passenden Motor dabei situationsabhängig automatisch. So wird meist elektrisch angefahren, bei flotterem Tempo im TSI-Betrieb wirft der E-Motor oft seine Momente unterstützend in die Waagschale. Dadurch fühlt sich der TSI eher nach 2,0 denn 1,4 Liter Hubraum an. Strom ist selbst kurz nach Leerfahren des Akkus wieder vorhanden, spült doch jeder Bremsvorgang Ladung via Rekuperation zurück. Auch der TSI lädt den Akku oft punktuell, kann durch den verschobenen Lastpunkt extra-effizient betrieben werden.
Segeln oder Rekuperieren?
Nichts, worum sich der Fahrer einen Kopf machen müsste – die Choreografie des Antriebs gelingt stets perfekt. Bei aktivierter Navigation bezieht die Antriebssteuerung davon Informationen und aktiviert beispielsweise bei Ortsdurchfahrten gerne den E-Antrieb.
Natürlich kann der Fahrer gezielt die Steuerung beeinflussen: Gerade in der Stadt bietet sich dabei der Sportmodus des DSG an, der durch starkes Rekuperieren bei Gaswegnahme fleißig den Akku lädt und damit ein „One-Pedal“-Fahrgefühl erzeugt. Auch dem Standard-Programm des DSG kann dauerhaftes Rekuperieren in zwei Stufen zugeordnet werden, dazu muss ein wenig in den Tiefen der Untermenüs gesucht werden. Doch würde man damit das Segeln ausschalten. Und dieses ist bei Landstraßenfahrt effizienter – zumal der T7 dabei oft den Verbrenner ausknipst. Das geschieht vollkommen ruckfrei und somit komfortabel.
Praktisch: Der T7 kann einen Teil der Akku-Ladung reservieren – beispielsweise für das Ende der Reise. Man kann den Akku auch gezielt über den TSI aufladen, was aber über einen deutlich erhöhten Benzinverbrauch erkauft wird.
Beim Vollgas-Sprint leisten die Maschinen 218 PS im Verbund, sichern dem Multivan das Erreichen von Tempo 100 nach glatten neun Sekunden. Doch passt die Bestzeitenhatz nicht zum komfortablen Bulli, klingt der TSI bei hohen Drehzahlen doch ein wenig angestrengt. Es ist eher das flotte Reisen, das ihm liegt – mit Reisetempi um die 160 km/h. Hier wirkt der Antrieb rundum souverän und entspannend. Auf Wunsch sind echte 192 km/h drin.
Dazu serviert das aufwendige, klasse abgeschmeckte Fahrwerk ein Handling, das den Vorgänger buchstäblich alt aussehen lässt: Präzise setzt der T7 Befehle der mitteilsamen Lenkung um, durcheilt Kurven ohne störendes Eigenlenkverhalten, schmeichelt den Insassen mit tollem Komfort – die optionalen DCC-Adaptivdämpfer sind eine klare Empfehlung. Das für Fondpassgiere präsente Wanken des Vorgängers ist Geschichte, der neue Bulli fährt sich so entspannt, präzise und gelassen wie ein großes SUV vom Schlage eines Tiguan Allspace. Beeindruckend.
Und der Verbrauch? Liegt mit leerem Akku bei 8,5 Litern auf der GF-Test- runde – auch ein Verdienst der tollen Aerodynamik mit einem cW-Wert von 0,30. Flotte Autobahnfahrten lassen den Verbrauch über die 10-Liter-Marke schnellen, logisch. Vorausschauendes Fahren wird mit etwa sieben Litern honoriert – großes Kino für ein Auto dieser Größe und Masse. Dazu kommt der Vorteil des lokal emissionsfreien E-Fahrens auf der Kurzstrecke, das zudem den Geldbeutel spürbar weniger belastet als der TSI. Es lohnt sich also, den T7 so oft als möglich zu laden. Mit vollem Akku und 45-Liter-Tank muss der T7-Pilot nach etwa 560 Kilometern wieder an die Zapfsäule. Die Reichweite liegt damit etwa 400 Kilometer unter der des T6.1 mit 150-PS-TDI und seinem bis zu 80 Liter fassenden Tank.
„Hallo Volkswagen, rufe Stefan privat an!“ Der radikale Bruch mit dem Vorgänger setzt sich bei der Bedienung fort. Eine Sprachsteuerung für Telefon, Musik, Klima-Anlage und Navigation sorgt für ganz neue Qualitäten, funktioniert in der Regel flüssig. Touchen und Sliden statt Drehen und Drücken – die Bedienung entspricht ganz der des Golf. Womit sich bisher ungeahnte Möglichkeiten eröffnen, manch Funktion durch die blickgeführte Bedienung aber Aufmerksamkeit erfordert. Neueinsteiger sollten auf alle Fälle ein wenig Zeit einplanen.
Der Bulli fährt jetzt auch autonom
Als Kind seiner Zeit unterstützt der neue Multivan seinen Fahrer nach Kräften: Ganz gleich ob Flankenschutz, Parklenk-Assistent, Verkehrszeichenerkennung, oder der famose „Travel Assist“, mit dem der große Volkswagen autonom lenkt, bremst und beschleunigt – der T7 Multivan bietet bei Vollausstattung mehr als 20 elektronische Helfer.
Womit wir bei den Preisen angekommen wären. 57.174 Euro kostet des Multivan eHybrid in der Basislinie mit Namen „Multivan“ – wobei Basis hier kaum etwas mit Verzicht zu tun hat: Fünf Einzelsitze, LED-Beleuchtung, Wäremschutz-Verglasung, 10-Zoll-Touchsscreen, DAB+, App Connect, Freisprecheinrichtung, Klimaanlage, Lane Assist und GRA – um nur die wichtigsten Features zu nennen – zeugen von einem großzügig geschnürten Paket. In der mittleren Linie „Life“ gibt es unter anderem zwei zusätzliche Sitze, Armlehnen für Reihe eins und zwei, 17-Zoll-Alufelgen, Parkpiepser, Regensensor und einen automatischen Innenspiegel (60.404 Euro). Richtig luxuriös freilich wird der Multivan in der Top-Linie „Style“ für 67.842 Euro, in der der T7 in reichlich Chromornat zum Test antrat. 18-Zöller, Matrix-Scheinwerfer, Rückfahr-Kamera, Parklenk-
Assistent, 3-Zonen-Climatronic, bi-colore Sitzbezüge in Velours-/Lederoptik sind nur einige der vielen Highlights. Beschreitet man den eingeschlagenen Luxus- Weg weiter, so empfehlen sich Sonderausstattungen wie die Zweifarblackierung, die Anschlussgarantie (3 Jahre, 100.000 km) zu 2.190 Euro, das Head-up-Display, unbedingt das DCC-Adaptivfahrwerk „Standard“, der Travel Assist mit dem Radartempomat ACC sowie die Telefonschnittstelle „Comfort“ mit Qi-Lader.
Knapp 6.000 Euro Förderung
Alternativ kann es sich lohnen, das ähnlich eingepreiste Aktionsmodell „Multivan eHybrid Energetic“ mit einem etwas anders geschnürten Grundausstattungspaket ins Auge zu fassen. So oder so: Für einen üppig ausgestatteten Luxus-Multivan werden schnell 80.000 Euro fällig. Doch fördert Volkswagen den Kauf mit
einem Umweltbonus von 2.231 Euro, der Bund mit weiteren 3.750 Euro, schließlich emittiert der Multivan eHybrid nach Norm nur 41 Gramm CO2/100 km und liegt damit deutlich unter der Grenze von 50 Gramm. Unterm Strich ergibt das einen satten Zuschuss von 5.981 Euro. Damit ist der eHybrid nur etwa 900 Euro teurer als der alternative 204-PS-TSI. Ein 150-PS-TSI markiert den Einstieg in die schöne Welt des neuen Multivan (ab 44.839 Euro), spielt aber in seiner eigenen Leistungsklasse.
Nach mehr als sieben Jahrzehnten Bauzeit revolutioniert der T7 Multivan das Phänomen „Bulli“. Zudem fächert VW Nutzfahrzeuge dieses zu einem echten Dreiklang auf: als T7, T6.1, der exklusiv mit 204-PS-TDI, DSG und Allrad-Antrieb weitergeführt wird, und zeitnah als rein elektrischer ID.Buzz. Wenn das keine schöne Aussichten sind.
Test kompakt:
Der neue Multivan ist richtig gut.Seine Variabilität hat noch einmal zugelegt, das Fahrverhalten auf dem Niveau eines großen SUV deklassiert den Vorgänger. Dazu gibt es eine top Ausstattung, die klasse verarbeitet ist. Die Bedienung?
Erfordert Eingewöhnung. Erstaunlich sparsam und universell zeigt sich der eHybrid, der Tank dürfte größer sein. Billiger wurde das Multivan-
Vergnügen mit dem T7 aber nicht.